Täglich grüßt das Murmeltier

09:00 Uhr – Morgenstund hat Gold im Mund

Ein Schild mit der Aufschrift Centro Ricerca (aka Forschungszentrum) begrüßt mich bei der Ankunft am Außenposten des Center for Mind/Brain Sciences in Mattarello, Italien. Nur ein paar Meter dahinter, mein Arbeitsplatz: ein trotz der wohlig warmen Außentemperaturen eher kühl-klimatisierter Computerraum, den ich mir für gewöhnlich mit einigen einheimischen oder auswärtigen Studenten teile. Erste Reihe, vierter Rechner vom Fenster, die Schmiede der Erkenntnis.

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10:30 Uhr – Debugging

Programmieren. Nicht unbedingt eine Kompetenz, die man einem Psychologie-Studenten zuschreiben würde, doch tatsächlich dreht sich die meiste Zeit meines Praktikums genau darum. Unzählige Zeilen von Code flimmern über den Monitor. Einige zum Programmieren von Experimenten, andere zur Datenauswertung und -analyse. Nach rund 90 Minuten Zähneknirschen und verzweifelter Versuche, das Skript zum Laufen zu bringen, ist der Fehler gefunden: hier ein Semikolon zu wenig, dort ein Tippfehler. Fortschritt lebt von den kleinen Erfolgen!

12:30 Uhr – Un panino sulla terrazza

Mittagspause. Auf zur Bar und schnell ein belegtes Brötchen organisiert. Mal wieder kommt der Gedanke auf, dass ich mir wirklich angewöhnen sollte, häufiger mal mein eigenes Mittagessen mitzubringen. Zu spät. Mit dem Panino geht es auf die Terrasse, wo sich im Sonnenschein und mit atemberaubendem Ausblick auf die noch immer schneebedeckten Gipfel der Berge um die begehrten Sitzgelegenheiten gestritten wird. Hin und wieder schnappe ich einen italienischen Satz auf. Man merkt deutlich den Anteil internationaler Mitarbeiter, die Weltsprache Englisch setzt sich durch. Neben einigen Anekdoten vom letzten Wochenende wird sich vor allem über job-relevante Themen unterhalten. Auch ich kann mich einbringen und berichte von meinem flüchtigen Semikolon vom Vormittag.

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14:00 Uhr – Lab meeting

14:15 Uhr – die letzten Mitarbeiter trudeln ein und das Treffen der Arbeitsgruppe kann endlich beginnen. Heute steht ein Journal Club auf dem Programm, es wird eine neue Publikation aus der Fachpresse vorgestellt und anschließend diskutiert. Nach wenigen Minuten wird klar, dass die behandelte Studie so einige methodische Mängel aufweist. Welcher Reviewer hat denn da bitte sein Okay gegeben? Es folgen hitzige Diskussionen und messerscharfe Wortwechsel. Wissenschaft lebt nun einmal von konkurrierenden Positionen und Interpretationen.

15:30 Uhr – URGENT! Looking for subjects

Probanden für seine Studien zu gewinnen, ist ein hartes Geschäft. Drum kommt es hin und wieder vor, dass der Wissenschaftler selbst zum Versuchskaninchen wird und sich in den Scanner legt. „Please try to reduce your movements to a minimum!“ Klar doch, ich bin ja kein Anfänger. Regungslos wie im Tiefschlaf lasse ich mich ins MRT schieben und versuche, eine vorbildliche Versuchsperson zu sein. Denn nur zu gut weiß ich selbst, dass einem Bewegungsartefakte die Daten ganz schön versauen können.

16:30 Uhr – Brainstorming

Das Skript vom Vormittag ist durchgelaufen, der Computer hat erste Ergebnisse ausgespuckt. Mein Betreuer stattet mir einen Besuch im Computerraum ab und wirft einen kritischen Blick auf die Ausgabe. Ich weiß, ich weiß, es ist nicht ganz das, was wir uns erhofft haben. Wir gehen noch einmal die Codes durch. Nein, keinen Fehler gemacht, jedes Semikolon ist da, wo es hingehört. Einstimmig beschließen wir, dass wir wohl noch mal einen Schritt zurückgehen müssen. Es war nur ein sanity check, noch ist nichts verloren. Wir können immer noch das Ruder herumreißen! Es müssen neue Ideen her.

18:00 Uhr – Fortsetzung folgt

Immer noch keinen guten Einfall gehabt. Der Hausmeister klimpert derweil mit dem Schlüsselbund und scheucht mich aus dem Computerraum. Auf dem Heimweg hört die Grübelei nicht auf. Kurz vor der Haustür dann eine zündende Idee. Vielleicht…? Das werde ich morgen weiter verfolgen, daraus könnte man was machen. Jetzt erstmal Feierabend und abschalten!

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