Zwischen Hagelslag und Chocomel

„Naja, das ist ja kein richtiges Ausland“ oder „Ach, da kannst du ja fast pendeln“.

imag0395So oder so ähnlich waren die Reaktionen, wenn ich auf die Frage, wo ich mein in Auslandpraktikum mache mit „Groningen“ geantwortet habe. Wie viele von euch wahrscheinlich auch, bin ich ein großer Fan von unserem Nachbarland. Günstiger Kaffee, tolle Shoppingmöglichkeiten und unglaublich leckere Süßigkeiten. Bei einem kurzen Trip über die Grenze fallen einem die Unterschiede gar nicht so sehr auf, das änderte sich allerdings schnell als ich nach Groningen gezogen bin. Groningen zeigt sich im Moment von seiner schönsten Seite, bei strahlendem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen imag0342laden das verwinkelte Netz aus kleinen und mittelgroßen Kanälen, alten Gebäuden und unzähligen grünen Parks zu Erkundungstouren ein.

Als münsteraner Studentin konnte ich natürlich nicht ohne mein Fahrrad umziehen und dann gehen auch die Unterschiede schon los. Das Schild „Tegelijk groen“ heißt nämlich genau das, was es vermuten lässt: Alle Radfahrer aus allen Richtungen haben gleichzeitig grün. Was in Deutschland unmöglich wäre (wir lieben ja geregelte Vorfahrt) ist zwar etwas gewöhnungsbedürfig, aber es funktioniert. Motorroller sind hier ebenfalls sehr beliebte Fortbewegungsmittel, welche auch auf den Fahrradwegen fahren dürfen. Man sollte sich also auf die ein oder andere spektakuläre Überholaktion gefasst machen.

Ebenfalls etwas befremdlich ist der Anblick am Mittagstisch. Während ich ein extrem fluffiges Brot mit Käse verputze (Zitat eines Kollegen: „Mit deutschem Brot könnte man zur Not auch Häuser bauen.“) sitzen um mich rum Holländer, die auf ihr Brot zunächst eine ca. 1 cm dicke Magarine-Schicht und anschließend eine ebenso dicke Schicht Schokostreusel (Hagelslag) streuen. Ich glaube es erfordert jahrelange Übung, um nicht die Hälfte davon direkt wieder runter zu schütten. Ich persönlich liebe das riesige Angebot an frischem Obst, Gemüse, Smoothies und vorbereiteten Salaten im Supermarkt und natürlich, dass es an jeder Ecke Softeis gibt.

Meine Wohnung war zunächst auch etwas gewöhnungsbedürftig für mich. Ich bewohne ein kleiimag0339nes Dachgeschosszimmer mit zwei Fenstern was eigentlich ziemlich schön hell ist. Der Blick vom Schreibtischfenster ist allerdings etwas – naja – sagen wir mal karg. Und vorallem die Treppe hinauf ist etwas anders, als ich es aus Deutschland kenne, denn die Steigung entspricht eher einer Leiter und dies hat besonders beim Einzug für einige Probleme gesorgt, aber mir wurde versichert, dass das für alte holländische Häuser genauso normal ist wie unser charmantes Duschklo. Duschklo? Ja genau, es handelt sich um einen kleinen Raum, in dem sich ein Klo, ein Duschhahn und im Boden ein Abfluss befindet. Kein Waschbecken, nichts. Bei drei Mädels im Haus ist somit eigentlich der Boden durchs Duschen immer nass, erste Anschaffung hier waren also ein paar schicke Badelatschen.

Das Schöne an den Holländern, neben ihrer sehr direkten Art ist, dass sie nahezu perfektes Englisch sprechen. Die meisten hatten in der Schule sogar Deutsch und machen sich oft einen Spaß daraus, ihrer Meinung nach besonders deutsche Worte besonders deutsch auszusprechen. Sollte mir mal eine Vokabel im Englischen nicht einfallen, sage ich sie einfach auf Deutsch und in 90% der Fälle ist das niederländische Wort ähnlich und mein Gegenüber weiß, was gemeint ist. Einige nützliche Vokabeln wie „tot ziens“ oder „eet smakelijk“ habe ich meinem Wortschatz auch schon hinzugefügt.

Groningen und seine Bewohner sind wirklich unglaublich charmant und dank einer direkten Flixbus-Verbindung (mit 11€ pro Strecke auch ziemlich günstig) nach Münster, werde ich diese Stadt wohl auch nach Praktikumsende noch öfter mal wieder sehen. Also in diesem Sinne tot ziens.

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