England à la carte

Dass das Essen in England gruselig ist, ist ein landläufiges Klischee. Manch einer hat mal schlechte Erfahrungen im Urlaub oder auf einer Klassenfahrt gemacht. Erfahrungen, die mit undefinierbaren Fleischbergen in Minzsoße und viel, viel Essig zu tun haben. „Die Briten haben keine Esskultur“, hat mal eine Englischlehrerin zu mir gesagt. Die musste es ja wissen. England und schlechtes Essen – das scheint für viele einfach zusammen zu gehören.

Aber schon vor meinem Englandaufenthalt war ich dieser Auffassung gegenüber ein bisschen skeptisch. Ich liebe beispielsweise die Rezepte von Jamie Oliver und mache mir einen Spaß daraus, ab und zu mal was davon nachzukochen. Jamie ist wohl ein bekannter Engländer. Außerdem dachte ich mir, solange ich selber koche, kann ich immerhin auch selber bestimmen, was ich esse. Und wenn ich ab und zu mal auswärts esse, habe ich eben die Möglichkeit, zu überprüfen, was an dem Klischee dran ist.

IMG-20131027-WA0002Allen Skeptikern soll gesagt sein: Die Engländer können weitaus mehr Dinge zubereiten als nur Fish and Chips. Und diese Sachen sind wirklich richtig lecker.
Fangen wir mit dem Frühstück an. Zu einem traditionellen “Full English Breakfast” gehören Toast, Eier (Rührei, Spiegelei…), gebratener Schinken (wahlweise Speck) und Würstchen, gebackene Bohnen und kurz angebratene Tomaten. Wahlweise kann man noch etwas Anderes hinzufügen oder etwas weglassen. Natürlich hat man aber nicht jeden Tag Zeit, das alles vorzubereiten. Also gibt es morgens vor der Arbeit auf die Schnelle mal ein Toast mit Marmelade oder eine Schale Müsli oder Cornflakes. Breakfast: sorted!
Mittags halten es die Meisten eher simpel: Viele meiner Kollegen essen zum “dinner” (oder auch “lunch”) Sandwiches, Salat, Ofenkartoffeln (“jacket potatoes”), Suppe, oder verschiedene Nudelgerichte. Zwei warme Mahlzeiten pro Tag sind übrigens keine Seltenheit.
Das Abendessen heißt umgangssprachlich einfach “tea” (posh: “dinner”). Mit Tee hat das allerdings weniger zu tun, eher geht man mal ein Curry essen. Zwar ist das eigentlich indisch, aber fest in den Speiseplan der Engländer integriert.
Warme Mahlzeiten enthalten sehr häufig Fleisch, meistens “chicken”, “pork” oder “beef”, auf die unterschiedlichste Weise zubereitet. Ein klassisches Gericht, das ich sehr lecker finde, ist “pie with mushy peas”. Der pie ist praktisch ein kleiner Kuchen gefüllt mit Fleisch und/oder Gemüse. Gekochte und eventuell pürierte Erbsen gibt es dazu als Soße. Ein Rezept findet ihr hier: http://www.bbc.co.uk/food/recipes/beef_and_ale_pie_with_75061
Zu den traditionellen Pubgerichten gehören – vielleicht überraschend – Lasagne, Chicken Tikka Masala (indisch) und Burgervariationen! Häufig kann man auch ein sogenanntes “Carvery” bekommen. Es ist in etwa aufgebaut wie ein kleines Buffet. Man wählt zwischen verschiedenen Fleischsorten und ein Koch schneidet dann vom entsprechenden Braten etwas ab. Dazu gibt es eine Auswahl an Gemüse und Soßen. Wer mag, bekommt noch einen Yorkshire Pudding dazu. Dies ist aber kein Pudding à la Dr. Oetker, sondern ein herzhaftes Gebäck mit hohem Rand und einer Mulde, das z.B. auch zu Roast Beef gegessen wird. Hier findet ihr ein Rezept und Fotos: http://www.bbc.co.uk/food/recipes/yorkshirepuddings_86010

Aber das Beste kommt zum Schluss: Absolut herausragend und nicht weniger vielseitig ist das Angebot an Torten, Kuchen, Cupcakes, Muffins, Keksen und anderem kleinen Gebäck. Wenn einem die Hauptgerichte nicht zusagen sollten, so kommt man hier auf alle Fälle auf seine Kosten.

Cake

Meine Favoriten sind bisher Caramel Shortbread (ein quadratisches Gebäck bestehend aus Shortbread, Caramelcrème und einer dicken, festen Schicht Schokolade) und Chocolate Fudge Cake, der pur, mit Vanilleeis oder Sahne gereicht wird.

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Ich finde, es gibt Vieles in der englischen Küche, was man auch auf einer kontinentalen Speisekarte finden kann und der Rest ist es auf jeden Fall wert, mal probiert zu werden. Und: wer keine Minzsoße mag, braucht sie ja nicht zu essen!

2 Gedanken zu „England à la carte

  1. Toller informativer Beitrag!
    … und selbst wenn es nichts anderes gäbe, ein „Full English Breakfast“ zum Frühstück ist selten zu toppen 🙂

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