Noten, Manuskripte und die schönste Bibliothek der Welt

Wer sich auf dem Spaziergang vom Louvre zur Nationaloper im Geflecht der kleinen Seitenstraßen verirrt, findet sich auf einmal mitten im Herzen von Paris wieder. Etwas versteckt zwischen hohen Kastanien liegt hier ein hübscher kleiner Park mit einem eleganten Brunnen, eingerahmt von den imposanten Mauern einer der schönsten Bibliotheken der Welt: der Bibliothèque nationale de France – Site Richelieu.

Und direkt nebenan befindet sich das Institut de Recherche en Musicologie, kurz IReMus – mein Arbeitsplatz.

  

Das IReMus ist ein französisches musikwissenschaftliches Forschungsinstitut mit Sitz in Paris, das sich im Jahr 2014 durch einen Zusammenschluss von drei vormals eigenständigen Forschungsteams gebildet hat: dem OMF (Observatoire Musical Français), dem PLM (Patrimoine et Langages Musicaux) – beide aus der Sorbonne hervorgegangen – und der CNRS-Einheit IRPMF (Institut de recherche sur le patrimoine musical en France). Das Institut beschäftigt rund sechzig Mitarbeiter und bildet damit eine der wichtigsten Institutionen dieser Art in Frankreich.

Die Forschung des IReMus ist breit gefächert. Einen der Schwerpunkte bildet unter anderem die Erschließung französischer Komponisten wie Claude Debussy oder Jean-Philippe Rameau, deren Werke hier für wissenschaftlich-kritische Gesamtausgaben analysiert und ediert werden. Über Jahre hinweg werden dafür Notendrucke und Manuskripte gesammelt und ausgewertet. Daneben gibt es aber noch viele andere Projekte, zum Beispiel die Erforschung von Musikinstrumenten oder die Verbindung von Musikwissenschaft und Technologie im Bereich der Digital Humanities.

© Nadar [Public domain]

In meinem Praktikum beschäftige ich mich mit dem Leben und Werk von Camille Saint-Saëns (1835-1921). Das IReMus arbeitet zur Zeit gemeinsam mit Wissenschaftlern verschiedener Universitäten und mit dem Bärenreiter-Verlag an der Herausgabe seiner Instrumentalwerke. Heute ist Saint-Saëns vor allem als Komponist der „Orgelsinfonie“ und des „Karnevals der Tiere“ bekannt, aber das war nicht immer so. Welche seiner Werke schon zu Lebzeiten beliebt waren, und welche es im Konzertleben damals eher schwer hatten – das ist die Frage, die hinter meinem Praktikumsprojekt steht.

Meine Aufgabe ist es, einen Katalog von Programmheften zu erstellen, die aus der unmittelbaren Wirkungszeit Saint-Saëns‘ stammen und Aufschluss über die Rezeptionsgeschichte seiner Werke sowie seine Tätigkeiten als Dirigent, Pianist und Organist geben können. Neben Konzertplakaten und regulären Programmheften, wie sie vor Ort im Konzert ausgegeben oder verkauft wurden, besteht das vorhandene Material aus den Archiven in Dieppe (Fonds Saint-Saëns, Lecture patrimoniale, Médiathèque Jean Renoir) und Paris (Musikabteilung der Bibliothèque nationale de France) auch aus sekundären Materialien wie Saisonbüchern und Werbebroschüren.

Das Ziel ist, auf Grundlage der archivierten Programmhefte eine digitale Datenbank zu erstellen, die eine leichtere Auffindbarkeit der Dokumente sowie eine Weiterverwertung der Daten zu Forschungszwecken ermöglicht. So lässt sich am Ende der Auswertung zum Beispiel herausfinden, welche Kompositionen von Saint-Saëns während seines Lebens am häufigsten aufgeführt wurden oder welche Musiker sich für seine Werke besonders einsetzten, aber auch, in welchen Ländern und zu welchen Anlässen Saint-Saëns gespielt wurde oder wie er sich als Pianist und Dirigent entwickelte.

 

Weitere Infos:

http://www.iremus.cnrs.fr/

https://www.bnf.fr/fr

https://www.baerenreiter.com/programm/gesamt-und-werkausgaben/saint-saens-camille/

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