Mein Arbeitsalltag an der Richard Hale School und Bank Holidays

Hello travellers, bloggers and blog-readers 🙂

eine erholsame Ferienwoche, die die half term des Schulhalbjahres markiert, bank holiday genannt wird und die ich im wunderschönen Schottland verbracht habe, geht zu Ende. Am Montag beginnt (für mich mit einem lachenden und weinenden Auge) wieder der Schulalltag und somit auch schon die zweite Hälfte meines Schulpraktikums. Und wann wäre ein besserer Zeitpunkt, einmal von meinen Aufgaben und meinem Alltag an der Schule zu berichten?

Normalerweise beginnt mein Schultag an der Richard Hale (Boys) School um 9:10 Uhr, was für deutsche Verhältnisse natürlich eine sehr entspannte Zeit ist. Allerdings müssen Lehrer und Schüler* in den meisten Fällen auch jeden Tag bis halb 4 bleiben. Ein paar Mal bin ich auch schon vor Beginn der ersten Stunde gekommen, zum Beispiel um an einem Department Meeting (mein Hauptarbeitsplatz ist das Modern Foreign Languages Department) teilzunehmen oder mir eine Versammlung/Debattierrunde anzusehen. Versammlungen finden hier nämlich grundsätzlich vor dem Unterricht statt. Dabei finden sich die unterschiedlichen Jahrgangsstufen (years) an verschiedenen Tagen in der Aula ein, um über ein Thema zu sprechen, dass in dieser Woche relevant für sie sein wird, seien es z.B. Prüfungen oder die Refugee Week, die in zwei Wochen ansteht. Dann folgt üblicherweise die „registration“ der einzelnen Klasssen (forms) in den Klassenräumen. Hierbei wird die Anwesenheit von jedem Schüler aller Klassen und Häuser (ja, es gibt tatsächlich wie in Harry Potter Häuser und – ob ihr’s glaubt oder nicht – sogar einen Hauspokal) überprüft. Erst dann begeben sich die Schüler zu dem Klassenraum, indem ihre erste Stunde stattfindet.

Im Languages Department helfe ich meistens im Fach Deutsch. Dort werden mir dann pro Stunde einige Schüler im Wechsel zugeordnet, die aus ihrem regulären Unterricht gehen und mit denen ich dann detailliert den aktuellen Stoff wiederhole. Dabei versuche ich mit ihnen Dialoge auf Deutsch zu führen, damit sie so neue Vokabeln und Phrasen verinnerlichen. Das mache ich mit Year 7 bis 11. Year 11 konnte ich so auf ihre GCSE-Prüfungen im Fach Deutsch vorbereiten. In manchen Stunden observiere ich aber auch nur und helfe gelegentlich, indem ich bei Stillarbeiten herumgehe, um mich teilweise neben einzelne Schüler zu setzen, damit sie sich besser konzentrieren und nicht von anderen ablenken lassen, was besonders in Year 7 ziemlich schwierig ist. Außerdem begleite ich häufig Gruppenarbeiten und finde es sehr beeindruckend, wie motiviert die Schüler arbeiten, sobald man die Aufgabe in einen kleinen Wettkampf verwandelt. 😉

Über die hohe Bereitschaft und Motivation aller Schüler während meiner selbst gestalteten und gehaltenen Stunde in Year 10 zum Thema „Schuluniform“ war ich ebenfalls sehr erfreut. Da dies ein Thema ist, was mich selbst sehr interessiert, da es sich so von Deutschland unterscheidet und ich darüber auch einen Essay im Anschluss an mein Praktikum schreiben werde, war es sehr hilfreich, mithilfe der „Skalier-Methode“ die Meinung der Schüler über das Tragen einer Uniform zu erfahren. Bei der Skalier-Methode handelt es sich um eine Übung, bei der sich alle Schüler auf einer Linie positionieren müssen, an dessen einen Ende eine komplett positive Haltung zu dem Thema eingenommen wird. Das andere Ende steht für eine ablehnende Haltung. Es war erkennbar, dass die meisten Schüler positiv über ihre Schuluniform denken. Durch sie fühlen sie sich „gut angezogen“ und denken, dass sie Mobbing verhindern kann. Nur wenige empfinden die Uniform als unbequem und behindernd, wenn es darum geht, die eigene Persönlichkeit zu zeigen.

Auch mit den A-Level Students (Year 13, vergleichbar mit AbiturientInnen) übe ich, Gespräche zu führen, Analysen zu schreiben und Texte zu übersetzen. Fünf Schüler aus Year 12 betreue ich einzeln, jede(n) eine halbe Stunde. Dabei ist es mir möglich, die Stunden eigenständig zu gestalten. Die zuständigen Lehrer geben mir lediglich das Thema vor. So konnte ich in den letzten Wochen einen deutschen Poetry Slam zum Thema Flucht und Migration mit ihnen durchnehmen. Ich war begeistert von ihrem Interesse, denn nachdem wir Paragraph für Paragraph übersetzten und reflektierten, wollten sie immer mehr über die Flüchtlingsbewegungen in Deutschland seit 2015 erfahren. Es entstanden super interessante Gespräche und das hauptsächlich in Deutsch!

Zudem konnte ich bereits einen Einblick in den Religionsunterricht in der Oberstufe und in den Englischunterricht erhalten. Im Religionsunterricht des Year 9 nehme ich momentan ebenfalls die Flüchtlingsbewegung seit 2015 aus Syrien, Afrika, Pakistan und Afghanistan sowie Hilfsorganisationen durch. Dabei unterrichte ich gemeinsam mit einem anderen Religionslehrer (team teaching). So besprechen wir jede Stunde im Vorhinein und ich lerne neue Methoden und Ideen, Lehrarten und Aufgaben kennen. Das alles empfinde ich als sehr bereichernd! Da ich auch meiner Kreativität freien Lauf lassen kann, durfte ich in der Woche vor den Ferien eine Stunde ganz nach meinen Vorstellungen entwerfen. Dort haben wir uns dann mit einem anderen Poetry Slam beschäftigt und letztlich haben die Schüler daraufhin ihren ersten eigenen Poetry Slam geschrieben und präsentiert. Ich war überwältigt von ihren emotionalen und kreativen Werken! Allerdings erklärte mir der Religionslehrer, dass dies eine eher untypische Religionsstunde gewesen sei. Auch in den Stunden anderer Religionslehrer erkannte ich, dass es hier besonders darauf ankommt, Religion neutral zu vermitteln. Da Kirche und Staat komplett voneinander getrennt sind, wird im Religionsunterricht, der auch nicht in evangelischen und katholischen getrennt ist, weniger über den eigenen Glauben gesprochen und mehr die Vielfalt der Religionen oder philosophischer Ansätze vorgestellt. Wohingegen in Deutschland Religionslehrer ja sogar Angestellte der Kirche sind.

In meiner Zeit an der Richard Hale School ist mir außerdem bisher insbesondere der Einsatz vieler Medien aufgefallen. In jeder Stunde werden vom Lehrer/ von der Lehrerin vorbereitete PowerPoints genutzt, um das Thema vorzustellen. Sie enthalten dann meistens auch schon Arbeitsaufträge, die die Schüler in der Stunde bearbeiten sollen. Häufig werden auch Computerspiele genutzt (insbesondere im Deutschunterricht), um das Interesse am Vokabellernen zu verstärken. Allerdings konnte ich bisher eher einen rückläufigen Effekt erkennen. Das Arbeiten am Computer lenkt viele Schüler eher ab und verleitet sie dazu, sich Webseiten anzuschauen, die nicht für den Unterricht vorgesehen sind. Hierbei handelt es sich häufig um bottom-set-Klassen, welche die schwächsten Schüler eines Jahres umfassen. Daneben gibt es middle-set sowie top-set, mit denen es sehr viel einfacher ist, zu arbeiten.

Die Arbeit mit den Schülern aus Year 7 im Drama Club (Theater) stellt eine Abwechslung zum eher strengen Unterricht da. Bereitet sie mir einerseits große Freude, stellt sie mich andererseits aber auch vor viele neue Herausforderungen, zum Beispiel das Ermahnen und spontane Reagieren auf Englisch. Natürlich ist auch das Theaterspielen auf Englisch – manchmal musste ich auch schon in eine Rolle schlüpfen, um den Schülern zu verdeutlichen, wie eine Szene dargestellt werden soll – eine völlig neue Erfahrung für mich.

Ein besonders zusammenschweißendes Erlebnis für Schüler und innerhalb des Kollegiums konnte ich direkt zu Anfang meines Praktikums erleben. In meiner zweiten Woche gab es einen Charity Run über 5km, zu dem mich der schon genannte Relilehrer überredete. Es kostete Überwindung, da Laufen normalerweise nicht zu meinen liebsten Sportarten gehört, aber tatsächlich merkte ich schon während des Rennens, welch ein Teamgeist zwischen den Lehrern herrschte, wie man sich gegenseitig ermutigte und wie das auch auf die Schüler untereinander abfärbte. Nach dem Lauf aßen und tranken wir zusammen und ich bin mir sicher, dass nicht zuletzt dieses Ereignis dazu geführt hat, dass ich mich hier so gut eingelebt habe und mit vielen Lehrern gut verstehe.

So, das waren viele schöne Erlebnisse, die ich mit Euch teilen wollte! Hoffentlich konntet Ihr einen guten Einblick bekommen.

Bis bald,

Eure Carmen

*auch, wenn ich nur die maskuline Form „Schüler“ verwende, ist die feminine Form impliziert. Allerdings ist Richard Hale ohnehin eine Jungenschule. Lediglich in der Oberstufe dürfen wenige Mädchen die Secondary School besuchen.

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