Die Chemie in Oxford

Ich bins wieder, Lena (23), Chemiestudentin aus Münster.

Ich bin nun ca. ein Monat in meiner Arbeitsgruppe hier in Oxford für ein dreimonatiges Forschungspraktikum.

Ich habe mich damals bei meinem Prof in Deutschland gemeldet und ihn nach Kontakten in England gefragt. Ich habe dann fünf Vorschläge bekommen, meinen „Liebling“ ausgewählt und dann hat mein Prof sich bemüht, mich bei diesem unter zubekommen. Das war gar nicht so einfach, weil ständig zur Debatte stand, ob er denn Platz für mich für den gewünschten Zeitraum hätte. Nach etwas Hin und Her bin ich dann aber letztlich doch an meinen „1. Wunsch“ gekommen.

Ich habe mich mehrfach bei ihm gemeldet und hatte von vornherein ein gutes Gefühl bei der Sache. Ein Thema habe ich erst vor Ort bekommen, was ich aufgrund der Aktualität eines Projektes auch nachvollziehen konnte.

Ich habe eine Betreuerin, die in ihrem letzten Promotionsjahr ist. Die Idee dahinter ist, dass ich die erste Woche mehr oder weniger mit ihr zusammen in das Thema eingestiegen bin. Ab der zweiten Woche ging es aber auch darum, dass Projekt eigenständig zu planen und zu entscheiden, welche Reaktionen für einen am sinnvollsten sind. Jedoch habe ich immer noch meine Betreuerin im Hintergrund, die mir hilft, die Planung zu gestalten bzw. mir auch bei der Auswertung schwierigerer Analysen tatkräftig zur Seite steht.

Wer in Münster in das „alte“ Gebäude der organischen Chemie geht, weiß, dass es zwar ein altes Gebäude ist, jedoch je nach Arbeitskreis ein ausreichendes und sauberes Interieur besitzt. Hier in Oxford ist das etwas anders. Das Gebäude der organischen Chemie ist zwar erst zehn Jahre alt, aber die Arbeitsflächen sind teilweise schon ordentlich mitgenommen. In meinem Arbeitskreis gibt es auch keine Glove-Box oder Schlenk-Line, was ein „saubereres“ Arbeiten mit luftempfindlichen Komponenten wie Katalysatoren erschwert. Die meisten der Säulen haben keinen Frittenboden, so dass sie vorher mit Watte ausgestopft werden müssen. Manche lecken auch während man säult. Ausgeheizt wird mit einem Bunsenbrenner also einer offenen Flamme anstelle einer Heat-Gun. Trotz alledem funktioniert auch empfindliche Chemie hier, was für mich relativ erstaunlich ist. Man lernt mit „einfacheren“ Mitteln trotzdem an sein Ziel zu kommen. Zusätzlich lernt man die gute, alte OC in Münster schätzen 🙂

Was mir gefällt, ist, dass die Schreibtische von den Laboren getrennt sind durch Glastüren. So kann man entspannt an seinem Arbeitsplatz sitzen und Sachen auswerten ohne im Labor in Kontakt mit Chemikalien zu kommen. Außerdem kann man durch die Glastüren die Leute im Labor beobachten, so dass falls ein Unfall passiert oder dergleichen trotzdem genügend Leute darauf aufmerksam werden. Das Thema Sicherheit ist auch hier recht wichtig. Man bekommt ein vorgedrucktes Laborbuch, in das man seine Reaktionsgleichung und Bedingungen eintragen kann, aber auch dazu aufgefordert wird, die Sicherheitshinweise einzufügen und eine Unterschrift eines älteren Promotionsstudenten oder Postdocs zu erhalten. Dadurch muss man sich zum einen vor Start der Reaktion über die Gefährlichkeit der Sache Gedanken machen und zum anderen erhält man durch die Unterschrift einen zusätzlichen Check.

Das Verhältnis zwischen Prof und Mitarbeitern ist etwas anders als ich es gewohnt bin. Mein Prof hier in Oxford kommt ziemlich oft vorbei, um zu fragen, wies mit der Chemie läuft. Manchmal habe ich das Gefühl, als wolle er kontrollieren, ob auch alle am Arbeiten sind und wie lange sie so da sind. So macht er beispielsweise kurz vor seinem Feierabend (ca. viertel vor 6) eine Abschluss-„Check“-Runde, um zu sehen, wer noch da ist.

Mein Prof ist aber trotzdem sehr nett und man erhält dann zwischendurch auch durch ihn Unterstützung bezüglich des Projekts, welche Reaktionen man noch testen könnte oder wie etwas ausgewertet werden könnte. Meine Gruppe selbst ist super. Die Leute kommen von überall auf der Welt und haben mich von vornherein sehr gut aufgenommen. Die ersten Tage fiel es einem natürlich etwas schwer, in die Gruppe rein zu kommen, wie es ihnen vermutlich auch schwer fiel, jemand Neues auf zunehmen. Mittlerweile habe ich aber das Gefühl, vollständig aufgenommen zu sein und dazu zu gehören. Freitags abends wird zusammen in einen Pub gegangen, um den Ausklang der Woche einzuleiten 🙂

Ich hoffe, ich konnte euch meinen Arbeitsalltag etwas näher zu bringen 🙂

Liebe Grüße,
Lena

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