Besonders Waldorf!? Einblicke in die Raheen Wood CNS

Zugegeben, durch den eher zweifelhaften Ruf, den die Waldorfpädagogik in Deutschland hat, war ich anfangs skeptisch was das allegemeine Schulkonzept angeht. Umso gespannter war ich daher auf die Raheen Wood Community National School, die sich durch ihre staatliche Förderung an das nationale irische Kurrikulum halten muss. Funktionieren Steiner-Pädagogik und staatliche Vorgaben zusammen oder schließen sie sich aus? Aber der Reihe nach.

Mein erster Eindruck an der Schule war vor allem eins – chaotisch! Es gibt augenscheinlich keinen Stundenplan, zumindest nicht in meiner Klasse. Nach knapp drei Monaten erschließt sich mir so langsam eine Struktur im Unterricht, auch wenn vieles noch drunter und drüber erscheint. Der Unterricht verläuft hier definitiv anders als an einer Regelschule in Deutschland!

Außer Französisch am Dienstag und Handarbeit am Mittwoch lässt die Unterrichtsstruktur viele Freiheiten zu. Weitere Module sind Englisch, Mathe und die Main Lesson. Diese bestand im Zeitraum meines Praktikums aus Geographie, wo ich dank meines Studienschwerpunkts viel beitragen konnte. Die Module werden je nach Bedarf flexibel in der Woche hin und her geschoben. Ermöglicht wird diese Unterrichtsgestaltung dadurch, dass die Schüler*innen ihre jeweiligen Fachhefter in der Schule lassen und eigentlich nur ihr Essen mitnehmen. Ein normaler Stundenplan wäre bei der Menge an Zusatzaktivitäten aber auch nicht umsetzbar, dazu später mehr. Interessant fand ich vor allem die sehr offene Diskussionskultur. Für Fragen der Schüler*innen hat sich die Lehrerin immer viel Zeit genommen, auch wenn das auf Kosten der Stoffvermittlung geht.

Der Morgen beginnt in der Regel mit einem Morning Verse  und den Schulalltag bestimmt viel saisonbezogener Gesang, beispielsweise Frühlingslieder zum St. Brigid’s Day oder die Football Nationalhymne zum Beginn der Saison. Hier werden Lieder in Englisch und Irisch gleichermaßen gesungen. Weil die Schule relativ wenig Schüler*innen hat, werden die Klassen 1 und 2, 3 und 4 sowie 5 und 6 zusammen unterrichtet. Ausnahme ist Mathe, wo die Klassen getrennt werden. Die Klasse 5/6 hat zwei Klassenlehrer*innen, wovon die Hauptklassenlehrerin hauptsächlich Main Lessons unterrichtet, der Assistenzlehrer übernimmt Schüler*innen mit besonderem Förderbedarf oder eben den Matheunterricht, wenn die Klassen getrennt werden.

Meine Aufgabe in der Schule bestand darin, die beiden Klassenlehrer*innen zu unterstützen. Viel Spaß haben mir dabei die Reading Groups gemacht, bei der ich mit vor meiner Zeit festgelegten Gruppen reihum ein Buch gelesen habe. Auch der Eins-zu-eins Unterricht von Schüler*innen um Stoff nachzuholen oder wenn Förderbedarf besteht, hat mir sehr gut gefallen. Meist haben besagte Schüler*innen eine längere Zeit gefehlt und dementsprechend war es für mich eine willkommene Herausforderung, diese entsprechend ihrer Möglichkeiten voranzubringen.

Waldorfschulen in Irland scheinen generell mehr Schüler*innen mit Lernproblemen und Verhaltensauffälligkeiten anzuziehen und das ist auch gut so! An keiner Regelschule könnte sich so viel Zeit für sie genommen und eine individuelle Förderung ermöglicht werden. Hier werden die Schüler*innen mit beispielsweise Lese-Rechtschreibschwäche gezielt gefördert. So habe ich zusammen mit drei Schülern mit dem „Toe By Toe“ Buch gearbeitet, welches Anhand von Schreib- und Sprechübungen besonders auf ihre Förderung abzielt.

Zusatzaktivitäten rund um die Schule hatte ich beim Hands-On Ansatz erwartet, die Fülle und Vielfalt hat mich aber echt überrascht und waren immer eine willkommene Abwechslung, sowohl für die Schüler*innen als auch für die Lehrer*innen und mich. Dazu gehörten unter anderem Bake Sales, wo Schüler*innen ihre Backwaren an Eltern und andere Schüler*innen verkauft haben. Dieser Bake Sale fand in meiner Zeit an der Schule drei Mal statt, jeweils von einem anderen Klassenverband veranstaltet. Die Menge an unterschiedlichen Kuchen-, Keks- und Muffinarten fand ich sehr beeindruckend. Ein weiteres Highlight war der Besuch eines Pop-Up Cafés in einer Bücherei mit meiner Klasse. Hier mussten die Schüler auf Irisch bestellen, mit dem Ziel, Irisch als aktive Sprache zu erleben. Diese wird zwar in der Schule unterrichtet, in meiner Klasse aber nur sehr sporadisch und nicht wirklich effektiv. Trotzdem war es für die meisten eine schöne Erfahrung und die Gesänge, die die Schüler*innen vor Ort gesungen haben, wurden sogar ins Radio gebracht!

Das Praktikum hat mir vor allem zwei Sachen gezeigt: Waldorfschulen haben definitiv ihre Daseinsberechtigung und können für bestimmte Schüler*innen aber eben nicht die Masse hilfreich sein. Und mir ist klar geworden, dass ich meine Zukunft zwar als Lehrer sehe, aber eher nicht an einer Waldorfschule.

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