Almere nicht Al Mèr

Ein süßes, typisch niederländisches Städtchen mit Charme, Geschichte und Grachten. Das hatte ich erwartet, als ich mich für mein Praxissemester in den Niederlanden beworben hatte, ohne mich über die Stadt Almere zu informieren. Daher wurde ich auch nur schief angeguckt, wenn ich niederländischen Freunden erzählte, ich ziehe nach Al Mèr. Ich hatte schon einmal für ein halbes Jahr in der malerischen Stadt Leiden gewohnt: Die Messlatte lag dementsprechend hoch.

Doch bei der Ankunft in der Stadt zeichnete sich ein etwas anderes Bild. Auf meiner Autofahrt biege ich in meine Wohnstrasse ein, die Elvis-Presleystraat, in der ich wohne, gelegen im Muziekwijk, dem Stadtteil in dem scheinbar alle Straßennamen etwas mit Musik zu tun haben. Die beiden Parallelstraßen; Jimi Hendrix pad und Bob Marley laan. Anfang der 80er Jahre begann hier der Stadtbau und es mussten sich neue Stadtviertel und Straßennamen ausgedacht werden. Gewohnt wird hier daher im Musik-,  Literatur- oder Filmviertel.

 

Almere ‚Skyline‘ vom Weerwater

 

 

 

 

 

 

 

In meinem Musikviertel wartet mein 80er Jahre Reihenhaus auf mich, in dem ich mit 6 anderen wohne. Aus der Traum mit typisch Niederländisch. Kein Gebäude ist hier älter als 40 Jahre, da die Provinz Flevoland, in der Almere liegt, erst dann trockengelegt wurde (Man nennt es polder). Hier wurde Raum geschaffen um dem Wohnungsmangel in Amsterdam, das 25km entfernt liegt, entgegen zu wirken. Komplett am Reißbrett entstanden, wurde der altmodische Charme daher durch moderne Praktikabilität ersetzt. Hier fährt man 5m unter dem Meeresspiegel über lange gerade Fahrradstraßen an regelmäßig auftauchenden Supermärkten vorbei, die alle inmitten gleich gebauter Häuser stehen. Etwas grau und eintönig; eben eine Stadt zum Wohnen, nicht zum Leben. So zumindest der erste Eindruck im Februar.

Doch mit dem kommenden Frühling änderte sich das Stadtbild schnell. Tulpen blühen an den unzähligen Fahrradwegen, die Parks bieten Schatten durch die vielen Bäume und bei längerem Sonnenschein konnte ich sogar das erste Mal in das nahe gelegene IJsselmeer springen.

Das Muiderslot – Mit dem Fahrrad auf halbem Weg nach Amsterdam
Einen Strand ganz für sich allein

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Spaziergang nach Spaziergang und Fahrradtour nach Fahrradtour gefiel mir die Stadt und vor allem ihre Umgebung besser und besser. Um schneller über den etwas holprigen Start hinweg zu kommen, will ich neben meiner neu entfachten Liebe fürs Fahrradfahren noch ein paar meiner Entdeckungen weitergeben:

  • Aufgrund der besonderen Städteplanung wird in Almere bei der weiteren Städteplanung viel Wert auf Urban Gardening gelegt. Man kann sich bei mehreren Organisationen engagieren. Nach einem zufälligen Treffen mit den Urban Greeners konnte ich hier schnell mitmachen, gärtnern und neue Kontakte knüpfen.
  • In der Stadtbücherei von Almere finden oft kulturelle Veranstaltungen statt, bei denen für jeden etwas dabei ist. Ich war dort auch oft, weil in der Bücherei das (meiner Meinung nach) einzige schöne Café der Stadt zu finden ist.
  • Verteilt in der Stadt gibt es viele Sportclubs und Einrichtungen, bei denen man auf Empfehlung der Lehrerinnen und Lehrer oder einfach so mal etwas ausprobieren kann. Von Padel über Bouldern bis zu Wakeboarden war die Auswahl groß. Ich bin für die Dauer des Praktikums bei einem Boxclub gelandet.
  • Da Almere keine Studentenstadt ist, trifft man auch nicht wirklich viele Studenten. Wer darauf aber dennoch nicht verzichten will, sollte  einer Erasmus- oder Student*innen Facebookgruppe für die nahen Städte Amsterdam, Utrecht oder Zwolle beitreten. Von dort kommt man auch nach ein oder zwei Biertjes noch mit dem spitzenmäßigen OV nach Hause.

Nach etwas Gewöhnungszeit konnte ich meine Zeit in Almere vollends genießen. Wenn man nicht zu viel erwartet, hält Almere was es verspricht und hat noch die ein oder andere Überraschung parat. Ich komme sicherlich nochmal wieder. 

 

 

Tot ziens Almere!

 

 

 

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