Adéu Catalunya – fins la propera!

Mein Praktikum in der Krankenhausapotheke in Sabadell ist nur seit einiger Zeit zu Ende und es ist so viel passiert in Katalonien, dass mein ursprünglicher Beitrag schon nach drei Tagen nicht mehr aktuell war. Einen abschließenden Beitrag möchte ich trotzdem noch verfassen, auch meine Zeit in Katalonien schon wieder vier Monate her ist.

In der Apotheke hatte ich in den letzten Wochen noch zwei neue Bereiche kennengelernt. Zum einen war dies die Onkologie, wo ich Therapieprotokolle überprüft habe und viel über die unterschiedlichen Behandlungen der verschiedenen Krebsarten gelernt habe. Zum anderen habe ich in der Rezeptur mitgeholfen, um unter anderem Kapseln, Sirupe und Injektionen herzustellen.

Außerhalb der Arbeit ging es politisch zur Sache. Ohne meine politische Meinung darzulegen, möchte ich ein bisschen dazu schreiben und ein paar Anekdoten erzählen, die man in Deutschland nicht so mitbekommen hat.

Als kurze Zusammenfassung: Am 1. Oktober gab es das Referendum der Katalanen, wo sie für oder gegen die Unabhängigkeit abstimmen konnten. Schon vorher gab es große Demonstrationen, aber am 3. Oktober, dem Tag des Generalstreiks, folgten die größten. Am 10. Oktober gab es die Stellungnahme des Katalanischen Präsidenten Puigdemont. Diese wurde von vielen Menschen hier fast wie ein Fußballspiel live im Radio oder Fernsehen, teilweise in Bars und mit Großbildleinwand verfolgt wurde. Elf Tage später war ich an einem meiner letzten Wochenenden als Abschluss des halben Jahres im Camp Nou und habe den FC Barcelona spielen sehen. Traditionell wird dort bei 17:14 min „Independencia“ gerufen. Diese Rufe waren dieses Mal besonders laut. Während des Fußballspiels hat Puigdemont wieder eine Rede gehalten und viele Katalanen haben Kopfhörer im Ohr gehabt um die Rede per Stream zu verfolgen. Auch im Alltag wurde man an die aktuelle politische Situation erinnert. Fast jeden Abend um 22 Uhr hört man einen unglaublichen Lärm: Viele Menschen hauen auf Töpfe für teilweise 15 min., um sich Gehör zu verschaffen. Eine Situation ist mir noch besonders aufgefallen: Ein paar Stunden vor dem Fußballspiel gab es eine große Demonstration und ich war zufällig auf dem Gleis der Regionalzüge an der Plaça Catalunya kurz nachdem die Demonstration zu Ende war. Das Gleis ist bestimmt 200 m lang, aber nur 4-5 m breit und war voll von Menschen. Plötzlich hörte man Gesang – es war das Lied „L’Estaca“ von LLuís Llach und nahezu alle Menschen auf dem Gleis stimmten ein. „L’Estaca“ heißt übersetzt „Der Pfahl“, eine Deutsche Version geht folgendermaßen:

„Ich drücke hier, und du ziehst weg,
so kriegen wir den Pfahl vom Fleck,
werden ihn fällen, fällen, fällen,
werfen ihn morsch und faul zum Dreck,
erst wenn die Eintracht uns bewegt,
haben wir ihn bald umgelegt,
und er wird fallen, fallen, fallen,
wenn sich ein jeder von uns regt.“

Das Lied stammt aus dem Jahre 1968 und wurde somit unter dem Franco-Regime geschrieben, als die katalanische Kultur sehr stark unterdrückt wurde. Der Pfahl kann als Metapher für das Franco-Regime gesehen werden und ruft somit indirekt zum Widerstand auf.

Unabhängig davon, ob die gewollte katalonische Unabhängigkeit als positiv oder negativ anzusehen ist, hat mich mich die Art und Weise der Demonstrationen und Aktionen beeindruckt, wie ich hoffentlich mit diesen Beispielen zeigen konnte. Ich persönlich nehme es als eine sehr emotionale Diskussion war.

Die ganze weitere Diskussion habe ich von Deutschland aus betrachtet, womit wir nun auch zum Fazit meines halbjährigen Praktikums kommen: Es war eine unglaubliche tolle Erfahrung, einen Einblick in das Apothekenwesen und das Gesundheitssystem eines anderen Landes zu bekommen. Meiner Meinung nach geht das auch viel besser, wenn man einmal richtig mitarbeitet, als wenn man es nur von außen z.B. im Urlaub betrachtet. Ich habe viel für mich selbst zwischen den zwei Systemen und Arbeitsweisen verglichen und kann mir nun für die Zukunft die für mich besten Aspekte herauspicken und in meine Arbeit einfließen lassen. Tatsächlich könnte ich mir sogar vorstellen in Barcelona ein paar Jahre zu arbeiten – immer abhängig davon, was für eine Job man finden würde. Dafür sind auch die zwei folgenden Sachen wichtig, die ich aus dem letzten halben Jahr mitnehme: die geknüpften Kontakte und die Verbesserung der Sprache – sowohl mein Spanisch hat sich noch einmal ein ganzes Stück gebessert und Katalanisch habe ich nun auch richtig gelernt.

In meinem privaten Umfeld habe ich interessante neue Leute aus vielen verschiedenen Ländern kennengelernt, die katalanische Kultur und Traditionen erlebt und gelebt und werde ein paar alltägliche Traditionen wie „pa amb tomàquet“ mit nach Hause nehmen und dort leben.

Ich kann nur jedem empfehlen die Möglichkeit eines solchen Praktikums in Anspruch zu nehmen. In 50 Jahren werde ich noch an dieses halbe Jahr denken, schmunzeln und glücklich über die Erfahrung sein. Also an alle, die noch zögern: Seid mutig und wagt den Schritt! Ihr werdet es nicht bereuen!

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