Was macht eigentlich die EU?

“In der Kommission beschäftigen sich Beamte mit Klospülungen, Duschköpfen, Staubsaugern und Glühbirnen.” 

Dieser Satz spiegelt leider die vielen falschen Vorurteile gegenüber der „Brüsseler Bürokratie“ wieder. Doch jedem, der sich etwas mehr mit europäischer Politik beschäftigt, wird auffallen, dass weitaus viel mehr dahinter steckt!

Denn hier werden immerhin die Regeln für das gesellschaftliche Zusammenleben von über 500 Millionen Bürgern beschlossen oder die Grundlagen für ca. 80 Prozent der deutschen Gesetze gelegt! Nun möchte ich aber nicht grundlegend über europäische Politik diskutieren, sondern von meinem Praktikum berichten, und zwar aus dem Europäischen Parlament (da wo die wirklich coolen Leute sitzen!), nicht aus der Europäischen Kommission!

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Eingang des Europäischen Parlaments

Seit über zwei Monaten arbeite ich als Praktikantin im Büro von Herbert Reul, einem deutschen Abgeordneten im Europäischen Parlament (ein sogenannter „MEP“ – merkt euch das, kommt noch öfter vor!), der meine Heimat, das schöne Bergische Land, in Europa vertritt! Die Arbeit gefällt mir sehr gut, sie ist sehr interessant und abwechslungsreich. Mit Duschköpfen hatte ich noch nicht viel zu tun, aber dafür mit der gesamten Palette europäischer Politik von TTIP über Griechenland bis hin zur Flüchtlingspolitik. Doch nicht nur die großen Themen stehen hier auf der Tagesordnung, sondern auch die vielen Projekte, von denen man sonst nicht viel mitbekommt: die digitale Binnenmarktstrategie, den Europäischen Fonds für Strategische Investitionen, die Beziehungen der EU zu Nord- und Südkorea oder das europäische Navigationssatellitensystem Galileo, um nur einige zu nennen. Also arbeite ich mich täglich in neue Themenbereiche ein, befasse mich mit europäischem Recht, besuche Fraktions- und Ausschusssitzungen oder schreibe mit, wenn die Handelskommissarin im Arbeitskreis für Wirtschaftsangelegenheiten der Europäischen Volkspartei über den aktuellsten Stand der TTIP-Verhandlungen berichtet. Am Ende folgt ein kurzer Vermerk, denn kurz und knapp ist hier das A und O! Der Terminkalender eines MEPs ist ganz schön voll, also müssen Informationen gut komprimiert werden, damit sich der MEP schnell auf die nächste Plenarsitzung, das Treffen mit Interessenvertretern oder die Podiumsdiskussion im Wahlkreis vorbereiten kann. Ich übe mich also in der Kunst, 20 Seiten lange Texte in drei Sätzen zusammenzufassen… Klingt einfach, ist es aber nicht!

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Sitzung des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie

Während meines Praktikums unterstütze ich mit meiner Arbeit die Parlamentarischen Referenten, die hauptberuflich die Büros des MEPs in Brüssel, Straßburg und im Wahlkreis managen. Dabei fällt neben der inhaltlichen, sowie Presse- und Öffentlichkeitsarbeit auch viel Organisatorisches wie z.B. die Termin- oder Reiseplanung an, denn europäische Politik findet nicht nur in Brüssel statt, sondern in ganz Europa, in Berlin, Mailand und Budapest und insbesondere in den einzelnen Wahlkreisen, wo die MEPs regelmäßig Termine und Veranstaltungen wahrnehmen. Ich arbeite „nur“ in Brüssel, aber langweilig wird es hier nie, denn jeder Tag bringt etwas Neues, und die Atmosphäre im Parlament ist einfach grandios! Morgens im Aufzug trifft man Menschen aus ganz Europa, es wird Dänisch oder Italienisch geredet und eigentlich ist immer etwas los. MEPs geben Interviews, man kommt an einer Vorführung kroatischer Musik vorbei oder trifft den Parlamentspräsidenten persönlich auf dem Gang. Neben den vielen kleinen Veranstaltungen zu Themen wie Datenschutz oder die Auswirkungen der Digitalisierung auf die europäischen Zeitungsverleger finden ab und zu auch Großereignisse wie das WDR Europaforum statt. In den Sitzungen wird immer in alle EU-Sprachen simultan übersetzt und so klicke ich mich, wenn ich gerade nicht aufpassen muss, durch die verschiedenen Sprachkanäle. Wie klingt eigentlich Slowakisch oder wie gut sind meine Schwedisch-Kenntnisse?

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Ausblick aus dem Büro im 14. Stock des Altierro Spinelli Gebäudes

Ich kriege also einen guten Einblick, wie europäische Politik funktioniert. Da ich weder Politik- noch Europawissenschaften oder ähnliches studiere, ist dies für mich also eine völlig neue Erfahrung. Man merkt, dass „Brüssel“ manchmal gar nicht so weit weg ist, wie man oftmals denkt, und welchen Einfluss die EU auf unser tägliches Leben hat. Das Praktikum macht mir sehr viel Spaß und ich kann es jedem nur nahelegen, eine ähnliche Erfahrung zu machen, egal ob man später Produktmanager, Arzt oder Lehrer werden möchte. Denn hier passiert das, was das deutsche Bildungssystem versucht mir seit 18 Jahren einzutrichtern: Man lernt nicht für die Schule (/Uni), sondern fürs Leben!

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