„Oh cool! …. und wo ist das?“
„Und wie schreibt man das/spricht man das aus?“
Solche und ähnliche Reaktionen habe ich in Deutschland bekommen, wenn ich von meinem bevorstehenden Forschungspraktikum in Umeå erzählt habe. Und genau das waren auch meine Gedanken, als ich das erste Mal davon gehört habe.
Deshalb hatte ich auch immer ein paar Standard-Antworten und Fakten über Umeå parat, die in diesen Situationen zum Einsatz kamen:
- Das ist die größte Stadt in Nordschweden.
- Wird auch bezeichnet als die „Stadt der Birken“.
- Eine Studentenstadt.
- Anscheinend fährt dort jeder Fahrrad (also wie in Münster).
- Dort gibt es „IKSU“, das größte Sportzentrum Europas.
- Es gibt eine(n) IKEA.
- Es ist quasi unmöglich, eine Wohnung zu finden.
Aber was mich wirklich erwartet wusste ich auch nicht, da die Informationen im Internet begrenzt sind und es anscheinend auch keinen Reiseführer gibt, der Nordschweden mehr als ein paar Seiten und Umeå mehr als eine widmet. Je näher die Abreise kam, desto größer wurden die Bedenken, dass es in Umeå einfach nichts zu tun gibt und dass das der Grund ist, warum keine Informationen darüber zu finden sind. Allerdings bin ich nun seit etwas über einer Woche hier und bis jetzt wirkt es, als gäbe es hier genug zu entdecken. Aber dazu gibt es bestimmt noch weitere Informationen in den kommenden Posts.
Das erste was mir auffiel, als ich nach 6,5 Stunden Anreise mit dem Flugzeug (inklusive 3 h 40 min Aufenthalt in Stockholm) am Flughafen in Umeå ankam, war, dass mein Bus gerade abgefahren war und ich eine Stunde auf den nächsten warten müsste. Darauf hatte ich nicht wirklich Lust und da es gerade aufgehört hatte zu regnen, beschloss ich mit meinem 23 kg schweren Koffer und meinen 8 kg Handgepäck zu Fuß den Weg zur Haltestelle zu laufen, an der ich umsteigen sollte (ca. 3 km). Würde ich es wieder tun? Ich weiß es nicht. Aber immerhin konnte ich so einen ersten Eindruck meiner Heimat für die nächsten 3,5 Monate gewinnen und war zufrieden mit dem, was ich entdeckte. Es gab Birken, Fahrräder und schwedische Landschaft wie aus dem Bilderbuch. Also alles, was ich mir vorgestellt hatte. Mehr habe ich an dem Tag aber auch nicht mehr geschafft, war glücklich, in meiner Wohnung angekommen zu sein und verschob weitere Erkundungstouren auf die folgenden Tage.
Kurz zur Wohnungssituation in Umeå:
Ich hatte das große Glück nach langer Suche über das „International Housing Office (IHO)“ der Universität ein Zimmer in einem Studentenwohnheim zu bekommen, obwohl ich kein eingeschriebener Student (sondern ein Praktikant über das Erasmus+-Programm) bin und keine Kurse besuche. Ich kann jedem nur empfehlen, das zu probieren, da Wohnraum in Umeå sehr knapp ist und das Studentenwohnheim die günstigste und einfachste Option zum Wohnen ist. Günstig heißt in meinem Fall 3800 schwedische Kronen (ca. 360 €) pro Monat für ein Zimmer mit eigenem Bad, geteilter Küche und geteiltem Wohnzimmer. Außerdem lernt man auf diesem Weg schnell neue Leute kennen. Wenn ihr euch gerade in der Situation befindet, eine Wohnung in Umeå finden zu müssen, schreibt mir gerne und ich kann euch weitere Informationen geben, wie das mit der Wohnungssuche über das IHO ablief (valentin.goeldner@uni-muenster.de).
In den folgenden Tagen besorgte ich mir dann ein Fahrrad (ohne das fühlt man sich in Umeå irgendwie unvollständig, da die Busanbindung zwar gut ist, aber die Fortbewegung mit dem Fahrrad einerseits flexibler und vor allem günstiger ist). Fündig wurde ich schließlich über die Facebook-Gruppe „Umeå Students Secondhand Bikes“ und bin nun stolzer Besitzer eines beinahe verkehrssicheren Fahrrades, für den stolzen Preis von 700 schwedischen Kronen, also etwa 66 €.
Außerdem lernte ich meine Mitbewohner kennen (zumindest teilweise, da Schweden anscheinend möglichst wenig Zeit in den Gemeinschaftsräumen verbringen und wenn möglich vermutlich auch in ihrem Zimmer kochen würden, um keine anderen Menschen zu treffen). Meine beiden deutschen Mitbewohner nahmen mich allerdings schnell und herzlich auf, sodass ich nie das Gefühl hatte, alleine zu sein. Außerdem lernte ich von ihnen, dass Umeå bei Deutschen entgegen meines vorherigen Eindrucks anscheinend nicht gänzlich unbekannt ist, da der größte Teil der Erasmus-Studenten in Umeå deutscher Herkunft ist und sich bei jeder zweiten Person nach 5 Minuten der Unterhaltung auf Englisch herausstellt, dass diese ebenfalls aus Deutschland kommt.
Die restliche Zeit meiner freien ersten Tage nutzte ich, um die Umgebung kennenzulernen und die Stadt zu erkunden. Ein Highlight hierbei war der nur 5 Gehminuten von meiner Wohnung entfernte See Nydala, der für mich den Inbegriff einer schwedischen Landschaft darstellt und der die perfekte Szenerie für das Beobachten von (bis jetzt leider ausbleibenden) Nordlichtern bietet. Entlang des Ufers sind viele Grill- und Feuerstellen verteilt, an denen kostenloses Feuerholz bereitgestellt wird, sodass auch in kalten Nächten ein Besuch des Sees kein Problem darstellt.
Mehr von der Landschaft Nordschwedens und hoffentlich die ersten Nordlichter werde ich dieses Wochenende während der geplanten 2-Tages-Wanderung entlang des Tavelsjöleden-Wanderweges sehen, die Inhalt meines nächsten Posts sein wird. Außerdem werde ich demnächst mehr über meinen Arbeitsalltag am Department of Chemistry erzählen.
Hej då und bis bald
Valentin
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