Rückblick auf meine Zeit in Natal

Nach meinem viermonatigen Praktikum in einer brasilianischen Anwaltskanzlei bin ich nun sicher wieder in Deutschland und damit auch bei meinem letzten Blogeintrag angekommen. Als grobes Fazit kann ich zunächst festhalten, dass sich mein Portugiesisch in den knapp vier Monaten deutlich verbesserte, ich viele Kontakte in der Uni und mit Anwälten knüpfen konnte und eine Menge über das brasilianische Rechtssystem und internationales Gesellschafts- und Steuerrecht erfuhr. Zum Schluss wurde ich zudem mit einer schönen Feier mit zahlreichen Freunden, die mir über die Zeit an Herz gewachsen waren, verabschiedet.

Die Erinnerungen daran und an all die anderen gemeinsamen Unternehmungen und sonnigen Strandtage lassen mich auch jetzt noch wehmütig werden.

Nichtsdestotrotz verließ ich meine vorübergehende Wahlheimat Natal im Nordosten des größten lateinamerikanischen Landes zunächst mit gemischten Gefühlen.

So lässt sich nicht leugnen, dass das Leben dort für einen Europäer anfangs gewöhnungsbedürftig sein kann. Beispielsweise sind die einzigen öffentlichen Verkehrsmittel im Stadtverkehr veraltete Busse. Eine bequeme Alternative hierzu stellen zwar Taxi-Apps wie Uber dar, mit denen man sich schnell und günstig fortbewegen kann. Jedoch können auch diese während des „horário de pique“ (Hauptverkehrszeit) keine Wunder bewirken, sodass unter der Woche zwischen 7 und 9 Uhr bzw. 17 und 19 Uhr stets mit langen Fahrzeiten zu rechnen ist. Und auch viele schöne Strände und Sehenswürdigkeiten außerhalb der Stadt lassen sich oft nur mittels Autos erreichen, da das Schienennetz spärlich ausgebaut ist und Busse oft nur sehr bekannte Reiseziele anfahren.

Die größte Einschränkung im Alltag brachte jedoch die hohe Kriminalität mit sich. Natal ist aufgrund der vielen Raubüberfälle mit keiner deutschen Großstadt und schon gar nicht mit Münster vergleichbar. Ich vermied es daher stets, ab Einbruch der Dunkelheit längere Strecken zu Fuß zurückzulegen und auch tagsüber ließ ich äußerste Vorsicht walten, wenn ich durch weniger belebte Straßen ging. Dinge, die für mich in Deutschland völlig normal sind  – wie abends sorglos joggen zu gehen – waren in Natal an vielen Orten nicht möglich.

Wie ich in meinem letzten Beitrag bereits habe anklingen lassen, sind Brasilianer zudem in der Regel deutlich spontaner und weniger stringent als Deutsche. Dies gilt für alle erdenklichen Lebenssituationen. Pünktlichkeit und das konsequente Umsetzen von Plänen sind in Brasilien nicht immer oberste Priorität. Brasilianer sind meist offen für kurzfristige organisatorische Änderungen und kennen das Prinzip „Keine Regel ohne Ausnahmen“ oftmals nur zu gut. All dies kann bisweilen chaotisch wirken, wie ich etwa bei der urplötzlichen Aussetzung der Visavergabe zu spüren bekam, die mich daran hinderte, meinen ersten Flug nach Brasilien anzutreten.

Diese Eindrücke waren für mich zunächst sehr ernüchternd und ich war bei meiner Rückkehr nach Münster froh, wieder in der Heimat zu sein, da ich die europäische Lebensqualität nun umso mehr zu schätzen gelernt habe. Jetzt aber, nach einigen Wochen zurück im „kühlen“ Deutschland muss ich zugeben, dass ich trotz mancher Unannehmlichkeiten meine Zeit in Natal und die freundliche Art der Brasilianer vermisse. Letztlich stellte ich fest, dass Brasilien ziemlich genau das hat, was Deutschland zumindest teilweise fehlt, und umgekehrt. Ein „perfekter“ Ort, an dem die positiven Seiten Brasiliens (schönes Wetter, Gastfreundschaft, eine unbeschwerte Lebensart etc.) mit jenen Deutschlands (Sicherheit, Zuverlässigkeit u.a.) gepaart sind, wird in beiden Ländern nur schwer zu finden sein. Um zufrieden zu leben, ist es aber auch gar nicht erforderlich, dass alle äußeren Umstände zu 100 Prozent stimmen. Man sollte dafür vielmehr die Dinge akzeptieren, auf die man selbst keinen Einfluss hat. Wenn man dies schafft und sich entsprechend anpasst, lässt es sich sowohl in Natal als auch in Münster sehr gut leben.

Auch aufgrund dieser Erkenntnis möchte ich meine Zeit in Brasilien nicht missen und rate jedem, der mit dem Gedanken spielt, das „país tropical“ kennen zu lernen, den Schritt zu wagen. Um eine wirklich bereichernde Erfahrung zu haben, ist allerdings das Erfordernis eines akzeptablen Sprachniveaus nicht zu unterschätzen. Ohne gute Kenntnisse in der portugiesischen Sprache wäre mein Aufenthalt nicht halb so interessant gewesen, da Brasilianer insbesondere im Nordosten des Landes in aller Regel überhaupt nicht bis minimal Englisch sprechen.

Zu guter Letzt kann ich mich nur bei den vielen Menschen bedanken, die diesen Aufenthalt einzigartig gemacht haben und hoffe, schon bald wieder dieses wunderschöne, exotische Land besuchen zu können.

Até logo!

Ein Gedanke zu „Rückblick auf meine Zeit in Natal

  1. hallo aus Natal…!!!
    ich bin seit 1996 hier….das beste hier ist das Klima und die saubere See Luft… wie du schon sagtest…man sollte portugiesische Sprache sprechen…heut zutage…8/2023… würde ich Natal nicht mit Berlin tauschen… geht ja gar nicht mehr… aqui tranquilo… estou aqui mais de 20 anos…e nunca aconteceu nada comigo… claro..sou esperto..
    hier Winter 30 c Tags … Nachts 23 c…
    Euro hier 5.24 heute… herrlich… alles bestens.
    liebe Grüße aus Natal até logo… abraços Michael

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