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Mein Arbeitsalltag an der “National University of Singapore”

Hallo zusammen! Dieser zweite Beitrag von mir soll nun meinen Arbeitsalltag an der “National University of Singapore” (kurz NUS) behandeln. Ich arbeite hier, vermittelt durch Prof. Frank Glorius von der Uni Münster, in der Forschungsgruppe von Prof. Ming Joo Koh an einem eigenen Projekt. Die Gruppe inkludiert ungefähr zwanzig Doktoranden, PostDocs und Visiting Students.

An dieser Stelle möchte ich zumindest einmal kurz erwähnen, woran wir hier im Allgemeinen forschen, ohne zu tief in die Chemie dahinter einzusteigen: Die Gruppe von Prof. Koh ist aktuell sehr erfolgreich im Bereich der grünen Metallkatalyse. Katalyse ist unabdingbar für den Zugang zu verschiedensten Klassen an Chemikalien. Eine aktuelle Herausforderung ist, dass für die meisten Katalyse Zyklen noch Edelmetalle wie Palladium benötigt werden. Dieses ist gerade im Hinblick auf das abnehmende Vorkommen sowie bzgl. des aktuell höchst relevanten Aspekts der nachhaltigen Chemie nicht mehr zeitgemäß. Die Gruppe arbeitet daran, Katalyse Zyklen nachhaltiger und effizienter zu gestalten. Sie sucht nach Möglichkeiten Synthesesequenzen zu verkürzen und in weniger Schritten zu den gesuchten Produkten zu gelangen.

Zuerst einmal: Wie funktioniert das mit dem Arbeiten in Singapur eigentlich? Denn es war gar nicht so einfach das zu organisieren. Um hier als Visiting Student zu arbeiten muss ein sogenannter „Training Employment Pass“ (kurz TEP) vom „Ministry of Manpower“ ausgestellt werden. Bevor ich einreisen konnte, mussten einige Fragebögen und Formulare ausgefüllt werden, die ich von meinem betreuenden Professor bekommen habe. Recht schnell habe ich dann meine Genehmigung bekommen, diese erlaubt einem zuerst einmal die Einreise. Vor Ort musste ich dann mit allen ausgedruckten Dokumenten zur örtlichen Behörde, wo ein Foto, sowie Fingerabdrücke aufgenommen wurden und innerhalb weniger Tage habe ich meinen TEP ausgestellt bekommen. Dieser erlaubt es mir hier zu arbeiten. Außerdem gelte ich in dieser Zeit als „Singapore Resident“, sodass ich wie schon erwähnt einige Vergünstigungen erhalte. Das Ganze war auf jeden Fall ein bisschen Aufwand, aber in Singapur ist alles sehr gut organisiert, sodass alles recht schnell abgewickelt werden konnte.

Jetzt erst einmal kurz was zur NUS im Allgemeinen: In Singapur sind die Aufnahmebedingungen der Universitäten sehr streng, sodass nur sehr wenige Schüler am Ende studieren können. Die NUS ist eine der besten und selektivsten Universitäten der Welt und bietet perfekte Standards für eine gute Lernumgebung. Sie ist sehr weit entwickelt und bringt viele verschiedene Fachgebiete mit insgesamt acht Forschungsbereichen zusammen. Zwischen den verschiedenen Fachbereichen fahren jeden Tag Shuttle-Busse von der NUS, die man als Student kostenlos nutzen kann, so ist jede Fakultät sehr schnell zu erreichen. Außerdem ist es uns erlaubt für sehr wenig Geld (weniger als 1 S$) die Fitnessstudios, sowie die Swimming-Pools zu nutzen. Im Allgemeinen sind die Gebäude der NUS weitläufig über die Innenstadt verteilt. Das „Herz“ der Uni ist der sogenannte „University Town“ Campus. Hier ist keine bestimmte Fakultät angesiedelt. Der Campus bietet einige Möglichkeiten zur Freizeitbeschäftigung wie z.B. eine Kletterwand, einige Restaurants oder einen Pool, aber auch viele Study Areas und Hörsäle sind hier zu finden. Noch viel zu oft fühle ich mich wie in einer klassischen „High-School-Serie“ und kann gar nicht glauben, dass ich tatsächlich hier bin.

 

Meist halte ich mich auf dem Science Campus auf, hier gibt es direkt in unserem Gebäude einen Starbucks mit einer großen Study Area. Außerdem ist eine große Kantine in wenigen Minuten zu Fuß erreichbar. Diese hat montags bis samstags von morgens bis abends geöffnet, sodass man während der Arbeitstage sehr preiswert vollständig an der Uni versorgt ist. Von Hauptgerichten bis zu Nachtisch und Getränken gibt es hier alles. „Funfact“ an dieser Stelle: In Singapur ist die Kriminalität so gering, dass es völlig normal ist seinen Platz in der Kantine mit seinem Laptop oder anderen Wertgegenständen zu reservieren, bevor man sich sein Essen holt.

Meinen Arbeitsalltag hier kann ich komplett selbst bestimmen. Von Prof. Koh habe ich einen Doktoranden zugeteilt bekommen, der mich unterstützen und vor allem einweisen sollte. So wurde mir an meinen ersten Tagen hier erklärt, was mein Projekt wird und wie hier alles funktioniert. Ich habe eine eigene Mitarbeiterkarte bekommen, mit der ich zu den normalen Arbeitszeiten Zutritt zu den Büros und den Laboren habe. Unser Labor befindet sich an der Faculty of Science der NUS im 14. Stock eines riesigen Gebäudes. Nebenbei habe ich also noch einen super Ausblick aus dem Labor heraus. In der Regel beginnen die meisten ihren Tag im Labor so gegen zehn Uhr, wenn ich also um neun Uhr loslege, sind noch nicht viele da. Hier ist es üblich einen Mittagsschlaf zu halten und dafür bis später abends zu arbeiten. Alle Mitarbeitenden sind sehr freundlich und hilfsbereit, wenn ich zum Beispiel mal eine Chemikalie nicht finden konnte (was öfters vorkam, als ich zugeben will), haben sich direkt alle der Suche angeschlossen und mich immer unterstützt.

Über mein genaues Projekt kann ich nicht zu detailliert berichten (und ich glaube auch nicht, dass das für „Nicht-Chemiker“ besonders spannend ist), aber im Allgemeinen bin ich hier in der organischen Synthesechemie im Bereich “skeletal editing” tätig. Ich recherchiere klassischerweise also zuerst in chemischen Datenbanken, welche Versuche für meine gesuchten Moleküle und Reaktionen sinnvoll sein könnten, plane die Synthese dann selbstständig und führe sie natürlich durch. Am Ende arbeite ich die Reaktion dann auf und analysiere das (hoffentlich) entstandene Produkt. Im Allgemeinen funktioniert Chemie hier genauso wie in Deutschland. Trotzdem hat jeder seine speziellen Tricks und Ideen, sodass ich hier sehr viel neues Wissen erlangen konnte, das ich auch in den Laboren an der Uni in Münster anwenden werde. Zusätzlich habe ich hier gelernt vollkommen selbstständig zu arbeiten, von der Syntheseplanung und Durchführung bis zur Auswertung und Analyse. In regelmäßiger Absprache mit Prof. Koh und meinem Betreuer Leroy bekomme ich viel neuen Input, kann aber auch ganz viele eigene Ideen liefern, die immer berücksichtigt werden.

Mein absolut größtes Learning ist aber, dass in der Forschung nicht immer alles geradeaus und gut läuft. In meiner vergangenen Laborerfahrung hatte ich das große Glück, dass die meisten Synthesen recht problemlos liefen. Wenn mal was nicht funktioniert hat, konnte ich immer schnell den Fehler finden und ihn beheben. Hier stehe ich allerdings ganz am Anfang eines Projekts, wo es erstmal völlig normal ist, dass erstmal nicht viel funktioniert und man viele Umwege gehen muss. Ich habe gelernt, sehr viel über die Theorie und die Mechanismen hinter den Versuchen nachzudenken und in den wissenschaftlichen Austausch zu treten, um neue Ansätze ausprobieren zu können. Diese neue Frustrationsgrenze, sowie die Fähigkeit wissenschaftliche Probleme rational anzugehen und aus verschiedensten Winkeln zu betrachten, kann ich stolz mit nach Deutschland nehmen.

Abschließend bleibt mir also für diesen Beitrag zu sagen, dass ich durch dieses Forschungspraktikum einen Einblick in ein ganz anderes Feld der organischen Synthesechemie bekommen habe. Ich habe für meine Zukunft in der Chemie sehr viel gelernt und an Sicherheit in allen Bereichen des wissenschaftlichen Arbeitens gewonnen, sodass ich mir sicher bin noch lange von diesen Erfahrungen zu profitieren. Zuletzt schätze ich mich sehr glücklich diese Möglichkeit durch Prof. Glorius erhalten zu haben und kann jedem, dem sich so eine Möglichkeit ebenfalls bietet, nur wärmstens empfehlen ein Auslandspraktikum zu absolvieren (ganz unabhängig vom Studiengang natürlich)!

Marie-Christin

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