Halbzeit: Eine kurze Bilanz über Schweden als Gastland

Hier in Kramfors in Schweden ist es kalt und der Ort ist klein. Um das zu bemerken, habe ich keine vier Wochen, sondern viel mehr vier Stunden gebraucht. Aufgrund meiner sehr knapp bemessenen Ankunftszeit ging es für mich direkt los: Sonntagabend fuhr der Zug in der Kramfors Tågstation ein und Montagmorgen um 08:00 lief ich durch den frisch gefallenen Schnee los zur Gudmundråskolan. Viel Zeit zum Einleben blieb mir also nicht, deshalb war ich umso dankbarer für den netten Empfang der Deutschklassen sowie des Kollegiums. Innerhalb der Schule ist es sehr gesellig und im Lehrerzimmer sitzt immer eine kleine Gruppe LehrerInnen bei einer Fika (eine kleine (oder große) Kaffeepause) zusammen.

Außerhalb der Schule sieht es jedoch ein bisschen anders aus. SchwedInnen sind nicht gerade für ihren Smalltalk bekannt und vor meinem Aufenthalt hier habe ich darüber auch nicht viel nachgedacht.

Jetzt nach vier Wochen hier traue ich mich zu sagen, dass viele SchwedInnen sehr gerne für sich sind. Hier in diesem großen Land mit der geringen Bevölkerungsdichte verbringen viele die meiste Zeit ungestört mit sich alleine oder mit ihrer Familie in Frieden und Harmonie. Dadurch kommt auch eine große Ausgeglichenheit, die hier viele ausstrahlen, diese Lebensweise macht es jedoch schwierig für Gäste, die nicht nur zum Urlaub machen hier sind. Abends findet man wenige (in Stockholm und Umeå) bis keine (in Kramfors) Abendaktivitäten oder soziale Veranstaltungen, bei welchen man Leute kennenlernen kann und auch der Anteil junger Menschen ist – wenn man sich nicht gerade in den Universitätsstädten aufhält – gering. Damit meine ich nicht, dass SchwedInnen unfreundlich sind, ganz im Gegenteil!! Wann immer sich eine Konversation ergibt, sind alle immer sehr zuvorkommend und interessiert, nur kommt es hier sehr selten vor, dass Gespräche initiiert werden.

Das bedeutet für mich, dass ich hier eine große Stille erfahre, mit der ich nicht gerechnet habe. Jetzt, wo ich vier von acht Wochen in der Schule verbracht habe, kann ich sagen, dass ich langsam mit dieser umzugehen lerne und sogar anfange, die Ruhe zu genießen. Besonders draußen in der Natur liebe ich die Stille und höre ich den Schnee unter meinen Stiefeln knartschen. Der See in Kramfors ist seit über vier Monaten zugefroren und es ist immer wieder ein magischer Moment, wenn ich ganz alleine auf Schlittschuhen hier meine Runden drehe. Auf der anderen Seite genieße ich es natürlich genauso, wenn in der Schule ein bisschen was los ist und im Lehrerzimmer gequatscht wird. Mein Leben in Münster ist um einiges schneller und vollgepackter, sodass mir meine Zeit hier sehr langsam und wie eine Entschleunigung vorkommt.

Um mit frischer Energie in die zweite Hälfte zu starten, nutze ich die einwöchigen Ferien für eine kleine Schwedenreise und sitze gerade in der Universität in Umeå. Es tut gut, gerade in dem Campus Café zu sitzen, zu realisieren, dass eduroam auch im Ausland funktioniert und mit Erasmus-Studierenden zu quatschen. Wenn ich wieder in der Schule bin, besprechen wir in der 9. Klasse im Deutschunterricht „die deutsche Kultur“. Es ist spannend, wie sehr sich der eigene Blick auf das Heimatland schärft und gleichzeitig erweitert, wenn man sich gerade woanders befindet.

Ich denke, es ist wichtig, dass man auch über Schwierigkeiten schreibt, die man in Praktika im Ausland erfährt. Diese bergen die Chance, sich selbst besser kennenzulernen und mit Situation umzugehen, welche man nicht erwartet hat. Außerdem bin ich mir sicher, nicht die Einzige zu sein, die während eines ERASMUS-Aufenthalts Einsamkeit erfährt, vielmehr gehört auch das zu einer authentischen Beschreibung eines Praktikums im Ausland dazu.

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