Ein Spanier kommt selten allein

Man sagt ja so gerne, dass Spanier immer in Rudeln auftreten. Ich persönlich halte nichts von Vorurteilen, aber dieses stimmt auf jeden Fall und hat viel mit kulturellen sowie politischen und geographischen Gegebenheiten zu tun.

Da mir in den letzten Wochen vermehrt „Kuriositäten“ aufgefallen sind, die ich nach meinem letzten Aufenthalt hier fast schon wieder vergessen hatte, möchte ich darüber kurz etwas schreiben. Vielleicht hilft es ja sogar dem einen oder anderen, dieses Land und seine Menschen besser zu verstehen.

Ich fange mit ein paar Situationen/Beispielen an:

  1. Antonio (mein Kollege): „Sami, vas a salir hoy?“ (Sami, gehst du heute raus/feiern?) Ich: „Na, ich gehe bestimmt ein paar Tapas essen, aber ich muss ja morgen wieder arbeiten, also werde ich nicht so lange machen.“                                                                              Antonio: „Nein, Sami, es ist Donnerstag. Du musst rausgehen. Du bist noch jung, da musst du das Leben geniessen. Wenn du morgen nicht zur Arbeit kommen kannst, dann ist das überhaupt kein Problem. Schreib einfach in die WhatsApp-Gruppe. Wir verstehen das alle.“
  2. Ich sitze in einem (kleinen) Bus von der Alhambra ins centro. Meine Freunde und ich sind alle etwas geschafft, weil wir spontan bis oberhalb der Alhambra geklettert sind. Einer hat seine Gitarre dabei und fragt den Busfahrer, ob er was spielen dürfte. Natürlich! Und er legt los. Ein paar Mitfahrer schauen etwas komisch, aber niemand beschwert sich und am Ende singen alle die ganze Fahrt über fleissig mit.
  3. Zu meinem Geburtstag im letzten Jahr habe ich für 9 Uhr eingeladen gehabt. Um fünf Minuten vor zwölf standen meine Freunde vor der Tür, sangen „Cumpleaños feliz!“ und meinten, dass ich ja noch immer Geburtstag hätte.

Spanien hat keinen „starken“ Sozialstaat wie es in Deutschland der Fall ist. Wenn man hier arbeitslos wird und keine Bleibe findet, dann bleibt einem niemand und nichts, der einen auffängt. Daher nehmen die Familie und auch die Freunde hier eine relativ wichtige Rolle ein. Im Vergleich zu der deutschen Durchschnittsfamilie ist das spanische Pendant ziemlich kinderreich, es herrscht ein enges Band zwischen den einzelnen Generationen und man sieht sich regelmäßig mit allen. Hast du nichts, hast du immer noch deine Familie. Und wenn die Kinder zum Studium ausziehen, dann gehen sie während der Sommerferien mit Sack und Pack zurück nach Hause, haben dort noch ihr altes Zimmer und wohnen wieder bei Mama und Papa.

Ähnlich und doch ganz anders läuft das mit den Freunden. Da das ganze Leben draussen auf der Strasse stattfindet, geht man nach der Arbeit oder Uni einfach raus. Irgendwen trifft man schon und so ist man immer in größeren Gruppen zusammen. Spanier nennen andere „amigos“, die nach unserer deutschen Auffassung Bekannte wären. Dementsprechend haben sie im Durchschnitt viel mehr Freunde als wir. Doch man kann das deutsche Freundschaftssystem, nach dem man sich relativ regelmäßig melden und etwas miteinander machen sollte, nicht auf das spanische anwenden. Hier kann man sich wochen-, gar monatelang nicht sehen oder sprechen und wenn man sich dann trifft, macht man einfach ganz normal weiter. Meiner Meinung nach sind die ganzen Freundschaften und Beziehungen eher physischer Natur. Es wird mehr Wert darauf gelegt, dass man sich sieht, als dass man regelmäßig über WhatsApp schreibt und gleichzeitig ist es überhaupt nicht schlimm, wenn man sich längere Zeit nicht trifft. Spanier leben sehr stark im Moment. Dies ist etwas, was ich sehr schön finde und versuche ein wenig in meinen Freundeskreis in der Heimat einzubringen.

Woran ich mich nie so richtig gewöhnen konnte, ist diese absolute Lockerheit. Das ganze Leben nicht so ernst zu nehmen und überzubewerten, wozu wir im Norden gerne mal neigen ist schon richtig, aber dass man sich nie so wirklich auf eine Aussage verlassen kann, finde ich wirklich schwierig. Beispielsweise sagen Spanier generell zu, wenn du sie fragst, ob sie zu einer Party oder ähnliches kommen. Es ist unhöflich abzusagen. Und sie sagen leider auch nicht Bescheid, wenn sie wissen, dass sie nicht kommen oder Stunden zu spät kommen. Und erst letztens habe ich eine Karte gesehen auf der ein ziemlich aussagekräftiger Spruch stand: „Es gibt nichts spanischeres als Stunden zu spät auf einer Party aufzutauchen und noch immer der Erste zu sein.“

Tja, was soll ich sagen?! Das Leben wäre langweilig, wenn’s einfach wäre 😉

Über Sammy

Wie ihr vielleicht schon gelesen habt ist mein Name Sammy. Gut, der Spitzname, aber da alle mich immer so nennen zählt es als Name. Die Spanier hier in Granada, wo ich momentan mein Auslandspraktikum mache, kommen mit der Aussprache und Schreibweise meines Namens nicht so ganz zurecht und nennen mich deshalb immer Sami mit einer besonderen Betonung auf dem i. Das wäre dann also mein spanischer Name. Nun gut, offensichtlich befinde ich mich gerade in Spanien, ursprünglich komme ich aber aus der schönsten Stadt am Rhein - genau, Düsseldorf! Studieren tue ich in Münster, und zwar Landschaftsökologie. Ein wunderbarer Studiengang, den ich jedem, der etwas mit Natur und Umwelt machen möchte, nur ans Herz legen kann. Damit das hier jetzt nicht zu ausschweifend wird (ihr werdet ja auch sicher viele Infos noch über meinen Blog mitbekommen), hänge ich bloss noch ein paar Fakten an, die mir persönlich wichtig erscheinen um mich selbst zu beschreiben. Also, ich bin 23 Jahre alt, habe die tollste Familie der Welt, engagiere mich ehrenamtlich bei Greenpeace, liebe es draussen in der Natur zu sein und das was ich mache, mache ich mit Leidenschaft. Sooo, das wärs. Dann viel Spass beim Lesen. (Entschuldigt wegen des ss, die spanische Tastatur hat kein schafes s.)

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