Alltag in Stevenage (UK)

Hallo zusammen!

Das letzte Mal habe ich euch von meiner Ankunft und der Anfangszeit in Stevenage berichtet. Mittlerweile bin ich schon einige Monate hier und der Alltag hat sich breit gemacht. Daher möchte ich euch nun von einem Kuriosum erzählen, das sich in meinen Alltag hier in Stevenage eingeschlichen hat.

Neben der Arbeit gibt es hier nämlich etwas, das nennt sich Freizeit. Ich hielt es immer für ein Gerücht, aber tatsächlich komme ich hier hin und wieder in den Genuss dieses Phänomens. Sehr viele Möglichkeiten zur Gestaltung dieser Freizeit gibt es in Stevenage allerdings nicht. Freitags ist es schon fast „Tradition“ in den Pub zu gehen. Diese Besuche werden durch vorhergehende Restaurantbesuche oder anschließende Karaoke-Partys erweitert. Die meisten Pubs sind hier im so genannten Old Town, einer der schöneren Orte in Stevenage. Nein, nicht weil dort die Pubs sind! Was ihr schon wieder denkt…

Eines heiteren Abends sind wir in Old Town essen gegangen. Das Restaurant hatte eine Aktion bei der zu zweit bestellt wird und die Gerichte dadurch etwas günstiger sind. Während die anderen jedoch schon fröhlich am Essen waren, saßen Lauren, eine Kollegin, und ich noch mit knurrendem Magen vor einem leeren Tisch. Wir haben natürlich gleich nachgefragt, wo unser Essen bliebe, doch erhielten wir nur verdutzte Blicke. Die Bestellungen seien alle schon am Tisch. Ein deutliches Magenknurren verriet, dass das so nicht stimmen konnte. Der Kellner der unsere Bestellungen aufgenommen hatte, eilte auch schon herbei. Er habe die Bestellung falsch in die Kasse eingegeben. Es täte ihm sehr leid und er bot uns ein Getränk aufs Haus an, um so die Wartezeit etwas zu verkürzen. Auch nach einer gefühlten Ewigkeit, kam das Essen nicht. Nach nochmaligen Nachfragen (die anderen waren bereits beim Digestif…) kam der Geschäftsführer und entschuldigte sich ebenfalls (ausgiebig!). Er teilte uns mit, dass das Essen auf dem Weg sei und dass alles aufs Haus ginge. Wir bekamen unser Geld wieder, noch ein Getränk und tatsächlich auch unsere Bestellung! Juhu! Obgleich es lange gedauert hat, wir haben beide je drei Getränke und ein unglaublich köstliches Gericht umsonst bekommen, da hat sich das Warten schon gelohnt. Wirklich böse waren wir auch nicht. Das Personal war wirklich sehr freundlich obschon das nicht hätte passieren dürfen. Fehler passieren!

Die Karaokeparties sind immer ziemlich witzig. Der Abend meiner ersten begann jedoch leider etwas unerfreulich. Als ich den langen Weg von mir zu Hause bis nach Old Town geschafft hatte – ich brauche ca. 20-30 Minuten mit dem Fahrrad, und da geht es bergab! Der Rückweg ist immer der reinste Horror… –, fiel mir vor dem Pub auf, dass ich mein Portmonee vergessen hatte. Damit natürlich auch meinen Ausweis, ohne den kommt man hier in England in keinen Pub oder Club hinein. Mist. Also musste ich den Weg wieder zurück radeln, mein Portmonee einstecken und dann noch einmal zurück zum Pub. Damit war mein Sportprogramm für diesen Tag auch erledigt. Beim Karaoke waren ausnahmslos alle mit vollem Herzen dabei, bei stetig steigendem Alkoholpegel konnte das durchaus schmerzhaft für die Ohren werden. Im Großen und Ganzen war es jedoch ein erstaunlich gutes Gegröle. Wir haben den schönsten Mix an Liedern gehört, den man sich vorstellen kann. Die Beatles, Michael Jackson, Spice Girls uvm. (ich gebe zu viele kannte ich auch nicht…). Ein Pärchen hat auch Phantom der Oper zum Besten gegeben und selbst dabei haben alle … sagen wir, passabel… mitgebrüllt. Es war jedenfalls äußerst amüsant!

An dieser Stelle möchte ich einmal kurz anmerken, dass es unglaublich auffällig ist wie höflich und freundlich die Bedienungen in den Restaurants in England sind. In der Regel auch ganz schön zügig! 😀 Sowohl in Stevenage als auch in London wurde ich immer, ausnahmslos, freundlich bedient – Es wurde wirklich Wert darauf gelegt, dass man sich dort wohlfühlt (Dabei war es egal ob man in einem Schnellrestaurant oder einem feineren Restaurant aß). Im Allgemeinen sind die Engländer sehr höflich und freundlich. Das ist mir bereits in den ersten Wochen aufgefallen. Man bedankt sich nicht nur beim Busfahrer, wenn man aussteigt, sondern es wird sich auch immer entschuldigt, wenn man jemanden anrempelt. Vor dem Einsteigen in den Bus wird nicht gedrängelt sondern anständig gewartet, es wird einem der Vortritt gelassen und die Türen aufgehalten, wenn man irgendwo hinein geht und direkt vor einem bereits jemand hindurch gegangen ist. Es ist faszinierend, selbst die ganz jungen Leute, auch von denen man es rein oberflächlich nicht erwarten würde, besitzen diesen Anstand.

Zu meinem Alltag gehört auch der wöchentliche Einkauf. Eines schönen (regnerischen) Tages, in meinen ersten Wochen hier, war ich mit einer Kollegin einkaufen. Während des Einkaufs suchte sie auch Brötchen für das Frühstück aus. Das Verb aussuchen beschreibt das Bild tatsächlich sehr gut. Es mussten die hellsten und weichsten von allen sein, weshalb sie immer wieder prüfend auf allen herumdrückte (die Brötchen waren eingeschweißt). Ich sollte in meiner ersten Woche merken, dass die Brotkultur hier noch schlimmer ist, als ich und vermutlich die meisten von euch hätten glauben können. Es gibt kein Brot, wie wir es kennen, alles ist Weißbrot(ähnlich) – wissen wir – aber die Härte erlebte ich in der ersten Mittagspause bei GSK. Einige IP-Studenten hatten tatsächlich den Rand ihres Weißbrotes abgeschnitten, weil dieser (haltet euch jetzt am besten am Tisch fest) zu hart ist. Das lass ich jetzt mal so stehen.

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Fertiggerichte! – Soweit das Auge reicht. In allen Formen und Größen.

Auf der Arbeit ist kurz vor Weihnachten der gesamte Flur in die sog. SmartLabs ein Stockwerk tiefer, umgezogen, außer unser Office. Es wurde fleißig gepackt und herum geräumt, Labore geplündert und hektisch hin und her gerannt. Neben den ganzen Laborgeräten mussten auch Computer und Büroschränke zusammengepackt werden. Da hatte ich nicht nur zu Hause eine Baustelle, sondern auf der Arbeit auch noch Umzugsstimmung! Überall Kartons! Jetzt sind wir hier auf dem riesigen Flur nur noch mit neun Leuten, von denen gerade mal sechs, inklusive mir, in den Laboren arbeiten. Was sollen wir nur mit dem ganzen Platz anfangen? Genau! Erstmal einen Raubzug für bessere Bürostühle starten. Da Lauren, Danielle und ich bloß kleine Studenten sind, kommen wir natürlich nicht in den Genuss von den extravaganten Luxusbürostühlen. Doch diese Zeit ist vorbei! Bürostühle müssen nicht in die neuen Labs mitgenommen werden. Damit hatte der ganze Umzug für uns zumindest eine gute Seite. Für diejenigen, die umziehen, war diese Woche allerdings der reinste Horror. Neben den laufenden Experimenten, die irgendwie während der Durchführung umziehen mussten, sollte sich jeder von seinem Papierkram verabschieden. Das bedeutet natürlich sortieren, den PC entrümpeln und dort die entsprechenden Papierdaten digitalisieren. In den SmartLabs hat keiner seinen eigenen Büroarbeitsplatz und muss die Schreib- und Computerflächen nach Benutzung immer wieder räumen. Ich weiß nicht, ob die Benutzungsdauer eingeschränkt ist, nur dass man bei einer Abwesenheit von mehr als 60 Minuten definitiv den Platz räumen muss. Zudem sind jegliche Aufzeichnungen auf Papier und Lesequellen aus Papier nicht gern gesehen. Alles läuft da unten digital, d.h. immer den Laptop unterm Arm. Momentan sieht es dort aus wie in einer Fabrik, wurde mir berichtet. – Als ich dann selber nachgesehen hatte, musste ich zugeben, dass gemütliche Arbeitsatmosphäre anders aussieht. Immerhin, seit letzter Woche wird zumindest vernünftig geheizt und man friert dort unten nicht mehr so. Wir, im oberen Stockwerk, hingegen schon.

Eine Sache ist ziemlich genial. An den Laborarbeitsplätzen sind Computerbildschirme integriert, auf denen auch geschrieben werden kann. Wenn man sich Notizen macht oder Ergebnisse generiert und den Laptop an die Dockingstation anschließt, wird also alles sofort auf diesen übertragen. Zudem solle es wohl bald auch Laborroboter geben, die herumfahren und Medien von A nach B bringen, Proben transportieren etc. Ich habe gestern bereits einen im Testlauf gesehen. Er sieht ein wenig aus die die große Schwester von R2D2, und spricht sogar. Man erschrickt sich zu Tode, wenn aus einem leeren Labor plötzlich eine weibliche Roboterstimme kommt. Ist schon ganz schön Science-Fiction.

Ich dachte ich gebe euch jetzt nochmal ein paar bildliche Impressionen, ohne elendigen Text 😉

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Auf der Arbeit gab es jede Menge vorweihnachtliche Geschenke zwischendurch (und Unmenegen an Schokolade…..ohoh!)
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Weihnachtsessen mit der Arbeitsgruppe!
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Der erste Schnee – Und das Chaos bricht los. Supermärkte leer gekauft. Ich glaub‘ man bereitet sich auf eine Apokalypse vor…
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Mein weihnachtlicher Beitrag zu den Geschenken im Office. Self made Cakepops ohne Stiel!:D
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English breakfast.

Damit verabschiede ich mich auch schon wieder! Ich hoffe ihr hattet ein bisschen Spaß meinen Eintrag zu lesen. Bis zum nächsten Mal! Dann geht es schon bald wieder zurück in die Heimat…mit einem weinenenden und einem lachenden Auge.

Jasmin

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