Schottland – nur Kilt und Whiskey?

Ich befinde mich gerade in Edinburgh, der Hauptstadt Schottlands. Sie befindet sich an einem Meeresarm mit dem wohlklingenden Namen Firth of Forth und hat – was viele sicherlich als verwunderlich ansehen werden – sogar einen Sandstrand im Stadtteil Portobello zu bieten. Das Klima ist allerdings zu dieser Jahreszeit , mitten im November, nicht besonders gut zum Baden geeignet. Aber wer kommt auch schon zum Baden nach Edinburgh? Die Stadt, die mit knapp 500.000 Einwohnern eine für hauptstädtische Verhältnisse überschaubare Anzahl an Bewohnern vorweisen kann, hat auch ohne Badeparadies genug zu bieten.

Dazu gehören die für Schottland und Irland typischen Pubs, die oftmals mit Kitsch und Antiquitäten vollgestopften Wohnzimmern gleichen. Dazu gehört auch die gemütliche Architektur, die einem den Eindruck vermittelt, als bestünden 90% aller aller Gebäude Edinburghs aus majestätischen Altbauten mit hohen Decken, Parkettböden und Stuck. Das verleiht Edinburgh einen einzigartigen, und besonders in den kalten Wintermonaten auffallend häuslichen Charme. Auch touristische Bedürfnisse kann man mit Besuchen des Edinburgh Castles, des Zoos, Carlton Hills und Arthur’s Seat und anderer Sehenswürdigkeiten befriedigen.

Was mir in Schottland besonders schnell auffiel ist, dass die Menschen um Einiges freundlicher und höflicher sind als in Deutschland. Man begrüßt sich mit „How are you doing?“ und wartet auch wirklich die Antwort ab. Dabei ist es auch kein Problem oder Grund für eine peinliche Stille wenn man mal „not too good today“ antwortet. Das fand ich im Gegensatz zu den eher oberflächlichen amerikanischen Verhältnissen besonders angenehm. An der Bushaltestelle stellt man sich schon an, bevor der Bus überhaupt angekommen ist, drängelt sich nicht vor und begrüßt und bedankt sich beim Busfahrer, wenn man aussteigt. Das mag einem beinahe übertrieben vorkommen, mir ist es jedoch positiv aufgefallen. Apropos Busse: Edinburgh hat ein ausgezeichnetes Busliniennetz und seit Mai 2014 sogar eine Tram. Für die meisten Fahrtziele muss man nicht umsteigen, die Busse kommen meist alle zehn Minuten. Man sollte jedoch immer Kleingeld bereithalten, da man das Ticket für die Fahrt beim Busfahrer sofort passend  bezahlen muss. Allerdings würde ich jedem, der wie ich länger in Edinburgh bleibt, den Kauf der sogenannten RidaCard der Edinburgher Busgesellschaft Lothian Buses empfehlen. Das ist nicht nur viel günstiger, sondern erspart einem auch die lästige Jagd nach Kleingeld. Wenn man sich für ein Praktikum oder Auslandssemester in Edinburgh entscheidet, sollte man sich früh um eine Unterkunft bemühen, da die Wohnungssituation um den Semesteranfang oft sehr ungünstig ist. Um diese Jahreszeit findet nämlich auch das Fringe Festival statt, das die Einwohnerzahl vorübergehend verdoppelt, freie Zimmer rar werden und die Mietpreise steigen lässt.

Wer abends mal auf einen Whiskey oder Pint ausgehen will, dem sei der Grass Market ans Herz gelegt, eine Kneipenmeile nahe der Innenstadt. Ausgelassene Nachtschwärmer werden allerdings nur glücklich, wenn sie früh am Abend anfangen, da die meisten Pubs und Bars um 1 Uhr schließen, einige wenige Diskos auch länger.

Zum Abschluss dieses Beitrages will ich eine meiner Meinung nach äußerst witzige Anekdote zum Besten geben: Das Nationalgericht der Schotten, der Haggis, ein mit Schafsinnereien, Zwiebeln und Hafermehl gefüllter Schafsmagen ist sicherlich Geschmackssache. Viele Touristen glauben allerdings, dass es sich bei Haggis um eine eigene Spezies handelt. Deswegen scheinen sich einige Schotten einen Mythos über eine absurde Tierart ausgedacht zu haben, die sich hartnäckig in den Köpfen einiger Touristen hält. Der Haggis, ein nagetierähnliches Wesen, das mit wissenschaftlichem Namen Haggis Scoticus heißt, hat  eine besondere anatomische Eigenschaft: die Beine einer Seite sind länger als die der anderen Seite. Dies ist der Anpassung an den Lebensraum der Haggis, nämlich der Highlands geschuldet. Mit den unterschiedlich langen Beinen lässt es sich nämlich ganz vorzüglich um die steilen Hänge der Hügel und Berge rennen, allerdings immer nur in eine Richtung. Es gibt zwei verschiedene Unterarten des Haggis Scotticus: eine, bei dem das rechte Vorder- und Hinterbein länger ist als ihre linken Gegenstücke; diese Art kann nur gegen den Uhrzeigersinn um die Hügel rennen; bei der anderen Unterart verhält es sich umgekehrt. Die beiden Arten vermischen sich nicht, da das Männchen bei der Paarung mit einem Weibchen der anderen Art das Gleichgewicht verliert und den Hang herunterrollt. Wird ein Haggis von einem Raubtier bedroht, kann es natürlich auch nicht umdrehen, sondern muss sein Heil in der Flucht nach vorne suchen. Einer Studie zufolge sollen dreißig Prozent der US-amerikanischen Schottlandtouristen an die Existenz des Haggis Scoticus glauben. In der Kelvingrove Gallery in Edinburgh kann man das Modell eines Haggis Scoticus bewundern…

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