Norwich – als Sprachassistent bei den Teetrinkern

Ich muss zugeben, bis zum Zeitpunkt meiner Bewerbung als Sprachassistent hatte ich noch nie etwas von Norwich gehört. Ich hatte sogar den Namen falsch ausgesprochen, wie mir meine muttersprachlich englische Dozentin freundlich, aber bestimmt bei einem Gespräch mitteilte. Meine allgemeine Unwissenheit hatte meine Vorfreude jedoch umso mehr gesteigert. Was würde mich erwarten?

Ich hatte mich beim ZfL für eine Stelle als Sprachassistent beworben – das heißt, meine Aufgabe würde darin bestehen, den englischen Schülerinnen und Schülern an der Norwich School Deutsch beizubringen. Als Englischstudent. Ich möchte es mal so formulieren: im Hinblick auf die Deutschen Grammatikwunder blickte ich meiner Aufgabe mit freudigem Respekt entgegen.

Mittlerweile bin ich seit drei Wochen hier. Und ich bin mehr als beeindruckt von der Stadt. Der erste Eindruck lässt sich durch ein Wort auf den Punkt bringen: gemütlich. Norwich ist ein unglaublich gemütliches Städtchen, daran können selbst die aktuell recht kühlen Temperaturen nichts ändern. Im Zentrum der Stadt fühlt man sich manchmal, als wäre man in die Vergangenheit zurückversetzt worden.

Elm Hill – Norwichs älteste Straße

Die wunderschönen Gassen winden sich einander kreuzend und in alle Himmelsrichtungen verlaufend zwischen den Häusern und Geschäften entlang, sodass ich anfangs dezente Probleme hatte, mich zu orientieren. Aber man kommt immer irgendwo raus, wo man irgendwann schon mal gewesen ist. Meistens ist das der Marktplatz mit den vielen bunten Marktbuden, die all das verkaufen, wonach man nicht sucht. Und Essen natürlich. Letzeres suche ich meistens schon.

Apropos Essen!

Leider salzen die Engländer herzlich wenig bis gar nicht. Diese Ignoranz dieses wichtigen, Geschmack gebenden Stoffes wird mir immer ein Rätsel bleiben. Und die Erbsen sind eindeutig zu trocken. Aber darauf stehen die Engländer offenbar total.
Wärmstens empfehlen kann ich hingegen „Crumpets“, sogar wörtlich. Zuerst in den Toaster, dann mit Marmelade, Honig oder auch mit Käse bestreichen/belegen und schon kann der Genuss beginnen. Ich mache mir jetzt nicht die Mühe einer detaillierten Beschreibung. Man muss sie einfach probieren.

Die englischen Supermärkte wie Morrisons oder Tesco haben eine im Vergleich zu Deutschland sehr viel größere Auswahl an z.T. einfrierbaren „ready meals“, wie zum Beispiel deftig gefüllten Champignons, Pies oder Süßkartoffeln. Und natürlich Pizza. Alles in den Ofen, zack, fertig. Sehr studentenfreundlich!

Ich vermisse das gute deutsche Brot! Was die Engländer hier als „bread“ verkaufen ist ein Witz. Das reinste Schwabbelgebäck, von dem man Stunden essen kann bevor man satt wird. Wer sich allerdings auch in Deutschland hauptsächlich von Toast ernährt: willkommen im Paradies!

Und ich glaube, ich habe noch nie so viel Tee getrunken wie hier. Man will sich halt integrieren.

Aber zurück vom Kulinarischen zur Stadt.

Ein bisschen schief…

Die süßen Häuser sind alt und sehr beschaulich. Einige von ihnen wurden definitiv zu einer Zeit gebaut, als die Wasserwaage noch nicht erfunden worden war.  Aber es sind genau diese schiefen, kleinen und urigen Häuschen, die Norwich so sympathisch und persönlich erscheinen lassen. Man fühlt sich sofort wohl und mittendrin in der englischen Kultur. Norwich hat sogar ein historisches Castle, das heute als Museum genutzt wird. Einen Besuch kann ich durchaus empfehlen!

Die Kathedrale von Norwich

Besonders angetan hat es mir aber die Kathedrale. Nachdem man die bereits eindrucksvollen Torbögen zum Kathedralengelände passiert hat, eröffnet sich einem die Sicht auf ein gigantisches Werk normannischer Baukunst. Obwohl ich mit meinen 1,92 eher zu den Größeren meiner Art zähle, fühle ich mich hier sehr sehr klein. Für Musikliebhaber: hier befindet sich die viertgrößte Orgel ganz Großbritanniens! Und der Sound ist der Wahnsinn!

 

Norwich hat angeblich 365 Pubs – für jeden Tag im Jahr Einen. Die gemütliche englische Pub-Atmosphäre sollte man unbedingt bei einem Ginger Beer, Cider oder einem Draught Beer ohne Schaum und Kohlensäure kennenlernen.
Neben den zahlreichen Pubs darf man sich aber auch die Tearooms nicht entgehen lassen! Wenn man bei Biddy’s einen Afternoon Tea bestellt, wird einem außer einer Teekanne auch noch eine Etagere vorgesetzt, mit der einem Sandwiches, Kuchen und Scones mit clotted cream und Marmelade serviert werden. Köstlich!! Und typisch englischer geht es ja wohl kaum.
Womit wir wieder beim Essen wären. Der Kreis schließt sich.

                       

Adam & Eve – der älteste Pub von Norwich                                              Afternoon Tea

Ich wohne hier bei einer Mutter und ihrer Tochter in einem alten englischen Reihenhäuschen. Beide sind sehr herzlich und haben mich freudig empfangen – und mein Zimmer ist auch super schnuckelig! Bis zur Schule läuft man von hier aus etwa 20 Minuten, aber ich habe das Glück, dass meine Vermieterin mir ein Fahrrad zur Verfügung stellt. Und Morrisons ist auch um die Ecke, was sehr praktisch ist.

In meinem nächsten Beitrag werde ich euch von meinem Arbeitsalltag an der Norwich School erzählen. Bis dahin: „See you later!“ – ein Satz, den die Engländer übrigens in jeglicher Situation verwenden. Egal, ob man einen Tagesausflug macht, ins Bett geht oder noch nicht einmal klar ist, ob man sich überhaupt wieder sieht.

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