Nachdem ich in meinem letzten Blogeintrag einen kleinen Einblick in meine ersten Eindrücke vom Leben in Seoul gegeben habe, möchte ich nun ein bisschen davon erzählen, wie mein Praktikumsalltag aussieht. Ich bin nach Seoul gekommen, um ein viermonatiges Praktikum bei einer NGO namens PSCORE, People for Successful COrean REunification, zu machen.
PSCORE: Menschenrechte und Wiedervereinigung auf der koreanischen Halbinsel
PSCORE ist eine Non-Profit-Organisation, die 2006 von einem nordkoreanischen Geflüchteten gegründet wurde und seitdem vor allen Dingen durch die Mithilfe koreanischer und internationaler Studierender, die als Praktikant:innen und Ehrenämtler:innen mitwirken, getragen wird. Im Jahre 2012 erhielt PSCORE als erste südkoreanische NGO, die sich der Menschenrechtsarbeit für Nordkorea verschrieben hat, den Special Consultative Status vom UN ECOSOC, wodurch sie auf der internationalen Bühne eine Beraterrolle hinsichtlich der derzeitigen Menschenrechtslage in Nordkorea einnimmt.
PSCORE widmet sich einer Vielzahl von Aufgabenfeldern: Zum Einen gibt es ein Bildungs- und Mentorenprogramm, bei dem ehrenamtliche Mitarbeiter:innen Englisch und Technologie-Unterricht für nordkoreanische Geflüchtete und ihre Kinder anbieten, um sie bei der Integration in die südkoreanische Gesellschaft zu unterstützen. Zum Anderen setzt sich PSCORE vor allem dafür ein, die öffentliche Aufmerksamkeit auf die besorgniserregende Menschenrechtssituation in Nordkorea zu lenken und sowohl die südkoreanische als auch die internationale Gemeinschaft über die schweren Menschenrechtsverletzungen und die Wiedervereinigungsbestrebungen zu informieren. Zu diesem Zwecke organisiert PSCORE auch Speech Events, Vorträge, Briefings und Kampagnen zum Thema Menschenrechte und Wiedervereinigung auf der koreanischen Halbinsel.
Meine Tätigkeit bei PSCORE
Vier Monate lang bin ich nun in PSCOREs Research Team, was konkret bedeutet, dass eine meiner Hauptaufgaben die Arbeit an den aktuellen Menschenrechtsberichten ist. Wie bereits erwähnt ist PSCORE als Beobachter der Menschenrechtslage in Nordkorea aktiv und führt daher Interviews mit nordkoreanischen Geflüchteten durch, die, unterstützt durch intensive Auseinandersetzung mit Open-Source-Literatur und aktuellen Nachrichten über die DVRK, zu Reports verarbeitet werden. Während meines Aufenthalts ist es insbesondere der Internet Freedom Report, für den ich mich mit bereits existierender Forschung und gegenwärtig erhobenem Interview-Material beschäftige, um dieses Feld der Menschenrechte in Nordkorea zu beleuchten. Aufgrund der Sprachbarriere konnte ich leider nicht selbst an den Interviews teilnehmen, dennoch war es unglaublich spannend mit den von Praktikant:innen angefertigten Übersetzungen zu arbeiten. Auch gab es Nordkoreaner:innen, die sich die Zeit nahmen, auf unsere Fragen zu antworten und von ihrer persönlichen Erfahrung zu erzählen. Dank einiger Speech Events, die wir im Verlauf meines Praktikums organisierten, konnte ich zusätzlich tiefergehende Einblicke in die Lebensrealität in Nordkorea erhalten. Da ich mich schon lange für den Fall Nordkorea interessiere, ist die Möglichkeit, Erfahrungen aus erster Hand hören zu dürfen, eine der spannendsten, lehrreichsten und vor allen Dingen berührendsten Aspekte des Praktikums.
Nebenbei laufen stets weitere Projekte, wie etwa ein Speech Event zur koreanischen Wiedervereinigung, welches ich mit meinen Kolleg:innen organisierte und schließlich auch daran teilnahm. Der Arbeitsalltag besteht daher aus einer Mischung intensiver Textarbeit und einer Vielzahl von Meetings, in dem wir die verschiedenen Events gemeinsam organisieren oder über die Reports und unsere Fortschritte und Hürden diskutieren. Ein besonderes Highlight war auch ein Kampagnen-Trip nach Gwangju, auf dem wir nicht nur an einer Straßenkampagne und an Seminaren teilnahmen, sondern auch die Chance erhielten, Koreas Landschaften und traditionelle Gerichte auf eine Art und Weise zu erleben, wie wir es eigenständig nicht getan hätten.
Vorläufiges Fazit: Vier Monate Menschenrechts-NGO
In vielerlei Hinsicht ist mein Praktikum bei PSCORE ein kleiner Vorgeschmack für die Arbeit in einer kleinen NGO: Häufig arbeiten wir auf Basis eng bemessener Budgets und Spenden und müssen unsere Vorstellungen an die dazugehörigen Anforderungen anpassen. Eine besondere Übung ist es jedoch auch in Sachen Eigenverantwortlichkeit und Team-Arbeit: PSCOREs Büro ist gefüllt mit jungen Studierenden aus aller Welt, die in den verschiedenen, sich selbst organisierenden Teams arbeiten und den Arbeitsalltag daher wertschätzend und freundschaftlich gestalten. Eine der schönsten Teile dieses Praktikums ist die Möglichkeit, mit vielen Leuten in Kontakt zu treten, die ähnliche Interessen und Werte haben, und aus Kolleg:innen daher schnell Freunde werden zu lassen. Auch wegen der besonderen Chance, ein tieferes Verständnis für die Lebensrealität nordkoreanischer Geflüchteter in Nordkorea sowie in Südkorea zu erhalten, schätze ich mich sehr glücklich.
Lassen Sie einen Kommentar da