Hallöchen,
in diesem Beitrag möchte ich euch etwas näherbringen, was ich hier in Tartu eigentlich mache. In meinem ersten Beitrag habe ich schon erwähnt, dass ich Chemie studiere und für ein Forschungspraktikum für 6 Monate in Tartu bin. Das Forschungspraktikum ist in der Bioorganik angesiedelt, aber was bedeutet das überhaupt?
Ich versuche das ganze in den nächsten Zeilen möglichst verständlich und einfach zu beschreiben, da nicht alle von euch ein ausgeprägtes Hintergrundwissen in Chemie besitzen.
Wie es im Namen schon angedeutet ist, behandelt die bioorganische Chemie sowohl die Biochemie, aber auch die organische Chemie. Die Biochemie beschäftigt sich grundlegend mit den chemischen Prozessen, die im Körper ablaufen. Vom Aufbau der DNA, der körpereigenen Synthese von überlebenswichtigen Enzymen, bis hin zu komplizierten Stoffwechselprozessen ist dort alles vertreten. Neben den genannten Beispielen gibt noch viele weitere Themen und Aspekte, die unter dieses Thema fallen, allerdings würde das den Rahmen sprengen alles hier aufzuzählen. Der zweite Part, die organische Chemie, behandelt die Synthese von kohlenstoffhaltigen kleineren Molekülen, die auch Heteroatome wie Stickstoff, Sauerstoff oder Schwefel enthalten können. Bei der Synthese dieser Moleküle ist das übergeordnete Ziel funktionelle Gruppen in das Molekül einzubringen, sodass spezifische Eigenschaften erhalten werden.
Ich beschäftige mich derzeit mit der medizinischen Chemie. Mein Ziel ist es kleinere Moleküle mit Hilfe der organischen Synthese zu entwickeln, die später als Inhibitoren für das Enzym CK2 (Casein Kinase 2) eingesetzt werden können. CK2 ist eine Threonin/Serin Protein Kinase, die in vielen wichtigen Signaltransduktionswegen im Körper vorkommt und in allen Zellen unseres Körpers existiert. Dabei übernimmt CK2 die Aufgabe Proteine an den Hydroxygruppen der Aminosäuren Serin oder Threonin zu phosphorylieren. Damit dies passiert muss einerseits ATP an das Enzym gebunden werden und andererseits muss das Zielprotein eine spezifische Aminosäuresequenz aufweisen, damit die Phosphorylierung stattfindet. Aber warum ist gerade CK2 von so hohem Interesse, schließlich gibt es im Körper insgesamt etwa 510 verschiedene Kinasen, die ebenfalls für die Phosphorylierung von Zielmolekülen zuständig sind? Die Antwort ergibt sich aus der Präsenz von CK2 in den verschiedensten Signaltrasduktionswegen. Die wohl wichtigsten sind die Steuerung des Zelltods, der Zellproliferation, des Zellwachstums und der Reparatur von beschädigter DNA. Damit ist CK2 in die grundlegenden Mechanismen im Körper involviert, was allerdings auch zu erheblichen Problemen führt, wenn die Aktivität der Kinase beeinflusst ist. Einige Beispiele für Krankheiten, die mit einer Über- oder Unterfunktion, wobei die Überfunktion vermehrt vorkommt, von CK2 einhergehen, sind: Krebs, Parkinson, Alzheimer, Diabetes, ADHS, Autismus und bakterielle und virale Infektionen. Ihr seht, CK2 spielt in vielen Krankheiten eine Rolle, weshalb für mich persönlich die Forschung zu diesem Enzym besonders interessant ist, da ich die Möglichkeit sehe, mit der Synthese von neuen Inhibitoren eine Veränderung für Menschen zu bewirken, die an einer dieser Krankheiten leiden.
Die Arbeitsgruppe, in der ich momentan arbeite, beschäftigt sich primär mit Bisubstrat-Inhibitoren. Das bedeutet, dass der Inhibitor an zwei Stellen im Enzym angreift und die Aktivität dort hemmt. Ein Teil dieser Moleküle interagiert mit der ATP-Bindungsstelle, da ohne das Binden von ATP keine Phosphatgruppe zur Verfügung steht, die auf das Zielpeptid übertragen werden kann. Ein anderer Teil des Inhibitors interagiert mit der Substartbindestelle, sodass das Zielpeptid nicht an CK2 binden kann und somit ebenfalls keine Übertragung der Phosphatgruppe stattfinden kann.
Mein Praktikum beschäftigt sich dementsprechend einerseits mit der Synthese von solchen Bisubstrat-Inhibitoren, aber andererseits auch mit der Testung der hergestellten Moleküle. Ich möchte schließlich auch wissen, ob die hergestellten Moleküle mit CK2 interagieren und diese inhibieren. Ich kann euch natürlich nichts weiter über das Design der Moleküle erzählen, da diese derzeit geheim sind und andererseits würde dies auch definitiv zu weit führen.
Eine Sache möchte ich euch trotzdem noch auf den Weg geben: Selbst, wenn das Projekt an dem ihr arbeitet nicht die Resultate erbringt, die ihr euch erhofft, könnt ihr auch aus den Misserfolgen immer etwas mitnehmen und anhand dessen nach Optimierungen suchen oder versuchen einen anderen Blickwinkel einzunehmen. Irgendwann werdet ihr bestimmt eine Durchbruch erzielen oder ihr könnt mit gutem Gewissen sagen, dass das Projekt eures Wissens nach in der geplanten Form nicht funktioniert, weil ihr alles gegeben habt, was ihr könnt. Ich selber befinde mich gerade in solch einer Situation, da die Synthese nicht so gut funktioniert, aber den Kopf in den Sand zu stecken bringt einen dabei auch nicht weiter. Also versuche ich jeden Tag aufs neue motiviert und optimistisch weiter zu arbeiten.
In diesem Sinne wünsche ich euch allen schöne Projekte und Erfolge, falls dem allerdings nicht ist: Kopf hoch und weiter suchen, irgendwann findet man etwas und es kommen auch wieder Erfolge.
Bis zum nächsten Beitrag.
Nadine
Auf den Bildern könnt ihr einen kleinen Einblick darüber bekommen, wie es in meinem Abzug so aussieht. Von schönen farbenfrohen Reaktionen und missglückten Säulen ist alles dabei.
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