Mein Arbeitsalltag bei Brandon Bioscience

Hello hello,

da bin ich wieder mit einem neuen Bericht, diesmal über meinen Arbeitsalltag an einem kleinen biotechnologischen Unternehmen. Und passend zu ihrem Standort beschäftigt sich das Unternehmen Brandon Bioscience, bei dem ich als Praktikantin für ein Forschungsprojekt angestellt bin, mit Biostimulanzien aus Braunalgen, die hier an der Westküste von Irland zu Genüge rumschwimmen.

Um alle Bestandteile der Algen auf ihre potentielle Wirkung auf Nutzpflanzen untersuchen zu können, müssen hin und wieder Extraktionen der frisch gesammelten Algen vorgenommen werden, was mit einem ziemlich einprägenden Geruch nach vergammelten Seetang einhergeht. Egal was du dir jetzt für einen Geruch vorstellst, es ist mindestens noch zehnmal stärker in Wirklichkeit. Zum Glück kommt so etwas nicht jeden Tag vor, sodass normalerweise ein sehr gutes Arbeitsumfeld im Labor gegeben ist, welches ich, zusammen mit meinem Arbeitsalltag, im Folgenden noch näher beschreiben werde.

IT Tralee Südcampus - Haupteingang
Haupteingang zum Südcampus des IT Tralee und Sitz des Unternehmen Brandon Bioscience

Hier in Irland ist es, im Gegensatz zu Deutschland, normal erst ab 9 Uhr mit der Arbeit / Uni anzufangen. Da die Forscher in meiner Arbeitsgruppe eine nochmal andere Meinung dazu haben, ab wann das Gehirn voll leistungsfähig ist, muss ich sogar erst um 10 Uhr bei der Arbeit sein. Das ist für eine Nachteule wie mich natürlich von Vorteil. Allerdings bedeutet das auch, dass ich meistens erst so gegen 18 Uhr Feierabend habe (bei einer 35 Stunden Woche – abhängig von den geplanten Experimenten), was für die Wintermonate bedeutet, dass die Sonne schon untergegangen ist und man nicht mehr wirklich Zeit in Freizeitaktivitäten nach der Arbeit investiert. Das muss dann halt alles am Wochenende nachgeholt werden ;).

Die Labore hier wirken auf den ersten Blick um einiges chaotischer, im Vergleich zu den Laboren an deutschen Universitäten, in denen ich bis jetzt war. Der Laborleiter hat allerdings, beeindruckenderweise, trotzdem einen genauen Überblick über alles, was in seinem Labor passiert und man kann ihn jederzeit fragen, wenn man etwas nicht findet oder Probleme mit Geräten hat. Sollte er aber mal nicht zur Verfügung stehen, muss man sich auf eine etwas längere Suchzeit einstellen, bis man das gefunden hat, was man gerade braucht :D.

Mein Projekt hier dreht sich um die effiziente Aufreinigung und Produktion eines Enzyms aus einem marinen Bakterium, welches die Substanz Alginat aus Braunalgen spalten kann. Diese Spaltprodukte, sogenannte Oligomere, können dann in verschiedenen Bereichen industriell genutzt werden. Unter anderem als Biostimulanzien für Nutzpflanzen, aber auch im medizinischen Bereich zur Behandlung bestimmter Krankheiten. Mit Pflanzen oder Algen an sich hat mein Projekt also erstmal nichts zu tun, da meine Arbeit hier hauptsächlich molekularbiologisch ist. Ich bin also nochmal drumherum gekommen diese Algenpampe untersuchen und somit den ganzen Tag vor der Nase haben zu müssen :D. Allerdings hatte eine essentielle Sache für mein Projekt eine Lieferverzögerung von ganzen zwei Monaten, in denen ich nicht mit meinem Projekt anfangen konnte. In der Zeit konnte ich dann aber glücklicherweise neue Methoden erlernen, indem ich an dem Forschungsprojekt von einem der Post-Docs hier mitarbeiten durfte. Der Umgang mit dem hochkomplexen Gerät unten im Bild war zum Beispiel ein Teil davon ;).

Ein Instrument, das ein Post-Doc hier für sein Projekt des öfteren zum Zerkleinern von Pflanzenmaterial benutzt – ihr seht also, vor allem mit kleinem Budget kommt es in einem Labor auch oft auf Kreativität und Praktikabilität an, sodass anstelle der teuersten Geräte so etwas wie ein Akkuschrauber und auch eine Mikrowelle vollkommen ausreichend sind

Was auch ziemlich cool ist und was ich bis jetzt noch nicht so hatte, ist, dass ich sehr selbstständig an meinem Projekt arbeiten darf. Ich habe zwar Vorgaben von meinem Betreuer und kann bei Unklarheiten und Fragen auch jederzeit auf ihn zurückkommen, aber ansonsten habe ich schon das Gefühl meine eigenen Entscheidungen treffen zu können. Leider läuft in der Forschung nicht immer alles rund und so wie es schon mit der Verspätung der einen wichtigen Sache anfing, ging es auch mit immer mehr Niederlagen und Misserfolgen für mich weiter. Viele davon, zumindest aus meiner Sicht und der meiner Kollegen hier, unerklärlich. Aber eine hohe Frustrationsgrenze muss man in diesem Job sowieso mitbringen (oder halt irgendwann aufbauen), da Experimente äußerst selten beim ersten Versuch funktionieren und manchmal eben auch, wie in meinem Fall, immer noch nicht beim 100sten. Die Natur macht nunmal was sie will und viele Dinge in der Biologie sind nur bis zu einem bestimmten Grad berechenbar und bleiben manchmal einfach unerklärlich. Auch wenn ich bis jetzt keine positiven Ergebnisse in meinem Projekt erzielen konnte und nach über 5 Monaten immer noch nicht über den ersten Teil der Zielsetzung hinaus gekommen bin, habe ich doch viel gelernt, vor allem was die Selbstorganisation und Eigenständigkeit im Labor, den Umgang mit Misserfolgen und das Hinterfragen von Gegebenheiten angeht.

Mein Arbeitsplatz im Labor mit Spitzenkästen fürs Pipettieren, Pipetten, einem Eppi-Halter und Reagenzgläsern

Ich habe hier sowohl im Labor als auch im Büro meinen eigenen Arbeitsplatz, was zum einen sehr praktisch ist und mir zum anderen auch das Gefühl gibt, ein vollwertiges Mitglied der Arbeitsgruppe zu sein. Die beiden Arbeitsplätze liegen allerdings in zwei unterschiedlichen Gebäuden am Südcampus der Universität und sind durch einen kurzen Weg an der frischen Luft verbunden. Da die Inkubations- und Wartezeiten zwischen Experimenten im Labor natürlich für Recherche und das Vorbereiten der Abschlusspräsentation genutzt werden und kein Blogeintrag über das Leben in Irland ohne die Erwähnung von Regen bleiben darf, wird man beim ständigen hin- und herwechseln zwischen den Arbeitsplätzen (ca. zehnmal am Tag) nicht nur durch die frische Luft wieder wach, sondern auch des öfteren mal durch Regen. In solchen Fällen sind dann auch gute Strategien gefragt die Pfützen, die zwischen dir und deinem Ziel liegen, möglichst ohne nass zu werden zu umgehen.

Hier im Bild zu sehen ist der kurze Weg vom Labor zum Büro, nachdem es mal wieder geregnet hat – hätte ich mich beim Weitspringen im Leichtathletik-Unterricht früher mal mehr angestrengt…

Mit meinen Arbeitskollegen verstehe ich mich zum Glück sehr gut. So gehen wir zum Beispiel immer zusammen in der Kantine Mittagessen und auch am Wochenende manchmal in den ein oder anderen der 80 Pubs in Tralee. Mir bleibt jetzt noch eine gute Woche mit meiner Arbeitsgruppe und meinem Projekt hier und ich werde die Zeit, die mir hier noch bleibt, trotz der vielen Misserfolge, weiterhin genießen. Am 17. März ist hier St. Patricks Day, auf den ich schon sehr gespannt bin und den ich in der Hauptstadt Dublin verbringen werde!

Ein Inkubator – den benutze ich regelmässig um meine Bakterien bei ihrer Wohlfühltemperatur wachsen zu lassen
Draußen steht ein Stickstoff-Tank, an dem man sich bei Bedarf flüssigen Stickstoff mit einer Temperatur von ca. – 200°C zum Schockfrosten von Material holen kann
Laborkittel sind hier in allen Laboren Pflicht, sie werden vorm Eintreten angezogen und beim Verlassen des Labors wieder ausgezogen
Das Gebäude in dem sich das Büro und somit der zweite Arbeitsplatz meiner Kollegen und mir befindet
Auf dieser großen Grünfläche hinter dem Südcampus-Gebäude finden regelmäßig Feldversuche an Nutzpflanzen statt

Sláinte und bis zum nächsten Mal für ein Fazit zu meinem sechsmonatigen Auslandspraktikum

Merle

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