Darum Heworth! – eine kleine Darstellung meiner täglichen Aufgaben

Hallo alle miteinander,

nachdem ich überlegt hatte, ob ich mindestens drei Monate (aufgrund meines Englisch-Studiums)  an einer Universität oder an einem Arbeitsplatz verbringen sollte, entschied ich mich für einen Arbeitsplatz, da meine Erfahrung mit Erasmus-Studenten war, dass sie das Leben und die Kultur des Landes nicht vollständig erleben können, weil sie immer von anderen Erasmus-Studenten umgeben sind. Da man sich deswegen nicht zwangsweise in die Kultur des Gastlandes einfügen muss, kann man diese meiner Meinung nach in so einem Falle nicht vollständig erleben. Der Grund für ein Praktikum an einer Grundschule wurde davon beeinflusst, Lehrer werden zu wollen.

Bei meinem Praktikum an der Heworth Church of England (CE) Primary School verbringe ich 35 Stunden wöchentlich in der Schule. Die Schulzeit beginnt offiziell um 8:30 Uhr morgens und endet um 15:30 Uhr mit einer 45 minütigen Mittagspause. Der Unterricht nach der Mittagspause beginnt zu wechselnden Zeiten, da der Saal, der täglich von einem freien Klassenzimmer für Musik- oder Kunstunterricht zu einer Cafeteria wechselt, auch als Speisesaal fungiert. Darüber hinaus ist es ein Raum für kollektiven Gottesdienst jeden Montagnachmittag und die Schulversammlung jeden Freitagmorgen, in der unterschiedliche wöchentliche Preise an leistungsstarke oder anderweitig vorbildliche SchülerInnen vergeben werden. Zu den Grundwerten der CE-Schule gehören „Mitgefühl“ (auch „Vertrauen“, „Ausdauer“ und „Vergebung“). Christliche Werte und vorbildliches gutes Verhalten sollen durch diesen Fokus bei den Versammlungen gewürdigt werden. Der Stundenplan eines Praktikanten variiert im Laufe einer Woche stark – bei anderen war es auch schon anders. Ich verbringe die meiste Zeit in Klasse 2 (montags und mittwochs) und Klasse 1 (dienstags). Donnerstage und Freitage verbringe ich in Klasse 4 und 5 – manchmal in Klasse 1 oder 2, wenn zwei zusätzliche Hände benötigt werden. Da die Schule normalerweise drei Praktikanten anstatt von nur einem hat, werde ich gebeten, die PraktikantInnenarbeit von drei Personen in verschiedenen Klassen abzuarbeiten. Laut meiner Praktikumsbescheinigung, die ich vor dem Praktikum bekam, sollte ich das „Lernen in kleinen Gruppen“ moderieren, was zum Beispiel montags bis donnerstags in der ersten 15-minütigen Lektion mit einer Gruppe von 2-5 SchülerInnen passiert. Außerdem gehören die „Unterrichtsvorbereitungen“, die hauptsächlich daraus bestehen, dass Papiere ausgeschnitten und Arbeitsblätter in die Arbeitsbücher der Kinder geklebt werden, und das Begleiten von „Schulausflügen“ – zum Beispiel der wöchentliche Ausflug zu einer „Waldschule“ (einer befreundeten Schule, die einige Bäume in ihrem Besitz hat) – zu meinen Aufgaben. Das Schulgelände, auf dem die Kinder die Natur und den „Wald“ erleben können und die Unterstützung der Kollegen „als zusätzlicher Erwachsener nach Bedarf“ waren meine Hauptaufgaben. Dies ist auch der Grund warum ich die Klassen 4 und 5 besuche, weil deren Lehrassistent an diesen Tagen der Woche nicht arbeitet und dadurch der Lehrer einen Ersatz braucht. Eine eigene Unterrichtsplanung und eigener Unterricht ist daher in meinem Fall nicht möglich, da alle Lehrer Hilfe in verschiedenen Bereichen benötigen (bei mehr PraktikantInnen war dies in der Vergangenheit aber trotzdem möglich). 

Exkurs: Lehrertätigkeit in Großbritannien

Im Allgemeinen müssen in Großbritannien alle Klassen von einem Lehrer unterrichtet werden (der mehrere Fächer und / oder Didaktik studiert hat) und optional von einem Lehrassistenten (einer Person, die möglicherweise ein Fach studiert hat und angestellt ist oder ungelernt ehrenamtlich arbeitet) begleitet werden, der beispielsweise Kinder mit geringeren Fähigkeiten beim Lesen und Schreiben hilft, aber auch bei anderen trivialen Lernaktivitäten wie Kleben und Ausschneiden zur Seite steht. 

Nicht täglich aber häufig sollte ich eine Intervention oder kleine Lesesitzung durchführen, in der ich das Vorlesen der SchülerInnen begleite und sie beim „Sounding the words out“ unterstützte (ein gebräuchlicher Begriff in dieser Schule, um den Prozess des Zusammenfügens mehrerer Buchstaben und den Aufbau eines Wortes aus Buchstaben zu beschreiben). Da Lesen und Schreiben die wichtigsten Kompetenzen sind, die ein Kind in den ersten Jahren erwerben muss, liegt der Schwerpunkt des Lehrers häufig darauf, diese Fähigkeiten zu vermitteln und zu versuchen, die individuelle Lernzeit mit einem Lehrerassistenten oder Praktikanten zu maximieren, um die Chance auf eine positive akademische Entwicklung des Kindes zu erhöhen. Die Bücher, die die Kinder lesen, bauen aufeinander auf, was bedeutet, dass Kinder der ersten Klasse anfangen, Bücher zu lesen, in denen verschiedene „Sounds“ eingeführt und geübt werden. Bei diesen ist die Syntax eines Satzes mit maximal fünf Wörtern oft noch sehr einfach. Kompetentere Leser werden gebeten, Bücher zu lesen, die sich nicht auf bestimmte „Sounds“ konzentrieren, sondern auf verschiedene Themen, weil man versucht, den Kindern zu helfen, ein größeres aktives Vokabular im Bezug auf verschiedenen Themen aufzubauen (z.B. Superhelden, Autos, Natur, Tiere, …). Auch die Textarten (Kurzgeschichten, Cartoons, Sachgeschichten, Gedichte usw.) ändern sich monatlich, da sich Kinder an eine Vielzahl literarischer Gattungen und Themen gewöhnen sollen. 

Exkurs: Sicherheit in der Schule

An meinem Arbeitsplatz wird die Sicherheit der SchülerInnen nicht nur durch Überwachungskameras in jedem Raum des Gebäudes mit Ausnahme der Toiletten gewährleistet, sondern auch durch strenge Richtlinien zum Schutz des emotionalen und körperlichen Wohlbefindens der Kinder. Das meiste davon steht im Mitarbeiterhandbuch, das von jedem Mitarbeiter, Praktikanten oder Besucher der Schule zu befolgen ist. Um die Hauptanliegen der Broschüre und des Schulleiters zusammenzufassen, muss man verstehen, dass jeder „körperliche Kontakt mit einem Kind oder Jugendlichen […] falsch interpretiert werden kann […], egal wie gut er gemeint“ war. Deshalb wird darum gebeten, diesen auf ein Minimum zu reduzieren – obwohl jeder, der mit Kindern arbeitet, weiß, dass es nicht immer möglich ist, wenn sie in verschiedenen Situationen des Schullebens Trost (auch körperlich durch einfache Umarmung oder an die Beine klammern) suchen. Wenn sich Kinder während des Spielens verletzen, muss der Mitarbeiter, der den Schulhof überwacht, die Verletzung dokumentieren. Sobald eine Verletzung „über Schulterhöhe“ (Hals und Kopf) liegt, müssen „die Eltern sofort informiert werden“. Im Falle einer schweren Verletzung sollen sich die „ausgebildeten pädiatrischen Ersthelfer“ um das Kind kümmern. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist das Fotografieren in der Schule, was aufgrund der Unterrichtsziele und der Dokumentation der Schülerarbeit häufig erforderlich ist. Die Mitarbeiter  werden gebeten, die Verwendung von Schultablets oder Digitalkameras anstelle von privaten Mobiltelefonen zu bevorzugen. Wenn solche verwendet werden, wird man gebeten, die Fotos sofort nach dem Senden an die Schulverwaltung zu löschen. Weitere wichtige Vorschriften sind beispielsweise Regeln für Heißgetränke, die sich „in einer Tasse mit Deckel“ befinden sollen. Außerdem soll die Kleidung des Personals die Professionalität des Berufes widerspiegeln und als Vorbild dienen, um sicherzustellen, dass die Kleidung des Lehrers auch an heißen Sommertagen keine bestimmte Grenze in Bezug auf „zu leicht gekleidet“ überschreitet. Um sicherzustellen, dass niemand das Gebäude betritt der nicht dazu befugt ist, muss jeder Mitarbeiter überall und jederzeit im Schulgebäude einen Schlüsselbund tragen. Dieser enthält eine kleine Zusammenfassung der wichtigsten Sicherheits- und Kinderschutzvorschriften und klassifiziert die Person, die ihn trägt. Rote Schlüsselbunde werden von „Besuchern, die kein DBS-Zertifikat vorlegen können“ getragen, während weiße Schlüsselbund-Besucher „ein DBS-Zertifikat vorlegen“ können und sich daher unbegleitet im Gebäude bewegen dürfen (einschließlich  der Praktikanten unserer Universität). Mitarbeiter tragen ein blaues Schlüsselband.

„Kultur“ oder Kultur (im Sinne der Kulturwissenschaft “culture“ und “Culture“ sind in dieser Schule wohl so reichlich vorhanden wie es nur sein könnte. Der christliche Hintergrund hat großen Einfluss darauf, wie sich Kinder untereinander verhalten und wie Lehrer ihren Unterricht planen und durchführen sollen. Die Grundwerte der Schule spielen eine Rolle im Schulleben und so kann man sich beim Befolgen „Hauspunkte“ verdienen, eine Möglichkeit, Kindern zu zeigen, außer ihnen zu sagen, dass ihr Verhalten vorbildlich war. Außerdem gilt die Maxime, dass kein Kind zurückgelassen werden darf, was bedeutet, dass die Schule als Vorbild für die Kinder fungiert, um später in der Gesellschaft zu handeln. Darüber hinaus zeigt sich in der Auswahl der Bücher eine offene Herangehensweise an die Kultur, die thematisch und genremäßig sehr unterschiedlich ist und sicherstellt, dass jedes Kind so viel wie möglich erlebt. Außerdem fällt auf, lässt sich sagen, dass durch Videoüberwachung  in Großbritannien viel mehr Überwachung stattfindet als in Deutschland. Außerdem ist der Schutz (hier wird manchmal von „overprotection“ gesprochen) von Kindern im Vergleich zu meiner EOP-Praktikumsschule intensiver.

Ich hoffe der Eintrag über meinen Alltag an der Heworth CE Primary School hat euch weiterhelfen können. Da ich aus Gründen des Datenschutzes hier keine Bilder veröffenlichen wollte, finden sich auch keine in meinem Beitrag. Wer Bilder des Schullebens an der Heworth Church of England (CE) Primary School sucht, findet sie unter diesen Adressen:

https://www.heworth.york.sch.uk 

https://www.facebook.com/heworthceprimary/ (teils tägliche Updates)

Beste Grüße aus York, 

Jan-Philipp

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.