Seit sechs Wochen wohne, arbeite und lebe ich schon in São Paulo! Die Zeit vergeht so schnell! Im Rahmen meines Masterstudiums in Psychologie mache ich gerade ein Forschungspraktikum in einer Arbeitsgruppe in der Psychiatrie des Hospital das Clínicas.
Obwohl ich die Stadt schon als Touri ausgiebig kennenlernen konnte, stand ich doch vor einigen Herausforderungen, als es plötzlich darum ging, eine Wohnung zu finden oder einen Handyvertrag abzuschließen.
Aaaaaaber – bisher habe ich überlebt und ich bin sehr zuversichtlich, dass weiterhin alles gut gehen wird! Vai dar certo 😉
Folgende Dinge habe in diesen ersten Wochen gelernt:
- Es regnet seeeeeehr viel! Normalerweise eher nachmittags oder abends, aber in den letzten Wochen hat es oft auch den ganzen Tag geschüttet, sodass sich mein Münsteraner Regenmantel als sehr hilfreich erwiesen hat (Ich weiß nicht, was genau ich mir gedacht habe, als ich zuhause beim Kofferpacken entschieden habe, dass ich keinen Regenschirm brauchen werde…). Bei starkem Regen sollte man darauf eingestellt sein, dass mal der Strom ausfällt, Straßen überfluten oder auch Wasser über den Innenhof ins Haus reinkommt (ich spreche aus Erfahrung…).
- Als Fußgänger sollte man absolut aufmerksam unterwegs sein (besonders wenn es regnet)! Fußgängerampeln sind eher eine Seltenheit, deshalb musste ich mich erstmal mit dem System vertraut machen, die Auto-Ampeln zu lesen, um zu wissen, wann ich sicher über die Straße gehen kann. Es ist empfehlenswert, zunächst die Einheimischen zu beobachten, bevor man sich selbst heranwagt…Ich musste aber auch feststellen, dass dieses waghalsige Straßenüberqueren wohl sehr paulista ist, denn als ich eine Freundin in Belo Horizonte besucht habe, und im perfekt abgepassten Moment über die Straße gerannt bin, stand sie brav an der Ampel, wartete auf Grün und lachte mich aus…
- Auch auf dem Bürgersteig sollte man sich nicht dazu verleiten lassen, unachtsam zu werden, denn jederzeit können Stufen, Löcher oder Sonstiges auftauchen oder der Boden kann bei Regen unglaublich rutschig werden.. Insgesamt habe ich mich damit abgefunden, dass ich nicht so schnell zu Fuß unterwegs sein kann, wie ich es normalerweise gewöhnt bin, aber das ist ok…
- Die Metro ist super! Alle 2-3 Minuten kommt eine Bahn und man muss nie lange
warten! Zur Rush Hour ist es natürlich schön voll, aber wenn man seinen Rucksack vor dem Körper trägt, sein Handy sicher im Hosenbund verstaut und sich gut festhält, kann eigentlich nichts schief gehen. Ich würde empfehlen, sich ein Bilhete Unico Comum zuzulegen, wenn man regelmäßig Metro fährt. Es funktioniert wie ein Prepaid-Ticket. Man lädt Geld darauf und muss am Drehkreuz nur seine Karte an den Sensor halten. Der Preis pro Fahrt ist der Gleiche wie die einzelnen Tickets, aber man muss nicht dauernd neue Tickets am Schalter kaufen! Dummerweise ist die Karte aber nur an ausgewählten Stellen zu bekommen. Ich hatte das Glück, dass ein Freund ein Ticket übrig hatte und es mir geschenkt hat!
- Ein Leben ohne CPF ist kompliziert... CPF steht für Cadastro de Pessoas Físicas und ist eine Steuernummer, die jeder Brasilianer hat. An der Kasse im Supermarkt ist es noch einfach, „CPF na nota?“ (CPF auf den Kassenbon?) freundlich abzulehnen, aber ein Handyvertrag lässt sich ohne die Nummer zum Beispiel nicht abschließen (Wieder ein Hoch auf meine brasilianischen Freunde – meine Freundin hat den Vertrag in ihrem Namen unterschrieben…). Außerdem funktioniert Online-Shopping nicht so gut, seien es Klamotten oder aber Flüge/Bustickets… Bei Letzterem ist es besonders ärgerlich. Deshalb steht bei mir immer noch ganz oben auf der To-Do-Liste, dass ich mir eine CPF-Nummer zulege. Das ist nämlich wohl auch als Ausländer gar nicht so schwer und es lohnt sich alle Male! Ich werde auf jeden Fall darüber berichten, wenn ich es geschafft habe.
- Insider-Tipp: Bandejão! Ich kannte es vorher eher unter RU/Restaurante Universitário, aber
all dies bedeutet Mensa! „Vamos bandejar?“ wird man als Student wohl häufig gefragt und bei einem Preis von R$2 pro Essen (umgerechnet ca. 0,50€!!) muss man bei der Antwort auch nicht lange zögern. Erstaunlicherweise gibt es sogar eine vegetarische Option (Brasilien ist nicht unbedingt das vegetarier-freundlichste Land…)! Als Vegetarier kann man in der Mensa also jeden Tag eine andere Form von PVT (Proteína Vegetal Texturizada) kennenlernen, eine Art Sojafleisch, yeah. Ab und zu gönne ich mir doch mal ein Mittagessen auswärts.
- Durchhaltevermögen bei der Wohnungssuche… Ich kannte schon einige Brasilianer hier in SP und bin deshalb recht gelassen angekommen, weil ich mir durch die Kontakte erhofft hatte, schnell eine Bleibe zu finden. Leider ist es bei den Brasilianern nicht sooo üblich in WGs zu wohnen wie bei uns in Deutschland, wo wir mit wg-gesucht doch recht verwöhnt sind. Es gibt jedoch einige Gruppen bei facebook, in die es sich lohnt, einzutreten. Letztendlich bin ich fündig geworden, weil ich an der Rezeption einiger Unis (ESPM, Belas Artes) nach Wohnungsanzeigen gefragt habe und sie mir eine lange Liste mit vielen Telefonnummern in die Hand gedrückt haben!
So sind die ersten 6 Wochen schon vorbei und haben viele schöne Erfahrungen mit sich gebracht! Neben der Arbeit im Forschungsinstitut an der Uni finde ich zum Glück noch Zeit um ab und zu einen Kaffee in einem der coolen Cafés der Stadt zu trinken, ich war schon ein Wochenende am Meer (hier kann ich Maresias an der Nordküste von São Paulo nur empfehlen!), habe Karneval in Ouro Preto in Minas Gerais verbracht und mich ansonsten durch den Großstadtdschungel von Sampa geschlagen 😉
PS. Für die, die es brennend interessiert: Politische Unterhaltungen ergeben sich recht wenig, aber ich habe schon Leute von „beiden Seiten“ kennengelernt, die ihre Standpunkte vehement verteidigen. Insgesamt merke ich im Alltag wenig von der neuen Regierung, wenn ich es mit meiner Zeit in Brasilien 2017 vergleiche…
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