Auslandssemester in Großbritannien – die Praktikumsschule und mein Alltag

Langsam neigt sich meine Zeit hier in England dem Ende entgegen, weshalb ich Euch heute ein bisschen von meiner Praktikumsschule und meinem Praktikumsalltag berichten möchte.

Erst einmal: wie habe ich die Schule gefunden und warum habe ich mich für diese Schule entschieden?

Als es mit der Planung für das Auslandssemester losging, wusste ich sofort, dass ich gerne ein Praktikum an einer Schule machen würde, statt an einer Uni zu studieren. Einmal, weil ich es spannend finde, andere Schulsysteme kennenzulernen und zu beobachten, wie die Lehrer:innen hier arbeiten und unterrichten. Außerdem fand ich, dass es eine gute Möglichkeit ist, weitere Praxiserfahrungen zu sammeln und meine Sprachkenntnisse durch die Interaktion mit den Lehrer:innen und Schüler:innen zu verbessern.

Auf der Internetseite des Zentrums für Lehrerbildung der WWU (https://www.uni-muenster.de/Lehrerbildung/lehramtsstudium/international/partnerschulen.html) habe ich mich dann über die Partnerschulen informiert und fand vor allem die Judith Kerr Primary School (JKPS) in London sehr interessant, da die Kinder hier ab der Einschulung Deutsch als zweite Sprache lernen. Die Freude über die Zusage war dann natürlich sehr groß und ich war sehr gespannt darauf die Schule kennenzulernen.

Wie sieht das Schulsystem aus und was sind meine Aufgaben an der JKPS?

In England werden die Kinder früher eingeschult als in Deutschland, nämlich in dem Jahr, in dem sie 5 Jahre alt werden. Das heißt, dass manche Kinder also erst 4 sind, wenn sie in die Schule gehen. Sie kommen dann in die Reception Class, wo noch sehr viel gespielt wird und die meisten Inhalte auf eine spielerische Art vermittelt werden. Danach kommen sie ins Year 1 und wechseln dann erst nach Year 6 auf die Secondary School. Insgesamt sind sie also sieben Jahre an der Primary School. Hier an der JKPS gibt es für jede Jahrgangsstufe zwei Klassen und wir deutschen „Interns“ wurden jeweils einer Klasse zugeteilt, die wir über die ganzen drei Monate begleiten. Ich bin in Year 2, wo die Kinder zwischen 6 und 7 Jahre alt sind und jetzt das dritte Jahr in die Schule gehen.

Ein Schultag an der JKPS beginnt etwas später als in Deutschland. Die Kinder werden zwischen 8.45 Uhr und 9 Uhr von ihren Eltern zur Schule gebracht und zwischen 9.05 und 9.10 Uhr fängt dann der Unterricht an. Bis alle Kinder da sind und wir mit der Stunde beginnen, haben wir „reading time“. Während dieser Zeit sitzen die Schüler:innen leise an ihren Tischen und lesen. Meine Aufgabe während dieser Zeit ist es, mit einzelnen Schüler:innen gemeinsam zu lesen, denn in den unteren Klassen muss jedes Kind mindestens ein Mal in der Woche einem Erwachsenen (Lehrer, Praktikant oder Teaching Assistant) vorlesen, damit ihr Fortschritt festgehalten wird und besonders die schwächeren Leser:innen gefördert werden können.

Vormittags haben wir dann immer erst Mathe und danach Englisch, mit einer kurzen Frühstückspause zwischendurch. Vor der Mittagspause machen wir dann noch eine halbe Stunde Phonics. Hier wird in jeder Stunde ein anderer Laut der englischen Sprache thematisiert und anhand von Beispielwörtern und Sätzen sollen die Kinder ihre Aussprache, Rechtschreibung und Handschrift verbessern. Gerade in meiner Jahrgangsstufe konnte ich beobachten, dass dieses Fach sehr wichtig ist, denn es gibt einige Kinder, die ihre eigene Schrift nicht lesen können und sie schreiben die Wörter meistens nach Gehör.
Meine Aufgabe während des Vormittags ist hauptsächlich, die Kinder bei der Erledigung ihrer Aufgaben zu unterstützen und wenn nötig einzelne Inhalte noch einmal zu erklären. Hier ist es definitiv ein Vorteil, dass ich immer in der gleichen Klasse bin, denn so konnte ich die Schüler:innen sehr schnell kennenlernen und wusste schon nach ein paar Tagen, welches Kind in welchem Fach Unterstützung benötigt und konnte meine Hilfe gezielt anbieten.

Von 12.15 Uhr bis 13 Uhr haben wir dann eine Mittagspause und der Nachmittagsunterricht wechselt zwischen den Fächern Sachunterricht, Religion oder PSHE (Personal, Social, Health and Economic education). In dieser Zeit beobachte ich meistens einfach den Unterricht und biete auch hier meine Hilfe an, wenn die Kinder Aufgaben erledigen müssen. Oft bereite ich aber auch schon die Unterrichtsmaterialien für den nächsten Tag vor, denn die Kinder haben hier keine Schulbücher und Arbeitshefte, sondern bekommen für alle Fächer Arbeitsblätter, die ich dann ausdrucke, zuschneide und in ihre Hefte klebe.

Um 15.20 Uhr ist dann der Schultag zu Ende und die Kinder werden von ihren Eltern abgeholt. Viele Kinder bleiben aber noch für die Clubs in der Schule. Diese Clubs sind wie AGs und sind besonders für die Eltern, die lange arbeiten müssen, eine große Unterstützung. Jeden Tag gibt es andere Clubs und die Bandbreite reicht von Sportclubs bis hin zum Kochclub, Schachclub oder Kunstclub. Es gibt auch Deutschclubs, die wir Praktikant:innen mit einer der Deutschlehrkräfte betreuen. In den Clubs wird natürlich kein Unterricht mehr gemacht, sondern wir spielen meistens Spiele, lesen oder basteln – aber natürlich alles auf Deutsch! 😉

Diese Clubs dauern bis 16.30 und wer dann immer noch nicht abgeholt werden kann, geht noch in den After School Club, der bis 17.45 Uhr dauert. Ihr seht also, dass so ein Schultag an der JKPS ganz schön lang sein kann. Ich war am Anfang sehr erstaunt, dass die Kinder in dem Alter schon so lange in der Schule sind und sich auch so lange konzentrieren müssen (wobei man natürlich gerade nach der Mittagspause doch merken kann, dass die Konzentration nachlässt, was ich aber auch total verstehen kann).

Mein Highlight der Woche sind immer die zwei Deutschstunden am Mittwoch und Freitag. Die Klassen werden im Deutschunterricht immer in die Gruppen „Learner“ und „Speaker“ aufgeteilt. Die Learner sind die Kinder, die noch gar kein Deutsch können und die Speaker sind diejenigen, die entweder sehr gut in Deutsch sind und schnell lernen, oder die einen deutschen Elternteil haben und auch Zuhause Deutsch sprechen. Es gibt tatsächlich sehr viele Kinder an der JKPS, die fließend Deutsch sprechen und aus einer deutsch-englischen oder zum Teil auch komplett deutschen Familie kommen. Den Deutschunterricht für die Learner kann man sich ungefähr so vorstellen, wie den Englischunterricht in der Grundschule in Deutschland. Es ist alles recht spielerisch, wir singen viele deutsche Lieder und machen kleinere, leichte Aufgaben in den Arbeitsheften. Hier liegt der Fokus insgesamt vor allem darauf, dass die Kinder Deutsch hören und selbst sprechen. Es ist also ein sehr interaktiver Unterricht. Die Speaker hingegen arbeiten auch zum Teil schon an ihrer Grammatik und Rechtschreibung und lernen auch auf Deutsch zu lesen. Am Ende des Year 6, also bevor sie zur Secondary School wechseln, nehmen die Schüler:innen an den A1- und A2-Prüfungen des Goethe Instituts teil.

Wir Praktikant:innen arbeiten sehr eng mit den Deutschlehrer:innen an der JKPS zusammen und bekommen regelmäßig die Möglichkeit, selbst Stunden vorzubereiten und durchzuführen. Das hat mir bisher immer sehr viel Spaß gemacht und ich finde es sehr herausfordernd, den Schüler:innen meine Muttersprache beizubringen und die Materialien für den Unterricht vorzubereiten, sodass die Kinder einerseits alles verstehen, aber auch angemessen gefordert sind und das, was sie gelernt haben, auch behalten. Außerdem ist es eine tolle Möglichkeit, selbst zu unterrichten und mit den verschiedensten Situationen (Stichwort Unterrichtsstörung) umgehen zu müssen.

Insgesamt gefällt mir das Praktikum bisher sehr gut und ich bin immer wieder überrascht, wie schnell die Wochen hier vergangen sind. Es sind jetzt noch zwei Wochen, bis ich wieder nach Hause fliege und ich werde die Zeit hier bestimmt vermissen.

Wenn ich wieder in Deutschland bin, melde ich mich noch einmal mit meinem Fazit zum Praktikum, aber ich kann jetzt schon sagen, dass es eine sehr schöne Zeit war, in der ich viele Erfahrungen sammeln konnte.

Viele Grüße aus London! 🇬🇧

Anna

 

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