Es ist nun schon mehr als die Hälfte meines zweimonatigen Forschungspraktikums im Fach Biowissenschaften an der Universität von St Andrews vergangen. In diesem Artikel möchte ich weniger auf die Stadt St Andrews an sich, sondern mehr auf meinen Studienalltag und meine Tätigkeiten an der Uni von St Andrews eingehen.
Es wird hier generell zwischen Undergraduates (Bachelor-Studenten) und Graduates (Master- und PhD-Studenten) unterschieden. Ein Bachelorstudium an der Uni St Andrews ist ähnlich aufgebaut wie eines an der WWU Münster. Für Biologie beispielsweise besucht man einige Vorlesungen und Kurse, die obligatorisch sind (Grundlagen der Biologie, Chemie, Physik, Mathe etc.), und kann dann aus einem Wahlpflichtprogramm wählen, um sich zu spezialisieren. Ein großer Unterschied ist, dass Bachelorstudiengänge hier vier Jahre dauern. Neben den Studienveranstaltungen gibt es viele Partys und Events für Undergrads, an denen Studenten aus allen Fachrichtungen teilnehmen. Diese finden Mittwoch abends oder am Wochenende in der Union, dem Veranstaltungsort der Students‘ Association, statt.
Studiert man in einem Master- oder PhD-Programm entscheidet man sich für eine Arbeitsgruppe, mit der man dann eng assoziiert ist, und an dessen Forschungsprojekten man aktiv mitarbeitet. Deshalb unternehmen die Graduate-Studenten auch mehr mit den Mitarbeitern der Arbeitsgruppe (incl. Post-Docs und Profs) als mit den Undergrads. Zu den Spezifikationen der Masterprogramme kann ich nicht viel sagen, weil ich ja nur für ein kurzes Forschungsprojekt hier bin. Masterprogramme dauern allerdings nur ein Jahr, sodass man mit Bachelor und Master wie in Deutschland auf fünf Jahre Regelstudienzeit kommt. Im folgenden gebe ich einen kleinen Einblick in mein Projekt und den Alltag als Gaststudent an der Universität St Andrews.
Während meines Bachelors und ersten Mastersemesters habe ich mich hautsächlich auf die experimentelle Evolutionsbiologie spezilisiert. Da ich allerdings auch zwei Semester Mathestudium hinter mir habe, stellte ich mir oft die Frage, ob die theoretische Biologie (Modellierung etc.) interessant für mich wäre. Ich dachte mir, dass ein Forschungsmodul im Master die perfekte Gelegenheit wäre, die Frage für mich zu beantworten. So schrieb ich zwei Arbeitsgruppen mit theoretischem Forschungsschwerpunkt per Mail an, und beide sagten mir zu. Ich habe mich dann für die Gruppe hier in St Andrews entschieden. Ich kann nur jedem empfehlen bei Interesse an Praktika die entsprechenden Arbeitsgruppen einfach anzuschreiben. Meiner Erfahrung nach nehmen die meisten gerne Gaststudenten auf.
Mein Projekt besteht darin eine fehlerhafte Publikation mit einem Modell zur Evolution von sozialem Verhalten in Insekten zu überarbeiten. Das beinhaltet die Korrektur des Modells (oder der Vorschlag eines alternativen Modells), den Vergleich unserer Ergebnisse mit denen des alten Modells, eine Recherche der zitierenden Literatur und ob diese auf fehlerhaften Schlussfolgerungen aufbaut sowie die Veröffentlichungen der Arbeit. Ich arbeite dafür eng mit einem der Post-Docs in der Gruppe zusammen. Ich bin meist zwei bis drei Tage die Woche in meinem Büro im Centre for Evolution, Genes and Genomics, um mich mit meinem Supervisor zu beraten. Den Rest der Woche arbeite ich von zuhause aus, weil ich dazu nur meinen Laptop benötige. Die übrigen AG-Mitglieder sehe ich in der Regel nur bei den Meetings (manchmal jedoch auch in der täglichen Kaffeepause), da viele von Ihnen entweder in anderen Büros sitzen oder auch von zuhause aus arbeiten. Bei den AG-Meetings, die immer mittwochs stattfinden, präsentiert entweder einer der Teilnehmer vorläufige Ergebnisse, um Vorschläge der anderen Mitglieder einzuholen, oder es wird über arbeitsgruppenfremde Publikationen gesprochen (Paper oder Buchkapitel). Neben diesen Meetings gibt es auch noch diverse Vortragsreihen, an denen man bei Interesse teilnehmen kann. Da die Universität in der ganzen Stadt zerstreut ist und ich in einem Gebäude sitze, in dem nur einige wenige AGs untergebracht sind, gibt es keine Mensa in der Nähe. Viele bringen Ihr Mittagessen selbst mit oder gehen in Restaurants in der Stadt. Neben den zahlreichen Freizeitangeboten der Universität (Unisport) gibt es viele Aktivitäten, die von den Graduates selbst organisiert werden. An diesen nehmen Leute der gesamten School of Biology teil und es ist auch kein Problem Freunde mitzunehmen. So treffen wir uns z.B. montags zum Floor Hockey und mittwochs für Dungeons and Dragons.
Noch ein paar Worte zum Ruf der Uni: Die Universität St Andrews wird generell als Eliteuniversität bezeichnet und ist in Rankings nach Oxford und Cambridge häufig auf Platz 3 der besten Britischen Universitäten (vor allem im Bereich Naturwissenschaften). Nach mehr als einem Monat in St Andrews kann ich allerdings sagen, dass man diesen Ruf als Eliteuniversität nicht wirklich wahrnimmt. Die Arbeitsatmosphäre ist entspannt und sehr angenehm. Auch bezüglich Ausstattung und Arbeitsmoral habe ich keinen großen Unterschied zur biologischen Fakultät der WWU festgestellt. Ein großer Unterschied bleiben jedoch die hohen Studiengebühren, die Bachelor- und Master-Studenten zahlen müssen (umgerechnet ca. 10.000 € pro Jahr). Für das Forschungspraktikum musste ich glücklicherweise keine Gebühren zahlen.
Cheers, Tobi