Irene Joliot Curie 90 130 Irène Joliot-Curie
(1897-1956)

Irène Curie kam im Jahre 1897 als erste Tochter der berühmten zweifachen Nobelpreisträgerin Marie Curie und Pierre Curie, der ebenfalls Physiker und Nobelpreisträger war, in Paris zur Welt.

In ihrer frühen Kindheit wurde sie häufig liebevoll von ihrem Großvater betreut, der für sie zu einer wichtigen Bezugsperson wurde. So war es ihrer Mutter möglich, ihre Doktorarbeit über radioaktive Stoffe zu Ende zu bringen und sich weiterhin der Forschung zu widmen, da sie ihre Tochter in guten Händen wusste.

Nach dem tödlichen Verkehrsunfall von Irènes Vater im Jahr 1906 und nach dem Tod ihres Großvaters im Jahre 1910 wurden sie und ihre fünf Jahre jüngere Schwester Eve von wechselnden Kindermädchen und Gouvernanten betreut.

Als Irène ihre Grundschulzeit hinter sich hatte, organisierte ihre Mutter zusammen mit einigen ihrer Universitätskollegen eine Lerngemeinschaft für die Kinder dieser Hochschullehrer. Das sah folgendermaßen aus: Die 10 Kinder der Universitätsprofessoren, die alle ähnliche Vorstellungen von modernen Unterrichtsprinzipien hatten, wurden zwei Jahre lang in den verschiedenen Fächern von einem Elternteil auf Universitätsniveau unterrichtet, wobei auf die naturwissenschaftliche Ausbildung ein besonders großer Wert gelegt wurde.

Durch diese hoch qualifizierte Ausbildung wurde Irènes Interesse für die Naturwissenschaften verstärkt und ausgeprägt und ihr Interesse für die Physik vertieft.

Nach diesem zweijährigen Sonderunterricht besuchte sie das Collège Sévigné, wo sie auch ihre Abiturprüfung ablegte. 1914 begann sie ihr Studium der Mathematik und der Physik an der Sorbonne, das sie in beiden Fächern mit dem Diplom abschloss.

Irène Curie hatte ein sehr enges Verhältnis zu ihrer Mutter Marie, welches auf den gleichen Interessen basierte und durch ihre vielen wissenschaftlichen Gespräche und später ihre gemeinsamen Arbeiten vertieft wurde. Mutter und Tochter waren sich auch im Charakter sehr ähnlich, kamen gut miteinander aus. Auch ihre Lebensläufe sollten viele Parallelen und Gemeinsamkeiten aufweisen.

Im ersten Weltkrieg half Irène ihrer Mutter bei dem Röntgendienst an der Front, wo sie sich beim Einsatz von sogenannten &quotRöntgenmobilen" und beim Aufbau von stationären Röntgenstationen nützlich machte. Später übernahm sie selbst die Leitung eines Röntgendienstes.

Nach Kriegsende wurde Irène Laborgehilfin ihrer Mutter im Radium-Institut. In dieser Zeit vertiefte sich das Mutter-Tochter-Verhältnis weiter. Bald wurde es zu Irènes Gewohnheit, ihrer Mutter das Frühstück ans Bett zu bringen und dann mit ihr über die Arbeit im Radium-Institut zu reden.

Ab 1921 führte sie selbstständig Untersuchungen durch, unter anderem über die Alphastrahlung des Poloniums, die sie zum Gegenstand ihrer Doktorprüfung machte, die sie im Jahr 1930 abschloss und ihrer Mutter widmete.

Ein Jahr später heiratete Irène den Physiker Frédéric Joliot, der ihr selbst im Labor assistierte und mit dem sie in den Jahren 1927 und 1932 zwei Kinder bekam, die ebenfalls herausragende Wissenschaftler wurden: Hélène setzte als Nuklearphysikerin in gewisser Weise die &quotFamilientradition" fort, ihr Sohn Pierre wurde Biophysiker.

Diese Ehe, der von vielen Bekannten keine lange Lebensdauer prophezeit wurde, da sich Irènes und Frédérics Charaktere so sehr voneinander unterschieden, entwickelte sich zu einer erfolgreichen Forschungsgemeinschaft. Hier zeigt sich eine Parallele zu der Beziehung ihrer Eltern, die ebenfalls zusammen ein erfolgreiches Forscherduo bildeten und 1911 mit einem gemeinsamen Chemie-Nobelpreis geehrt wurden.

Auch Irène und Frédéric Joliot-Curie wurden 1935 gemeinsam mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet. In Anlehnung an die Versuche der deutschen Forscher Walter Bothe und Hans Becker hatten sie Aluminium mit Alphastrahlung beschossen und die entstehende intensive Strahlung als neuen Typ der Radioaktivität erklärt. Ab jetzt konnte man künstliche Radioaktivität erzeugen - eine Entdeckung mit weitreichenden Folgen.

Marie Curie erlebte zwar den wissenschaftlichen Aufstieg von Irène und Frédéric, starb jedoch im Jahr vor der Nobelpreis-Ehrung der beiden Physiker.

Iréne Joliot-Curie war eine vielseitig interessierte Frau, die sich neben ihrem Hauptinteresse, das eindeutig der Physik galt, auch der Literatur, ihren beiden Kindern mit viel Freude und der Politik widmete. So wurde sie 1936 als Staatssekretärin für Wissenschaft und Forschung in die Volksfrontregierung von Léon Blum berufen und war damit die erste Frau in einer französischen Regierung.

Jedoch blieb sie hier lediglich vier Monate, da ihr eine Professorenstelle an der Sorbonne angeboten wurde und sie sich so wieder intensiver mit der Physik auseinandersetzte.

Zusammen mit Pavlo Savitch untersuchte sie die Produkte, die entstehen, wenn man Urankerne mit Neutronen beschießt. Diese Forschungen legten den Grundstein für die Erklärung der Kernspaltung, an der Lise Meitner (1878-1948) und Otto Hahn (1904-1979) in Schweden arbeiteten. Ihre intensive Forschungsarbeit wurde durch den 2.Weltkrieg unterbrochen, nach Kriegsende jedoch erfolgreich fortgesetzt.

1945 wurde sie zu einer der drei Kommissare der Atombehörde C.E.A. (Commissariat à l`Énergie Atomique) ernannt, im Jahr darauf zur Direktorin des Radium-Instituts, welches vor mehr als 30 Jahren für ihre Mutter geschaffen worden war. Sie plante neue große Laboratorien für das Radium-Institut in Orsay, schloss sich der pazifistischen Frauenbewegung "Union des Femmes" an und lehrte trotz schlechter werdender Gesundheit weiter.

Im Alter von 58 Jahren starb Irène Joliot-Curie im Jahre 1956 an akuter Leukämie, an der vielen Strahlung, der sie ihr Leben lang ausgesetzt war.