Archiv

Über Filme schreiben: Filmkritik in Theorie und Praxis

Seminar & Workshop in Kooperation mit Daniel Kothenschulte & dem LITFILMS Festival Münster 2022
© Zorro Medien

Wenn das Medium Film als Ausgangspunkt des Schreibens fungiert, landet man sogleich bei der Gattung der Filmkritik, die oft vorschnell als inhaltsfixiert und serviceorientiert abgehandelt wird. Wie aber das Potential dieser Textform jenseits vom reinen Gebrauchswert (Daumen hoch, Daumen runter) ausgeschöpft werden kann, wird im Rahmen eines Seminars und Workshops in Kooperation der Kulturpoetik mit dem LITFILMS Festival Münster 2022 beleuchtet.

Ausgehend von einer Funktionsbestimmung der Filmkritik wird im theoretisch und historisch einführenden Teil unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Blödorn und Johannes Ueberfeldt die deutsche Filmkritik im Licht der Filmgeschichtsschreibung diskutiert. Anhand prominenter Kritiker/innen, ihrer Positionen und Auseinandersetzungen und am Beispiel ausgewählter Filme wird das Schreiben über Film von der Keimzelle – als Kritik der Institution Kino im frühen 20. Jahrhundert – über die Auseinandersetzungen zwischen der ästhetischen und politischen Linken in den 1960er Jahren bis zum Funktionswandel der Filmkritik im digitalen Zeitalter nachvollzogen.  

© litfilms

Der anschließende Workshop zum Schreiben von Filmkritiken unter der Leitung des renommierten Filmkritikers Daniel Kothenschulte (Frankfurter Rundschau) lädt zur Betrachtung des Seminarthemas aus Sicht von Berufskritiker/innen ein. Innerhalb dieser Praxisphase werden erste eigene Schreibversuche der Studierenden zu einem Festivalfilm der Internationalen Filmfestspiele von Cannes 2022 unternommen. In einem zweiten Workshoptermin werden Filmkritiken zu den Wettbewerbsfilmen des Festivals verfasst und begleitend zum LITFILMS Festival innerhalb des Festival-Blogs veröffentlicht. Das Seminar nimmt darüber hinaus an der Vorführung von Dominik Grafs Essayfilm Was heisst hier Ende? Der Filmkritiker Michael Althen mit anschließender Podiumsdiskussion teil: am 15. September 2022 ab 20.00 Uhr im Schloßtheater.

Die entstandenen Filmkritiken finden sich auf der Website des LITFILMS Festival.

Der Störung auf der Spur

Zur Interferenz von Moral- und Rechtsdiskurs in der deutschsprachigen Verbrechensliteratur des 19. Jahrhundert
© Ueberfeldt

Online-Tagung des SFB 1385 "Recht und Literatur"am 23. und 24.06.2022

Im Lauf des 19. Jahrhunderts formieren sich innerhalb der entstehenden Kriminalliteratur neue anthropologische Muster der Verbrechensdeutung, die u.a. auf medizinische und zunehmend psychologische Wissensbestände und Diskurse zurückgreifen und eine neben juristischen und moralisierenden zusätzliche „pathologisierende“ Unterscheidungssemantiken etablieren, um mit und über dem fokussierten Verbrechen vielfältige ‚Störungen‘ gesellschaftlicher Ordnung in ihrer Komplexität und in ihrem Zusammenspiel zu beschreiben. Damit bilden sich zugleich auch neue narrative Verfahren heraus, die die Fallgeschichte Pitaval’scher Tradition um moderne detektorische Modi anreichern und die, parallel zur Entstehung der modernen Semiotik, ‚Spuren‘ gestörter Ordnungen lesbar machen.

Als Exposition und Movens dieser neuen narrativen Verfahren fungieren breit ausdifferenzierte semantische Störungen der diegetischen Welt, z.B. aufgrund kriminalanthropologischer, pathologischer Befunde, materieller Delikte oder systemischer Dysfunktionen; auch Störungen einer scheinbaren Ordnung durch Offenlegung und Subversion gesellschaftlicher Missstände rücken in den Blick.

Ziel des Symposiums ist es, (a) die Konzepte ‚Spur‘ und ‚Störung‘ als zentrale semiotische Variablen in neuen kriminalliterarischen Texten des 19. Jahrhunderts sichtbar zu machen und zu analysieren und (b) die Relation bzw. Funktionalisierung zwischen diesen detektorischen ‚Befunden‘ und den jeweiligen diegetischen Strukturen, narrativen Verfahren, literaturhistorischen Traditionen und Genredifferenzierungen (u.a. Fallgeschichte, Verbrechensgeschichte, Kriminalgeschichte usw.) zu untersuchen.

Großstadt-Montagen: Literatur, Fotografie und Film der 1920er Jahre

Öffentliches Online-Symposium im Kunstmuseum Pablo Picasso Münster im Rahmen der Ausstellung „Die montierte Stadt – Von Fernand Léger bis Sergei Eisenstein“ (16. + 17. Juli. 2021)
© Germanistisches Institut

Kooperationsprojekt des Master-Studiengangs „Kulturpoetik der Literatur und Medien“
am Germanistischen Institut der WWU Münster und des Kunstmuseum Pablo Picasso Münster

Im Zusammenspiel von moderner Avantgardekunst und einer neuen, fotografie- und filmtechnisch bedingten Wahrnehmung auf die großstädtische Welt der ‚Goldenen‘ Zwanziger Jahre entwickelt sich die Montage zur übergreifenden Ausdrucksform, die nicht nur den Film (etwa Walter Ruttmanns „Berlin – Die Sinfonie der Großstadt“) rhythmisiert, sondern auch die aufkommende Großstadtliteratur einer beschleunigten Moderne (wie Alfred Döblins Roman „Berlin Alexanderplatz“) maßgeblich beeinflusst. Das vielfältige, fragmentierte Nebeneinander, das die Großstadtbewohner nach Georg Simmel einer Sinnes- und Nervenüberreizung aussetzt, wird so zugleich künstlerisch als Collage eines visuellen und akustischen Miteinanders erfahrbar gemacht. Literatur, Fotografie und Film der Moderne versuchen dabei, die Großstadt als urbanen Arbeits- und Freizeitraum mit seinem Verkehr, der elektrischen Beleuchtung, mit Rundfunk und Kinopalästen ästhetisch und rhythmisch neu zu vermessen.

Das öffentliche Online-Symposium findet in Kooperation zwischen dem Kunstmuseum Pablo Picasso Münster und dem Studiengang „Kulturpoetik der Literatur und Medien“ der Westfälischen Wilhelms-Universität statt. In Kurzvorträgen nehmen Master-Studierende des Seminars „Großstadt-Montagen in Literatur, Fotografie und Film der 1920er Jahre“ unter Leitung von Prof. Dr. Andreas Blödorn und Johannes Ueberfeldt einzelne Exponate der Ausstellung „Die montierte Stadt“ – Bilder, Bücher und Filme – in den Blick und führen in Fragen der künstlerischen Auseinandersetzung mit der Großstadtwirklichkeit der 1920er Jahre ein.

 

DFG-Projekt: Echtzeit im Film (2015-2018)

Konzeptualisierung, Wirkungsweisen und Interrelationen
© DFG

- Wissenschaftliches Netzwerk -

Was verbindet den Frühen Film, Hitchcocks Rope (Cocktail für eine Leiche, 1948) und neuere Produktionen wie das Drama Locke (No Turning Back, 2013), den Horrorfilm Unfriended (Unknown User, 2014), den Kriminalthriller Victoria (2015) miteinander? – In ihnen spielt Echtzeit eine, wenn nicht sogar die wesentliche Rolle bei der Bedeutungskonstitution. Doch warum erfährt das Phänomen Echtzeit eine dermaßen hohe Konjunktur in der filmischen Produktion, welche Funktion kommt ihm als Gestaltungsmittel zu, wie ist es analytisch zu bestimmen und adäquat zu beschreiben?

Eine gängige (erzähltheoretische) Definition geht bei filmischer Echtzeit von einer bestimmten Form der Mediatisierung aus, nämlich der Kongruenz zwischen der Zeit der Darstellung und der Zeit des Dargestellten (Filmlexikon der Universität Kiel, Eintrag "Zeitdeckung", 22.02.17). Inzwischen liegen diverse Verfahren des Films vor, um Echtzeit in diesem Sinne zu evozieren: In der frühen Filmgeschichte ist zunächst die Plansequenz das übliche Mittel, das historisch zunehmend durch Schnitte und andere bildästhetische Strategien (wie z.B. split screen) abgelöst wird. In jüngster Zeit ist eine starke Ballung von Filmen zu beobachten, die Echtzeit funktionalisieren – und dies ist nicht nur auf technische Möglichkeiten des digital age zurückzuführen, sondern ebenso auf ein Bedürfnis nach Authentizität.

Das wissenschaftliche Netzwerk „Echtzeit im Film“ – das von Stephan Brössel und Susanne Kaul am Germanistischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität geleitet wird – hat sich zum Ziel gesetzt, in einem interdisziplinären Dialog zwischen Literaturwissenschaft/Narratologie, Medien- bzw. Filmwissenschaft und Zeit-Philosophie eine Systematisierung des filmischen Echtzeitkonzepts zu erarbeiten.

Im Zuge dessen sollen

  • klare Definitionen von filmischer Echtzeit erarbeitet,
  • Analysekategorien bereitgestellt, operationalisierbar gemacht und angewendet,
  • Filme, Filmgenres bzw. -gattungen oder Aspekte der filmästhetischen Verfasstheit von Echtzeit spezifizierend erfasst,
  • Verbindungen zu Filmproduktion und -rezeption hergestellt und analysiert,
  • Filmpoetologien und Wirkungsweisen von Filmästhetiken über ein singuläres Einzelwerk hinaus aufgezeigt und ausgewertet, 
  • interkulturelle Unterschiede und filmhistorische Bezüge im Umgang mit Echtzeit benannt,
  • intermediale Konstellationen, die für Echtzeit von Relevanz sind, ihre Konstitution und Funktionalisierung bestimmt werden.

Echtzeit im Film soll durchaus in ihrer mehrschichtigen Vielfältigkeit und Heterogenität erfasst werden. Zugleich wird angestrebt, einen wissenschaftlich transparenten Zugang zu legen und exemplarische Analysen vorzulegen, um ihren künftigen Nutzen als Kategorie wissenschaftlicher Auseinandersetzung zu fundieren.

Das Netzwerk wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert und ist für den Zeitraum von 2015 bis 2018 angesetzt. Publiziert werden die Ergebnisse im Rahmen eines Sammelbandes.

 

© Fink Verlag

Publikationsankündigung

Echtzeit im Film. Wie lässt sich der Trend zu filmischer Echtzeit analytisch fassen? Wie der Echtzeit-Begriff für eine filmwissenschaftliche Auseinandersetzung heuristisch nutzbar machen?

Der Band widmet sich einem Phänomen, das in der jüngeren Filmgeschichte eine Konjunktur erlebt. Im Kern handelt es sich um eine Konvergenz zweier Zeitebenen, die etwa in der Erzähltheorie als Übereinstimmung zwischen der Zeit der Präsentation des Films auf der Leinwand und der in der Fiktion ablaufenden Zeitdauer gefasst wird. Im vorliegenden Band erfährt der Begriff eine breitere Klassifikation, wird in zentrale Konzepte überführt und hinsichtlich seiner Wirkungspotentiale geprüft sowie historisch, kulturell und gattungstheoretisch kontextualisiert. Bereitgestellt werden soll der Filmwissenschaft dadurch Echtzeit als eine fundierte Analysekategorie.

Weitere Informationen zum Band können der Ankündigung auf der Homepage des Wilhelm-Fink-Verlags entnommen werden.

 

Wissenschaftliche Leitung:

Dr. Stephan Brössel
PD Dr. Susanne Kaul

Westfälische Wilhelms-Universität
Abteilung Neuere deutsche Literatur
- Literatur und Medien -
Germanistisches Institut
Schlossplatz 34
48143 Münster

 

Weiter Informationen:

Mitglieder des Netzwerks

Programm

Inhalte und Ziele

Publikationen

Der deutsche Schlager - Ästhetik, Medialität, Semantik

Internationales Symposium am Germanistischen Institut vom 9.–11.10.2017
© Uni MS

 Der Schlager gilt als das Böse im System des Pop – jedenfalls aus Sicht des Pop, der sich in Deutschland spätestens ab 1970 explizit in Opposition zur Schlagertradition entwickelte. Dabei ist diese Grenze rein formal (musikalisch, textlich) oft nur schwer zu begründen. Englischsprachige Pop-Musik wurde zunächst als Schlager rezipiert, die deutschen Coverversionen internationaler Hits waren lange Zeit Schlager, und bis heute gerät Pop-Musik immer wieder in Schlagernähe, wo sie deutschsprachig wird; z.B. in der Neuen Deutschen Welle, der Hamburger Schule oder im Fun Punk, von Xavier Naidoo, Silbermond oder Andreas Bourani ganz zu schweigen. Als Ausdrucksmedien mit kultureller Speicherfunktion geben Schlager Aufschluss über Sehnsüchte, Träume und Ängste, über Werte und Normen und gesellschaftlich-kulturelle Kontexte. Wie lässt sich also die definitorische Unschärfe des Schlagers diskursivieren, welche Funktionen übernehmen Distribution und Rezeption und welche Semantiken werden hier verhandelt?
Die Tagung wird den Schlager, insbesondere von den 1950er Jahren bis heute, näher betrachten und seine Spielräume des Populären, seine Grenzen und Lizenzen aus interdisziplinärer Zusammensicht von literatur-, medien- und musikwissenschaftlicher, geschichtlicher und soziologischer Perspektive ausloten.

 

Alfred Döblin und die frühe Moderne

Internationale Tagung am Germanistischen Institut vom 27. bis 29. Juni / Gäste willkommen
© Germanistisches Institut

Von Montag, 27. Juni, bis Mittwoch, 29. Juni, steht Alfred Döblin im Mittelpunkt einer internationalen Tagung am Germanistischen Institut der Universität Münster. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Europa und den USA beschäftigen sich mit dem Werk des deutschen Schriftstellers (1878 - 1957), der vor allem durch den Roman "Berlin Alexanderplatz" (1929) große Bekanntheit erlangte. Untersucht werden in den zahlreichen Vorträgen Alfred Döblins Werk und Wirkung im Kontext der frühen Moderne. Besondere Beachtung wird dabei medialen und transnationalen Perspektiven geschenkt. Veranstaltungsort ist der Festsaal der Universität Münster, Schlossplatz 5. Interessierte Zuhörer sind herzlich willkommen.

Alfred Döblin gilt als einer der wichtigsten Vertreter der literarischen Moderne. Antwortend auf die Avantgarde-Bewegungen um 1900, entfaltete er seine Wirkungen noch bei Günter Grass, Arno Schmidt und Ingo Schulze. Organisiert wird die Tagung von Prof. Dr. Andreas Blödorn, Prof. Dr. Britta Herrmann (beide Germanistisches Institut der Universität Münster) und Prof. Dr. Stefanie Sbarra (Università Ca'Foscari, Venedig).