Bittschreiben von Otto Lucas

48, Berkeley Square,
London. W.1.
12th July. 1943.

His Holiness Pope Pius XII,

    The Vatican.

Your Holiness,

       I pray to be forgiven for writing to Your Holiness on a personal matter, but it concerns my aged parents whose lives I am trying to save.

       They are Jacob and Dina Lucas, aged 66 and 67 respectively. They are German Jews who have resided for the past few years at 37, Merwedeplein, Amsterdam. Since the invasion of Holland I have done everything I could possibly think of to get them out to a place of safety; many friends have been helpful but so far in vain. The Swiss Authorities have kindly promised them Entry Visas for Switzerland, but we could not obtain Exit Permits from the German Authorities.

      I have since heard that in March last they were deported from Amsterdam, and all efforts to trace them have failed. I fully realise that in the sea of suffering which has overwhelmed so many countries and nations, the lives of two elderly people are only one small drop. But, in spite [13v] of all the endeavours which have been made in many quarters it is still only individual refugees - Jews and others - who have been saved, and this emboldens me to appeal to Your Holiness four your gracious help.

      Would it be possible for the Vatican Representative in Germany or Holland to make enquiries as to the weherabouts and fate of my parents, and - if they are still alive, as I pray God they may be - to approach the German Authorities for permission for them to leave Germany or German-occupied territory for Switzerland, where they would be cared for by friends? It is the only hope I have left of their being saved and I trust my appeal to Your Holiness for this act of grace is not in vain.

      With renewed apologies and with heartfelt thanks for anything which Your Holiness may find it possible to do in this matter.

I beg to remain

Yours very faithfully,

Otto Lucas.

Archivio Apostolico Vaticano, Segreteria di Stato, Commissione Soccorsi 302, fasc. 9, fol. 13rv

Das Bittschreiben ins Deutsche übersetzt

48, Berkeley Square,
London. W.1.
12. Juli 1943.

An Seine Heiligkeit Papst Pius XII.,

   Vatikan.

Eure Heiligkeit,

      Ich bitte um Vergebung, dass ich Eurer Heiligkeit in einer persönlichen Angelegenheit schreibe, aber es geht um meine alten Eltern, deren Leben ich zu retten versuche.

      Es handelt sich um Jacob und Dina Lucas, 66 bzw. 67 Jahre alt. Sie sind deutsche Juden, die in den letzten Jahren in Amsterdam, Merwedeplein 37, gewohnt haben. Seit dem Überfall auf Holland habe ich alles Erdenkliche unternommen, um sie heraus und an einen sicheren Ort zu bekommen; viele Freunde haben geholfen, aber bislang vergeblich. Die Schweizer Behörden haben ihnen freundlicherweise Einreisevisa für die Schweiz versprochen, aber wir konnten von den deutschen Behörden keine Ausreisegenehmigungen erhalten.

      Inzwischen habe ich erfahren, dass sie im vergangenen März aus Amsterdam deportiert wurden, und alle Bemühungen, sie ausfindig zu machen, sind gescheitert. Ich bin mir völlig darüber im Klaren, dass in dem Meer des Leids, das so viele Länder und Nationen überschwemmt hat, die Leben zweier älterer Menschen nur ein einziger kleiner Tropfen sind. Aber trotz [13v] aller Bemühungen, die von vielen Seiten unternommen wurden, sind es immer noch nur einzelne Flüchtlinge – Juden und andere –, die gerettet wurden, und das ermutigt mich, Eure Heiligkeit um Ihre gnädige Hilfe zu bitten.

      Wäre es möglich, dass der Vertreter des Vatikans in Deutschland oder Holland Nachforschungen über den Verbleib und das Schicksal meiner Eltern anstellt und – falls sie noch leben, und ich bitte Gott, dass sie noch leben – sich an die deutschen Behörden wendet, damit meine Eltern die Erlaubnis erhalten, Deutschland oder von Deutschland besetztes Territorium zu verlassen und in die Schweiz auszureisen, wo sich Freunde um sie kümmern würden? Es ist die einzige Hoffnung, die ich noch habe, dass sie gerettet werden, und ich vertraue darauf, dass meine Bitte an Eure Heiligkeit um diesen Akt der Gnade nicht vergeblich ist.

      Mit einer erneuten Entschuldigung und mit dem aufrichtigen Dank für alles, was Eure Heiligkeit in dieser Angelegenheit zu tun für möglich halten wird,

verbleibe ich

Ihr sehr ergebener

Otto Lucas.

Archivio Apostolico Vaticano, Segreteria di Stato, Commissione Soccorsi 302, fasc. 9, fol. 13rv