Bittschreiben von Phillip Weininger

Dübendorf b/ Zürich, 23. Februar 1940.

Eure Exzellenz!

          Hochwürdige Herren!

Seit fast zwei Jahren bemühe ich mich beim brasilianischen Generalkonsulat in Zürich um das Einreisevisum nach Brasilien, bis jetzt ohne Erfolg.

Trotzdem es mir gelungen ist nach Rio de Janeiro zur Firma Mirko Taussig als Geschäftsleiter einen notariell beglaubigten Vertrag mit einer Monatsgage von Rs 2:000$000 (dois conto de reis), in der Zeit vom 1° Dezember 1939 bis 31 Dezember 1942, zu erhalten, ist es mir noch immer nicht möglich gewesen das Visum nach dort zu erhalten.

Seiner Heiligkeit dem heiligen Vater Papst Pius XII. wurden aber sozusagen 3000 Visa’s für nichtarische Katholiken von der brasilianischen Regierung geschenkt.

Der Herr Generalkonsul von Brasilien in Zürich kann das Visum nur dann erteilen wenn die brasilianische Botschaft beim heiligen Stuhl ihn dazu ermächtigt.

Obwohl ich gerne auch darauf eingehen würde und mich 5 Jahre für Landwirtschaft in Brasilien verpflichten wollte, denn angeblich ist das Bedingung, aber ich muß endlich zu einem Resultat kommen.

Ich habe also am 16. Februar an die brasilianische Botschaft geschrieben und gebeten, doch zu vermitteln. Heute bekam ich auch Antwort. Die Botschaft teilt mir mit, daß nur auf direkte Anfrage des Staats-Sekretariats das Visum erteilt werden kann.

Da ich nun größte Schwierigkeiten wegen Aufenthaltsbewilligung hier in der Schweiz habe, bitte ich allerhöflichst um Ihre gütige Vermittlung bei der brasilianischen Botschaft beim heiligen Stuhl.

Seit 8. August 1938 bin ich hier in Zürich als Katholischer Flüchtling aus Wien. Ich kann unmöglich länger auf die Aufenthaltsbewilligung erstrecken lassen, befinde ich mich also in der grossen Gefahr, nach Deutschland verschickt zu werden.

Ich bin ein frommer praktizierender Katholik und lege ein Empfehlungsschreiben Sr. Hochwürden Pater Odo, Herzog von Württemberg bei.

Jede Arbeit will ich annehmen nur um überhaupt endlich einmal wieder arbeiten zu dürfen und wieder ein nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu werden. Ich bitte mich da richtig zu verstehen, denn ich habe ja in Rio de Janeiro Arbeit, aber ich will nur damit sagen, daß ich wenn es nötig ist davon absehe und mich für Landwirtschaft verpflichte.

Meine Daten: Philipp Weininger geboren 5. September 1900 in Wien, röm. katholisch, deutscher Pass No 897 N. gültig bis 17. Februar 1941.

Ich war bis vor dem Umbruch in Gablonz a.N. Theaterdirektor und gab dort 86 Menschen Brot. Ich bin Sänger, Schauspieler und Oberspielleiter, habe mich aber als Koch umgeschult, so daß ich heute als perfekter Wiener Koch überall Arbeit finde. Bitte helfen Sie mir so rasch wie möglich.

Mit vielem innigen Dank zeichne ich mit vorzüglicher Hochachtung ganz ergebenst

Philipp Weininger
Adresse: Dübendorf b/ Zürich,
Wangenstrasse 27. c/o Meier.

P.S Ich bitte höflichst um
Retournierung der Beilagen

1 Brief der Botschaft

Empfehlungsschreiben.

Archivio Storico della Segreteria di Stato, Pio XII, Ia parte, Ebrei 161, fol. 10r-11r

Weiteres Bittschreiben von Phillip Weininger

Lisbôa, rua Braancamp 40. Portugal,
den 5. September 1940.

Der Unterzeichnete fühlt sich im Gewissen verpflichtet über folgende Vorkommnisse Bericht zu erstatten.

Der Caritas Verband in Zürich (Schweiz) und dessen Leiter H. H. Dr. Teobaldi sandten vor kurzem ein nichtarisches, katholisches Ehepaar mit einem Kind mit einem brasilianischen Visum der Vaticanquote nach Brasilien. Die Familie kam in Lissabon an mit 25 schweiz. Fr. für 5 Tage Aufenthalt. Diese Summe reichte bei weitem nicht, ausserdem musste die Familie 12 Tage in Lissabon warten, bis am 30.8.1940. der Dampfer Bage des Lloyd Brasilieio abging. In ihrer Not sandte die Familie einen telegraphischen Hilferuf an HH. Dr. Teobaldi nach Zürich um Geldmittel. Weder eine Antwort, noch Geld kamen. Andere Emigranten in Lissabon konnten das Elend dieser Armen Familie nicht mitansehen und unterstützten dieselbe mit Brot und Obst, um sie vor dem Verhungern zu schützen.

Diese Familie war für Zwischendeck gebucht. Dieses Zwischendeck zu beschreiben ist unmöglich. Ein Riesenschlafsaal, Bett neben Bett, ein widerlicher Schmutz und Gestank. Das Aergste ist, dass Männer und Frauen, Verheiratete und Unverheiratete alles durcheinander und nebeneinander liegen. Welch unsittliche Folgen dieses unmoralische Nebeneinanderliegen von Männern und Frauen hat, braucht man nicht zu beschreiben.

Die Familie war über den Anblick dieses Zwischendeckschlafsaales und der dortigen unmoralischen Zustände derartig verzweifelt, dass sie Selbstmord begehen wollte. Nur durch energisches Eingreifen konnte dies verhindert werden. Durch einen Flüchtling konnte erreicht werden, dass die Familie eine Cabine erhielt, nachdem der betreffende Flüchtling 350 Escudos draufgezahlt hatte.

Die ergebendste Bitte des Unterzeichneten ist, man möge verhindern, dass weiterhin katholische Flüchtlinge auf solch menschenunwürdige und unmoralische Weise nach Uebersee geschickt werden.

Zeugen meiner Aussagen sind Herr Dr. Hentschl,. Lissabon rua D. Pedro V-53 und Familie Bierlmeyer, Z.Zt. Lissabon auf der Reise nach San Domingo.

Philipp Weininger

An die

Staatssekretarie Seiner Heiligkeit

Città del Vaticano

An Seine Exzellenz

des Hochwürdigsten Herrn

Apostolischen Nuntius

Bern, Thunstr. 60. Schweiz.

AA.EE.SS., parte asterisco, Stati Eccl., pos. 575, fol. 1452r