Mailand, 2. Januar 1940.
An Seine Eminenz Kardinal
Luigi Maglione
Staatssekretär
Vatikanstadt.
Die christliche Nächstenliebe, von der in diesen jüngsten Zeiten so viele unglückliche Juden, meine Glaubensgenossen, profitiert haben, inspiriert mich, die ergebene Bitte an Sie zu richten, mir in meinem unglücklichen Fall Hilfe gewähren zu wollen.
Ich wurde 1910 in Wien geboren; und 1937 hat es mich nach Italien verschlagen [47v] mit einem Wiener Theaterensemble, dem ich angehörte. Aufgrund meiner Rasse war ich gezwungen, bei der Ausreise aus Deutschland eine Erklärung zum Verzicht auf meine Staatsangehörigkeit abzugeben. Jetzt zwingt man mich, Italien sofort zu verlassen mit der Androhung, dass ich, wenn dies nicht von mir aus erfolgt, zur deutschen Grenze gebracht werde, sodass ich, sobald ich den Deutschen in die Hände komme, unabwendbar verurteilt bin - auch aufgrund des oben erwähnten [48r] Verzichts - an Hunger und Krankheit in einem der polnischen Konzentrationslager zugrunde zu gehen.
Schon seit ich noch in Wien war, fühlte ich mich angezogen von der Berufung, Christin zu werden, und ich wollte mich taufen lassen. Mein Wunsch wäre es, nach England gelangen zu können, wo eine Schwester von mir lebt, oder in einen beliebigen anderen Staat, wo ich ebenfalls als Haushaltshilfe arbeiten könnte.
Mir fehlen die Mittel und [48v] die Unterstützung, um zu erhalten, was nötig ist. Ich bin allein und verloren im großen Meer des Schmerzes. Haben Sie Mitleid mit mir, retten Sie mich!
Ich erwarte durch Ihre Vermittlung die Hilfe Gottes, danke Ihnen ergeben und bezeige Ihnen meine Ehrerbietung.
Ergebenst
Margarethe Deutsch
Via Antonio Rosmini 8.
c/o Priori
Milano
Archivio Storico della Segreteria di Stato, Pio XII, Ia parte, Ebrei 30, fol. 47r-48v