An Seine Eminenz, den Kardinalstaatssekretär
VATIKANSTADT
Wenn ich mir erlaube, mich mit diesem Schreiben an Eure Eminenz zu wenden, tue ich dies, nachdem ich vergeblich verschiedenste Maßnahmen ergriffen habe, und weil ich mich jetzt, ohne Hilfe, mit meiner Familie in einer hoffnungslosen Situation befinde. Ich vertraue darauf, dass Eure Eminenz uns unter diesen Umständen Hilfe zukommen lassen kann, solange Hilfe uns noch nützen kann.
Ich, der Unterzeichnete DOKTOR HANS DE CASTRO, bin deutscher Staatsbürger, ebenso wie meine Familie, bestehend aus meiner Frau und meinem 11-jährigen Sohn, evangelisch. Wie mein Vater habe ich in Hamburg (Deutschland) als Arzt gearbeitet, musste aber aufhören, da ich den Ariernachweis für meine Großeltern nicht beschaffen konnte. Mit dem Ausbruch des Krieges wurden die Verhandlungen abgebrochen, für die ich in die Niederlande gereist war, wo mir eine Stelle als Kolonialarzt angeboten worden war. Vor einigen Monaten wurden wir vom US-Konsulat wegen eines Einwanderungsvisums kontaktiert, aber da unser Garant in den Vereinigten Staaten in der Zwischenzeit verstorben ist und wir auch mit Hilfe von amerikanischen humanitären Organisationen keinen neuen Garanten finden konnten, konnten wir nicht auswandern. Es ist nicht möglich, ein Einwanderungsvisum für andere Länder zu erhalten, wobei unsere Situation eine schnelle Lösung erfordern würde.
Ich unterbreite Eurer Eminenz also die Bitte, da für uns heute schwerlich ein Garant für die USA gefunden werden kann, uns ein Einreisevisum für eines der südamerikanischen Länder zur Verfügung zu stellen.
Ich habe großes Vertrauen darauf, dass Eure Eminenz durch die Annahmemeiner Bitte mir und meinen Lieben ermöglichen kann, unser Leben zu ordnen und ein neue Existenz zu gründen.
Mit tiefer Verehrung
Dr. Hans de Castro
Mailand, Mai 1941
Curriculum vitae:
Ich wurde am 25.06.1898 in Hamburg (Deutschland) geboren, bin ein Nachkomme der alten aristokratischen, spanischen Familie DE CASTRO, aus dem Zweig der seit über dreihundert Jahren in Hamburg ansässig ist und wiederholt in den Annalen dieser Stadt erwähnt wird. Ich habe über zwölf Jahre lang als Arzt gearbeitet und besitze ein Diplom für Tropenkrankheiten sowie als Schiffsarzt. Seit 1929 bin ich mit Elfriede Wellke (arisch) verheiratet und habe einen 9-jährigen Sohn. Wir sind ohne Vorstrafen.
Dr. Hans de Castro
Via Settembrini 86, Mailand
Archivio Storico della Segreteria di Stato, Pio XII, Ia parte, Ebrei 27, fol. 66r-67r