Bittschreiben von Franz und Meta Brinnitzer

Am 27. Juli 1942 wendet sich der aus Breslau stammende Franz Brinnitzer mit seiner Lebensgeschichte und einer Bitte an den Vatikan. Franz und seine Frau Meta haben 1905 in Berlin geheiratet, sie ist Verkäuferin, er Kaufmann. Am 19. Januar 1906 wird ihr Sohn Heinz Norman geboren. Das jüdische Ehepaar hat eine lange Odyssee hinter sich und sucht nun Hilfe beim Heiligen Stuhl, unterstützt von Pater Robert Leiber, dem Privatsekretär des Papstes. Und tatsächlich legt der Substitut im Staatssekretariat, Giovanni Battista Montini, Pius XII. das Schreiben am 24. September auch vor. Aus dem „Fondo Profughi“, dem Fonds für Flüchtlinge, werden 500 Lire gewährt. Eine zweite, wiederum über Pater Leiber am 26. September an den Heiligen Stuhl herangetragene Bitte, man möge sie bei der Ausreise nach Palästina unterstützen, wird abschlägig beschieden. Die Botschaft des Vereinigten Königreichs beim Heiligen Stuhl sieht keine Möglichkeit, die Brinnitzers bei einer Ausreise zu unterstützen. Zwar können die Brinnitzers sich noch einige Monate in Rom verstecken, entgehen auch der großen Judendeportation vom Oktober 1943, werden dann aber in Florenz verhaftet und im Juni 1944 von Fossoli nach Auschwitz deportiert. Ihren Sohn haben sie nicht wiedergesehen.

Roma 27/7.42

Heiliger Vater!

Ich Endesunterzeichneter, Euer ergebenster Diener, wende mich heut zum ersten Mal an Euere Heiligkeit, da mir die Not über den Kopf wächst, und ich genau weiß, welch gutes treues Herz in Euer Heiligkeit wohnt. Bemerken muß ich, daß ich Jude bin, also keine Berechtigung habe, bei Euer Heiligkeit anzuklopfen, aber im festen Glauben, daß uns Menschen alle ein Gott regiert, wage ich es.

Ich muß etwas zurückgreifen. Meine liebe Frau und ich, beide Reichsdeutsche, wanderten sofort als Hitler das Regime übernahm von Bremen im Mai 1933 nach Amsterdam, wo wir dort einen Lunch-Room eröffneten, und [23v] es uns gut ging. Unser einziger Sohn, der in Deutschland studierte, in Würzburg, Freiburg a/U. und in Düsseldorf, bestand sein Physikum und sein Staatsexamen: Summa cum laude.

Er war 1933 Stadtarzt in Barmen und Assistenzarzt dort im großen Krankenhaus. Er brauchte dort nicht zu gehen, da ich im Weltkrieg Frontsoldat war, aber sein Ehrgefühl ging über das Wohlleben.

Er ging nach Italien, und musste das zweite Mal in Turin und Rom seine Examen machen, die er alle mit Auszeichnung bestand.

Er ließ sich in Rom nieder, und hatte eine große Praxis, beliebt bei arm und reich.

Meine Frau und ich waren bis 1937 in Holland. Dort wurde dieselbe durch das feuchte Klima schwer nierenleidend, und rieten die dortigen Ärzte [24r] meinem Sohn uns sofort nach Rom kommen zu lassen, da Lebensgefahr bestand.

Unser Sohn veranlaßte uns in A[mster]dam alle Verbindungen zu lösen, und unverzüglich zu ihm zu kommen.

Heiliger Vater! Wir haben das beste Kind, und damit das schönste Geschenk was unser Herrgott uns geben konnte.

Wir bekamen eine Villa in Frascati als Wohnung, und glaubten uns unter der großen Liebe des Kindes im Garten Eden. Im September 38 machten die Judengesetze gegen Stranieri dem Traum ein Ende. Mein Sohn ging mit seiner Frau am Stichtag 12/3.39 nach Palestina, uns ein baldiges Nachkommen versprechend. England sandte aber nur Kapitalisten-Certificate, und als wir fast so weit waren fortzukommen, brach in Italien der Krieg aus. Und damit unsere Sorgen, denn bis dahin sorgte unser Sohn. Auch weiterhin schlugen [24v] wir uns tapfer durch, aber jetzt stehen wir notorisch vor dem Nichts. Unseren Geschwistern in Holland haben die Deutschen, als augenblickliche Herren des Landes, ihr Geld, welches sie auf der niederl[ändischen] Bank hatten, zu einer deutschen beordert, und damit - - -!

Außerdem hat uns die Questur am letzten Sonnabend die Aufforderung gesandt, sofort Rom zu verlaßen, sodaß wir im wahren Sinne des Wortes verlaßen im fremden Lande stehen.

Heiliger Vater, bei dem gütigen Allmächtigen bitte ich für mich und meine liebe Frau um eine Hülfe bei Ihnen, denn Sie wissen genau wie alle Gläubigen, daß jede gute Tat belohnt wird

Heißen, innigen Dank

Ihr

unterthänigster

Franz Brinnitzer

Roma, Via Montecatini 5 int 9.

ABS: FRANZ BRINNITZER geb. 5/12/1879 BRESLAU

META BRINNITZER geb. PRIESTER geb. 15/6/1884 Hohenmölsen

Archivio Apostolico Vaticano, Segreteria di Stato, Commissione Soccorsi 301, fasc. 21, fol. 23r-24v