Zu Gast in mexikanischen Krankenhäusern

Während meiner sechswöchigen Famulatur, ein Praktikum für Medizinstudenten, in Mexiko habe ich viele neue Einblicke in ein anderes medizinisches System bekommen. Das mexikanische Gesundheitssystem gliedert sich, ähnlich wie das deutsche, in ein öffentliches und privates, wobei es bei der öffentlichen Versorgung eine weitere Unterteilung für Beamte bzw. die übrigen Mexikaner gibt.

An meinem ersten Tag in Pachuca de Soto fuhr ich morgens zunächst zum International Office der Universidad Autónoma del Estado de Hidalgo, bei der ich mich um eine Famulatur beworben hatte. Nachdem ich mich dort als neuer Austauschstudent vorgestellt und diverse Unterlagen unterschrieben hatte, begleitete mich ein Mitarbeiter zur medizinischen Fakultät am anderen Ende der Stadt. Dort wurde ich von den Leitern der medizinischen Fakultät herzlich zu einem Fototermin empfangen und mir wurde mitgeteilt, dass ich zwei Wochen in das ISSSTE, ein Krankenhaus für Beamte, in die Chirurgie und vier Wochen in das Hospital del Niño DIF, ein Kinderkrankenhaus, geschickt werden würde.

Direkt zu Beginn meines ersten Tages im OP des ISSSTE wurde ich bei den morgendlichen Operationen von den Schwestern steril angezogen und durfte am OP-Tisch assistieren. Dabei wurden mir alle Operationsschritte von den Chirurgen erklärt und wurde ich angeleitet, wie ich mich dort steril bewege. Dass man im OP einen Mundschutz tragen musste, erschwerte mir zunächst, die Ärzte, Schwestern und Assistenten richtig zu verstehen. Hinzu kam, dass generell in Mexiko wenig Englisch gesprochen wird und man daher auch nicht auf eine andere Sprache ausweichen konnte. Durch die entspannte Arbeitsatmosphäre, bei der viel gelacht und gescherzt wurde, hatte man aber immer viel Geduld mit mir, sodass ich u.a. im weiteren Verlauf Hautnähte bei OPs machen und bei laporoskopischen Eingriffen die Kamera führen durfte.

In den zwei Wochen im ISSSTE habe ich fortan sowohl bei allgemein- und viszeral chirurgischen als auch bei unfallchirurgischen, urologischen oder gynäkologischen Operationen assistiert. Darüber hinaus konnte ich dort die Stationsarbeit kennenlernen, die mir durch Studierende im letzten Studienjahr beim Verfassen von Arztbriefen etc. und bei Visiten durch die Ärzte nähergebracht wurde.

Jeder Morgen im Hospital del Niño DIF hingegen begann für mich mit einer gemeinsamen Visite mit den Chef-, Ober- und Assistenzärzten in verschiedenen Bereichen des Kinderkrankenhauses. Dadurch, dass ich dort verschiedene Einblicke in die Kinderchirurgie, Neonatologie, Kindernephrologie, Kinderonkologie, Kinderneurologie oder Intensivmedizin bekommen durfte, konnte ich ein großes Spektrum der Kinder- und Jugendmedizin kennenlernen. Einen großen Teil der Zeit verbrachte ich dort aber in Urgencias, der Notaufnahme des Krankenhauses, wo alle Patienten zunächst triagiert wurden, d.h. evaluiert wurde, ob sie stationär aufgenommen oder zu anderen Fachärzten weitergeleitet werden mussten. Dies ermöglichte mir, viele verschiedene Kinder mit ganz unterschiedlichen Krankheitsbildern kennenzulernen.

Beispielsweise hatten einige Kinder Windpocken, viele kamen mit Infektionen der oberen Atemwege, nicht selten hatten Kinder Leukämien oder Knochentumore, und andere wiederum wurden stationär aufgenommen, weil sie Geldmünzen gegessen hatten und man wissen wollte, ob sie den Körper wieder von alleine verlassen können. Neben vielen verschiedenen Patienten und sogar zwei Kinderwiederbelebungen habe ich den Ärzten bei nicht-invasiven Aufgaben wie dem Anlegen eines Gipsverbandes und invasiven Maßnahmen wie Blutabnehmen assistiert, darüber hinaus eine Woche im Kinder-OP mitgearbeitet und mich an Hautnähten bei den kleinsten Patienten versucht.

Ein paar Dinge unterscheiden sich jedoch von deutschen Krankenhäusern, beispielsweise beim Thema Hygiene. Vor allem hiermit wird anders umgegangen: Nach jedem Patientenkontakt werden sich die Hände gewaschen, weil die Händedesinfektionsmittel zwar auf jedem Krankenhausflur vorhanden, aber nicht so zuverlässig wie bei uns wirken. Auch bei Tätigkeiten mit Blut wird aus Kostengründen an Handschuhen gespart.

Die Finanzierung und Bezahlung im mexikanischen System sind ein großes Problem: Zwar gibt es eine Art Sozialversicherung und jedem Bedürftigen wird geholfen, dennoch fehlt es durch Geldmangel oft an Ausstattung und Personal. Bei einer Arbeitsbelastung von über 100 Wochenstunden verdient beispielsweise ein Assistenzart der Pädiatrie im Rahmen seiner dreijährigen Weiterbildung umgerechnet ca. 600 Euro im Monat, ein Betrag, den ein Assistenzarzt in Deutschland bereits nach einer Woche verdient. Selbst Chefärzte, die sich diese Position nach vielen Jahren im Beruf erarbeiten, nehmen nachher kaum mehr als 2000 Euro mit nach Hause.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass trotz meiner anfänglichen Befürchtungen, die Standards in mexikanischen Krankenhäusern vergleichbar zu denen in Europa sind. Selbst wenn Operationen eigentlich nie gemäß des OP-Plans stattfinden und angehende Assistenzärzte in einer Flut von Dokumentationen ertrinken, ist der Arbeitsalltag entspannt. Vielleicht sind die Hygienestandards nicht auf deutschem Niveau und Röntgengeräte und OP-Ausstattung in die Jahre gekommen, dennoch funktioniert das medizinische System. Genau genommen funktioniert es sogar ziemlich gut, wenn man bedenkt, dass das System mit deutlich weniger Geld als in europäischen Ländern auskommt.

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