« Ô mon paîs, ô Toulouse, ô Toulouse »

Dass der französische Sänger Claude Nougaro seiner Heimatstadt ein eigenes Lied gewidmet hat, kann ich gut nachvollziehen. Denn auch wenn ich erst seit einer guten Woche hier bin, so hat mich die Stadt bereits jetzt vollkommen verzaubert.

Die rosa-rote Stadt (la ville rose, wie sie aufgrund ihrer vielen Backsteinbauten auch genannt wird) liegt im Südosten Frankreichs in der Region Okzitanien in unmittelbarer Nähe zu den Pyrenäen. Aber mit weiteren geografischen Details möchte ich hier gar nicht aufwarten, denn über die südfranzösische Stadt gibt es durchaus noch Spannenderes zu berichten.

Das Capitol ist das Wahrzeichen von Toulouse und beherbergt neben dem Rathaus auch ein Theater

Neben den vielen Backsteinbauten fallen einem beim Flanieren durch die Stadt vor allem die besonderen Straßenschilder ins Auge. Denn die sind zweisprachig – zum einen natürlich in Französisch, zum anderen in Okzitanisch, einer galloromanischen Sprache, die selbst in der Region jedoch nur von einer kleinen Minderheit gesprochen wird. Zwar leben in Toulouse an die 500.000 Einwohner, das Stadtzentrum erinnert jedoch überhaupt nicht an das typische Bild einer europäischen Großstadt. Stattdessen ziehen sich viele kleine kopfsteingepflasterte Gässchen durch Toulouse. Als Fußgänger muss man hier aufpassen, denn wie in südlichen Ländern so üblich, halten sich Auto- und Mopedfahrer eher selten an die Verkehrsregeln.

Auch die Ausgeh-Kultur ist hier ganz anders als in Deutschland. Bei den noch sommerlichen Temperaturen (zurzeit 25 bis 30 Grad) sitzen Menschen in gut gefüllten Straßencafés und Bars, trinken Wein und genießen den Abend. Wie Gott in Frankreich leben fällt hier auf jeden Fall nicht schwer. Dass ein Glas Wein hier oftmals günstiger ist als ein normaler Milchkaffee, sagt vielleicht schon einiges. Die Toulouser sind stolz – auf ihre Expertise in der Luftfahrt (nahezu jeder arbeitet hier bei Airbus), ihre Kultur, ihren Dialekt und ihr Essen. Zu letzterem gehören regionale Spezialitäten wie Cassoulet, ein Bohneneintopf mit verschiedenen Fleischsorten, und verschiedene Geflügelpasteten. Doch auch als Vegetarier kommt man hier ganz gut über den Tag. Schließlich gibt es in Frankreich allgemein den besten Käse und auch die Croissants, insbesondere die Chocolatines aux Amandes (Schokocroissants mit Mandeln), sind nicht zu verachten. Mein Supermarkt-Highlight war übrigens das eingeschweißte Vollkornbrot, denn die nächsten zwei Monate würde ich nur mit Baguette (das zugegebenermaßen sehr lecker ist) wohl nicht durchstehen. Zudem gibt es zahlreiche Märkte, wo man frisches Obst und Gemüse kaufen kann, unter anderem der Marché Cristal bei der Metro-Station Jeanne d’Arc, der als günstigster in ganz Frankreich gilt. Essen gehen ist hier allgemein etwas teurer als in Deutschland, mittags gibt es statt einem Gericht oft ein ganzes Menü. Stattdessen kann man aber auch einfach zu einer der vielen Bäckereien gehen oder sich mit Freunden verschiedene Tapas (hier macht sich die Nähe zu Spanien bemerkbar) teilen.

Einkaufen auf dem Marché Cristal

Die Innenstadt von Toulouse ist besonders zur Mittagszeit oft voll mit Menschen und doch finden sich immer genügend Rückzugsorte. Eine Auszeit kann man sich zum Beispiel am Ufer der Garonne nehmen, auf der kleinen Wiese bei der Cathédrale Saint-Étienne oder im wunderschönen Kreuzgang des Couvent des Jacobins. Kirchen gibt es hier übrigens so einige. Besonders schön und dazu ein wichtiges Wahrzeichen der Stadt ist die Basilique Saint-Sernin, in der ich gleich an meinem ersten Wochenende hier sogar eine Hochzeit miterleben durfte.

Die Garonne mit der Brücke Pont Neuf bei Nacht

Das Jakobinerkloster mit Kreuzgang und Innenhof

Das Tolle an Toulouse ist, dass man gemütlich durch die Stadt streifen kann und an jeder Ecke immer wieder etwas Neues entdeckt. Im Vergleich zu deutschen Großstädten fällt einem auch das ausgeprägtere Stilbewusstsein der Menschen hier ins Auge. Die Toulouser legen Wert auf ihr Äußeres und gehen gerne einkaufen. Auf die langen Sommerferien folgt Anfang September die Rentrée, die unter anderem mit einer Braderie gefeiert wird, einer Art Ausverkauf der Geschäfte am Ende der Saison, der hier große Beliebtheit erfährt. Ansonsten findet man in Toulouse auch viele Second-Hand- und Vintage-Läden, die für den studentischen Geldbeutel etwas besser geeignet sind als die französischen Luxusmarken.

Einer der vielen Vintage-Läden von Toulouse

Zwar bin ich in meiner ersten Woche noch nicht dazu gekommen, doch ich habe vor, das Umland noch ein bisschen zu erkunden. Die Pyrenäen und der Jakobsweg sind schließlich um die Ecke, Carcassonne (eine mittelalterliche Festung, nach der auch das Brettspiel benannt ist), ist nicht weit und auch Bordeaux lässt sich mit dem Zug innerhalb von zwei Stunden erreichen. Ich bin sehr gespannt, was mich die nächsten Wochen noch so erwartet!

Bis dahin, à bientôt !
Melanie

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