6 Monate in Südengland, Teil 1: Die Ankunft

Am 12. September 2015 war es für mich dann soweit: Nachdem ich in den letzten Semestern schon viele Freunde ins Ausland hatte gehen sehen, war ich nun selbst an der Reihe. Im Rahmen meines Englisch-Studiums würde ich für 6 Monate nach England gehen.

Was so simpel klingt, war in Wahrheit alles andere als einfach: Es stand zwar recht schnell fest für mich, dass ich nach Großbritannien gehen wollte, um den Charme des britischen Englisch, die Tea Time, den Pfund, das englische Wetter und die Verehrung der Royals auszutesten, doch dies tatsächlich in die Tat umzusetzen, erwies sich als gar keine so leichte Aufgabe. Da ich später gerne Deutsch als Fremdsprache an der Uni oder einer Sprachschule unterrichten würde, wollte ich im Ausland nicht studieren, sondern ein Praktikum machen, um schon einmal ein paar Berufserfahrungen zu sammeln. Dies bedeutet allerdings, dass man, was die Suche nach einem Praktikumsplatz betrifft, ziemlich auf sich allein gestellt ist. Nach unzähligen Emails und einigen Telefonaten bekam ich schließlich einen Praktikumsplatz am Deutschen Institut der University of Southampton angeboten, der genau meinen Vorstellungen entsprach: Ich sollte an dem Aufbau einer Website zur Promotion der deutschen Sprache und eines Studiums derselben mitarbeiten. Diese würde als Informationsseite für Studieninteressierte dienen, die sich ein bisschen mit Deutschland in all seinen Facetten beschäftigen möchten.

Ich sagte sofort zu und machte mich beschwingt auf die Wohnungssuche. Hier wurde ich direkt wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Das Angebot an Zimmern erwies sich als bescheiden und die Optionen generell als überteuert (in Southampton beträgt der normale Preis für ein einfaches, möbliertes Zimmer circa 350-400 Pfund pro Monat). Wenn ich einmal etwas fand, was nicht zu überteuert, trotzdem noch etwas zentral zur Uni und nicht allzu heruntergekommen aussehend fand und die Vermieter kontaktierte, war es meistens schon vergeben oder es kamen plötzlich immense Vermittlungsgebühren und horrende Kautionen ins Spiel. Viele Vermieter akzeptieren zudem auch meistens nur 12-Monats-Verträge, was die Suche noch verkompliziert. Ich war ratlos und schrieb noch mehr Emails, als vorher auf der Praktikumssuche. Zu guter Letzt fand ich schließlich ein Zimmer, das ich mit etwas Glück und Hartnäckigkeit dann auch bekam. Es handelte sich um ein Zimmer in einer Haus-WG (Häuser werden in England mehr vermietet als Wohnungen, weswegen Studenten meist in Haus-WGs wohnen) mit vier Mitbewohnern. Die Lage war zentral, der Preis von 300 Pfund pro Monat plus Nebenkosten akzeptabel.

Obwohl ich vielerorts gehört hatte, dass es besser sei, einen Flug zu buchen und vor Ort nach einem Zimmer zu suchen, hatte es sich im Nachhinein als besser erwiesen, bereits vor meiner Abreise ein Zimmer zu mieten, da viele Studenten auch nach Semesterbeginn noch keine Unterkunft gefunden hatten, da die Nachfrage einfach zu groß war.

Am 12. September startete ich also mit flauem Magen und viel zu viel Gepäck nach England. Ich bin eigentlich kein Typ für lange und große Reisen ins Unbekannte, da ich das Vertraute und Bekannte brauche, um mich wohlfühlen. Aber was muss, das muss und es war schließlich auch eine große Chance. Ich nahm den Flieger nach London und fuhr von dort circa zweieinhalb Stunden bis nach Southampton.

Bei meiner Ankunft in meinem neuen Zuhause war ich, um ehrlich zu sein, erst einmal geschockt. Das Haus war alt und, um es direkt zu sagen, wirklich dreckig. Auf allem lag eine dicke Staubschicht, der Teppichboden, der im ganzen Haus liegt, einst wohl beige, heute fleckig grau. Und, was für mich wohl am schlimmsten war, es gab Spinnen. Und zwar nicht die dünnen mit den kleinen Körpern, nein, es gab dicke schwarze Spinnen. Meine Mitbewohner waren supernett, zu dem Zeitpunkt bestand die WG aus einem Iren, einer Britin und einem Doktoranden aus Singapur, den ich allerdings selten zu Gesicht bekam. Die anderen halfen mir, ein paar Spinnen zu beseitigen und teilten ihr Essen mit mir, damit ich nicht noch abends zum Supermarkt musste. Drei Tage später zog noch ein Spanier ein und die WG war komplett. Auffällig war allerdings, dass der Dreck niemanden zu stören schien. Nur mein spanischer Mitbewohner und ich putzten regelmäßig. Irgendwann erzählte mir meine englische Mitbewohnerin, dass in ihrer alten WG Pilze wuchsen und Mäuse wohnten. Der Ire berichtete Ähnliches und mir war einiges klar. Ich tauschte mich mit ein paar anderen Deutschen aus, die die gleiche Erfahrung gemacht hatten wie ich. Das bedeutet eine große Umstellung, aber da unser Zusammenleben sonst sehr gut funktionierte, nahm ich das schließlich hin.

Die Stadt selbst ist keine klassisch schöne Stadt, hat aber einen ganz eigenen Charme. Sie liegt direkt am Wasser und ihr Hafen ist kein anderer als der, an dem die Titanic abgelegt hat. Deswegen findet man hier auch ein großes Titanic-Museum. Ansonsten kann man oft große Kreuzfahrtschiffe bestaunen oder auch einfach mal am Wasser die Sonne genießen – denn das Wetter zeigte sich in letzter Zeit von seiner gnädigen Seite. Es gibt auch einige große und sehr schöne Parks zum Spazierengehen oder Joggen und die Einkaufszentren sind auch immer einen Ausflug wert. Southampton ist eine Studentenstadt, es gibt zwei Unis und ein großes Angebot an Freizeitprogrammen und Fahrten, z.B. nach London, Oxford oder Stonehenge.  Überhaupt kann man am Wochenende auch mal nach London fahren, wenn man den Geheimtipp megatrain.com anwendet und Züge teilweise für 1 Pfund buchen kann (ja, ihr habt richtig gelesen! 1 Pfund!). Obwohl England ansonsten sehr teuer ist, findet man hier viele Studenten-Pubs und Cafés, wo Essen und Getränke noch einigermaßen erschwinglich sind (der allseits berüchtigte Tesco-Supermarkt ist nach Selbsttest wirklich der günstigste Supermarkt!).  Die Umgewöhnung was die Preislage betrifft, ist dennoch nicht zu unterschätzen.

Ich befinde mich noch am Anfang meines Praktikums, doch kann ich sagen, dass es definitiv die richtige Entscheidung war. Die Leute hier sind unglaublich nett und höflich und bemüht, dir zu helfen, wo sie nur können. Ich habe ein eigenes Büro bekommen und obwohl die Verantwortung wirklich groß ist, macht es auch sehr viel Spaß. Neben meiner Arbeit an der Website, die mir jetzt schon geholfen hat, meine IT-Kenntnisse stark zu erweitern, kann ich jederzeit mit den Dozenten in die Seminare gehen und den Unialltag auch mal von einer anderen Seite betrachten.  Man wird nicht wie eine Praktikantin, sondern eher wie eine Kollegin behandelt und es ist schon öfter vorgekommen, dass mir der ein oder andere Dozent Emails geschrieben hat, um mir zu sagen, wo ich mein Fahrrad reparieren lassen kann oder wo es grade eine interessante Ausstellung gibt.

Insgesamt sind die Menschen hier unglaublich nett und zuvorkommend, sei es im Supermarkt, im Kino oder im nächsten Café. Hier werden nicht einfach Waren gescannt, Tickets oder Kaffee verkauft. Ein lockeres „Hi, how are you doing? Isn’t the weather wonderful today?“ ist hier Standard und nicht nur eine Floskel- eine Antwort und ein kurzes Gespräch werden quasi erwartet! Eigenartig für mich ist es jedoch, von Fremden ständig mit „Darling“ oder „Honey“ angeredet zu werden. Aber auch daran gewöhnt man sich.

Fazit meines ersten Berichts: Mit Offenheit und dem Willen, sich einzugewöhnen, kann man hier eine wunderbare Zeit verleben. Woran ich mich nur schwer gewöhnen kann, ist, dass viele hier, wenn sie über andere europäische Länder sprechen, immer nur von „the continent“ reden. Offensichtlich fühlen sich die Briten nur bedingt als Teil des europäischen Kontinents.

Aber hat auch irgendwie einfach diesen kuriosen, britischen Charme.

Southampton Highfield Park
Southampton Highfield Park
Die Küste von Southampton
Die Küste von Southampton
Der Hafen von Southampton
Der Hafen von Southampton
Sonntagstrip nach London
Sonntagstrip nach London

 

Über Anna Louisa

Hallo, ich bin Anna Louisa, 22 Jahre jung und Studentin für Germanistik/Anglistik an der Uni Münster. Von September 2015 bis März 2016 mache ich ein Auslandspraktikum am deutschen Institut der University Of Southampton, Südengland.

Ein Gedanke zu „6 Monate in Südengland, Teil 1: Die Ankunft

  1. Hallo Anna,
    hört sich ja super an. Ich hoffe ich schaffe es auch irgendwann mal für längere Zeit in England zu leben, natürlich nur wenn es keine Spinnen gibt 😉
    Hier in Frankreich ist das mit den Preisen ähnlich, alles ist immer so teuer, dafür ist aber manchmal dann auch die Qualität besser, gerade was zum Beispiel Obst und Gemüse angeht. Und denk immer daran, in Skandinavien ist alles noch viel teurer, vor allem das Feierabend-Bier. Und um so schöner ist es danach wieder in Deutschland zu sein, aber auch gefährlich, denn oft gibt man dann mehr Geld aus weil es ja so günstig ist 😉
    Ich wünsche dir noch ne tolle Zeit!
    Viele Grüsse aus Lyon,
    Julia

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