Coucou,
es ist verrückt, wie schnell die Zeit hier in Strasbourg nur so geflogen ist; eben bezog ich noch mein schönes (von der Schule kostenlos gestelltes!) Zimmer im Zentrum Strasbourgs und schon hatte ich meinen letzten Tag im Praxissemester am Collège Épiscopal St Étienne.Da es für mich bald zum Abschluss meines Aufenthaltes noch auf einen Roadtrip geht (Blog Beitrag II loading …), verbrauche ich also gerade alle Reste, die bis nächsten Freitag aufgefuttert sein müssen 😉 So warte ich also gerade darauf, dass mein Schokoladen-Himbeer-Johannisbeer-Erdnussbutter-Brownie-Kuchen (wow!) im Ofen fertig backt und tippe euch ein paar Zeilen, insbesondere für alle, die in Zukunft auch am CSE ihr Praxissemester oder aber ein Praktikum verbringen möchten. Vorab: ihr werdet ziemlich sicher unfassbar viel lernen, auch immer mal wieder an eure Grenzen stoßen, keine Woche ohne neue schulinterne Aktivitäten und Specials vergehen sehen und v.a. werdet ihr beim Kollegium immer ein offenes Ohr, Bereitschaft zu praktischer Hilfe, didaktisch/pädagogische Tipps und viele lächelnde und freundliche Gesichter erleben.
Für das CSE solltet ihr ein gutes Maß Selbstständigkeit bzw. Bereitschaft zum aktiven Unterstützungsgesuchen mitbringen: ihr werdet euren Stundenplan relativ von Beginn an eigenständig erstellen, indem ihr herumfragt, welche Lehrkräfte eure Fächer unterrichten und dann schaut, mit wem davon ihr gern zusammenarbeitet möchtet: Tipp von mir ist, dass ihr bei mehreren LK mitgeht und dann entscheidet, wo ihr am ehesten lernen wollt. Ich kann sehr gern auch Empfehlungen aussprechen für die Fächer Englisch, SoWi, Deutsch & Spanisch. Wenn ihr daran Interesse habt, dann schreibt gerne einen Kommentar, sodass ich euch kontaktieren kann (Datenschutz etc., daher nicht direkt hier im Blog).
Nun aber zu den noch wichtigeren Akteuren in der Schule … den Schüler:innen! Da vorraussichtlich alle, die ans CSE aus Münster gehen, eine oder mehrere Klassen in LRA (offizieller Name, wird auch “Deutsche Kultur” genannt) übernehmen werden, mag ich euch hier einen Einblick geben in meine gesammelten Erfahrungen, damit ihr vielleicht ein wenig entspannter in eure Zeit als voll verantwortliche Lehrkraft starten könnt – wobei ich mit Pierre Huss auch schon einen neuen Onboarding-Prozess angestoßen habe, sodass ihr ohnehin etwas seichter einsteigen können solltet. So oder so aber: am CSE ist die Beziehung zwischen Lehrkraft und SuS deutlich distanzierter als in Deutschland und es gibt tatsächlich auch andere pädagogische Überzeugungen hier. Für euch heißt das im Unterricht v.a., dass ihr wissen müsst, was die Schulkultur verlangt bzw. wie die SuS sozialisiert sind im System Schule. Am CSE bedeutet das bspw., dass Disziplinierungsmaßnahmen über das sog. carnet de correspondance gehandhabt werden; je nach Art des Fehlverhaltens werden unterschiedlich viele Punkte im Heft abgezogen und bei Punktestand 0 müssen die SuS zwei oder vier Stunden nachsitzen bzw. es kann zu einer Konferenz kommen, bei der ein Vertrag abgeschlossen wird, bei dessen Nichteinhaltung das Kind der Schule verwiesen wird. Es ist also alles recht klar und transparent geregelt, aber eben auch recht streng. Viele Kinder sind allerdings so sehr an dieses System gewöhnt, dass es mir in der kurzen Zeit nicht möglich gewesen wäre, hier ein anderes System zu etablieren. Man muss mit dem System arbeiten, was vor Ort greift, auch, wenn das manchmal für deutsche Verhältnisse hart sein kann und ich mich selbst auch immer wieder und bis zum Schluss nicht unbedingt leicht damit getan habe.
Ansonsten ist es so, dass ihr in Klassen mit einer sehr eingefahrenen Dynamik kommt, da ihr die Mauve-Klassen begleiten werdet, die also den deutsch-französischen Zweig bilden: diese Klassen sind häufig seit der 1. Klasse in der Grundschule schon gemeinsam beschult und kennen sich daher ewig. Es gibt interne Logiken, Hierarchien, Dynamiken etc., durch die es ggf. nicht so einfach ist, durchzubrechen wie es in einer Klasse wäre, die in der Sek I neu zusammenkommt. Die Schüler:innen sind allerdings in diesen Klassen insgesamt sehr leistungsstark, man muss sie nur entsprechend fordern und Grenzen aufweisen, dann kann man mit seinen Unterrichtsdesign gar sehr schnell voranschreiten. Die SuS sind auf jeden Fall zumeist sehr aktiv und aufgeweckt und an Mitarbeit mangelt es nicht. Wenn ihr die Möglichkeit habt, überlegt euch schon vor eurem Aufenthalt ggf. zumindest das erste Thema, das ihr gern bearbeiten würdet: die Differenzierung müsst ihr vor Ort machen, weil ihr wohl da erst erfahren werdet, in welche Klassenstufe ihr kommt. An sich ist es pädagogisch sehr schön, die SuS bei der Themenwahl mit einzubeziehen, aber in Frankreich ist dies extrem ungewöhnlich, sodass ich euch das zumindest für den Start (!) der Zusammenarbeit nicht empfehlen würde; bei mir haben sich die Klassen damit am Anfang sehr überfordert gezeigt, sodass ich das Thema dann doch selbst gewählt habe. Wenn ihr später eine bessere Verbindung zur Klasse habt, könnt ihr individuell natürlich schauen, ob ihr die anderen Themen mit ihnen festlegt; das Schöne nämlich am Fach LRA ist, dass ihr sehr viel Gestaltungsspielraum habt. Im Prinzip könnt ihr alles machen, was irgendwie mit deutscher Kultur und Geschichte zu tun hat. Es gibt (Stand heute) keinen richtigen Lehrplan, da es lediglich ein Zusatzangebot der Schule für die bilingualen SuS ist, wobei das aber nicht (!) heißt, dass das Fach anders als die anderen behandelt wird: im Gegenteil, ihr gebt Noten, die denselben Koeffizienten wie alle anderen Fächer haben! Das heißt: euer Fach ist genauso viel wert wie Mathe oder Kunst. Die Mauve-Klassen haben sich bei mir als sehr kreative Klassen gezeigt, die auch gern entsprechende Abschlussarbeiten machen für die Zeugnisnoten (in jedem Trimester sollte es min. eine Note geben, am besten zwei).
Insgesamt werdet ihr von den anderen Lehrkräften und Mitarbeiter:innen als vollwertige Lehrkräfte angesehen und behandelt werden und auch die SuS wissen, dass ihr Noten wie alle anderen geben dürft, auch, wenn der Umstand, dass ihr nur für eine begrenzte Zeit da seid, in manchen Klassen für eine etwas andere Dynamik sorgen kann. Einerseits bedeutet euer Status am CSE, dass ihr von den anderen LK sehr herzlich aufgenommen, unterstützt und auch verteidigt werdet und ihr auch alle Rechte bekommt, die die Regellehrkräfte haben (Saalbuchungen, Zugang zu Räumen, schulische Aktivitäten begleiten, Zusammenarbeit mit vie scolaire). Andererseits bedeutet das auch, dass ihr keinen Welpenschutz bekommen werdet; die Leute helfen euch gern, aber ihr werdet nicht direkt an die Hand genommen bzw. im LRA-Unterricht irgendwie unterstützt. Ihr haltet diesen Unterricht in der Regel komplett alleine, evaluiert ihn, gebt Noten, schreibt Zeugnis-Texte etc. Ihr könnt sehr viel aus dieser Erfahrung mitnehmen, weil sie für das Ref natürlich eine gratis lange Übungsphase ist! Fragt wo immer nötig nach Hilfe, damit ihr aber auch gut im Sattel bleibt. Es ist viel, aber man lernt auch sehr viel!
Für die Praxissemesterstudis unter den Lesenden: die Hospitationen sind am CSE technisch überhaupt kein Problem. Je nachdem, ob es das ZfsL bei euch noch erlaubt, könnt ihr auch alle Besuche einfach mit der vom Hausinformatiker (Name auch gern nach Kommentar) gestellten professionellen Kamera aufnehmen und euch die Aufnahmen von ihm in die Cloud stellen lassen, sodass ihr sie weiterleiten und auch selbst herunterladen könnt. Datenschutztechnisch ist seitens der Schule da alles geklärt. Der Informatiker hilft euch da auf jeden Fall sehr gern weiter. Als Tipp: schaut, dass ihr eure drei Besuche nicht zu weit nach hinten schiebt, sonst wird es einfach stressig am Ende. Ich habe zwei Besuche in den ersten Wochen gemacht und den letzten konnte ich leider erst 5 Wochen vor der Frist machen, da es organisatorisch nicht anders ging; das war etwas stressiger, weil man bspw. nicht noch krank werden durfte oder auch Ausfälle durch Feiertage, Projekttage etc. mitbedenken musste, die sich zum Schuljahresende gern tummeln. Die Lehrkräfte sind erfahrungsgemäß aber sehr entspannt und zuvorkommend und geben euch die Stunden und Zeit, die ihr braucht: ihr müsst nur klar kommunizieren, was ihr braucht, dann ist das am CSE eigentlich nie ein Problem. Allgemein sind die französischen Kolleg:innen wie gesagt sehr solidarisch und hilfsbereit, sodass sie von sich aus auch ein inhärentes Interesse zeigen, euch euren Aufenthalt nicht komplizierter als nötig zu machen. Im Gegenteil: ich wurde im Laufe meines Aufenthaltes zu einer Weinverkostung, einer Dinnerparty, gemeinsamen Wanderungen und der Begleitung einer Klassenfahrt nach Italien eingeladen und eine Lehrkraft hat mir gar direkt in der zweiten Woche angeboten, ihre FeWo in der Camargue zu einem echt geschenkten Preis in den Osterferien zu mieten, was ich dankend annahm! Außerdem verbringe ich den ersten Teil meines Roadtrips ab nächste Woche Freitag bei der Familie eines Kollegen, dessen Vater als ehemaliger Gästehausbetreiber sich schon darauf freut, mich bekochen und mir die Gegend zeigen zu dürfen. Wirklich: fangt sofort an, euch einfach ins Kollegium zu werfen, die Franzosen nehmen euch gern auf, wenn ihr selbst auch auf sie zugeht. Sie sind sehr locker und hilfsbereit, solange ihr auch mit ihnen plauscht etc. 🙂 Habt keine Angst! Ihr werdet definitiv belohnt!
So, nachdem mein Kuchen nun fertig ist und die nächsten Tage beim Verschriftlichen der Studienprojekte sukzessiv verkrümelt wird, folgt jetzt Resteverwertung Teil II: Curry aus Gemüseresten und Saucen!
Na dann, bis ganz bald für den Roadtrip-Bericht! 🙂
À très bientôt!
Eva
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