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Alltag am Freeman Hospital – Mein chirurgisches Tertial im Ausland

Einblick in den Arbeitsalltag am Freeman Hospital – Mein chirurgisches Tertial im Ausland

Im Rahmen meines praktischen Jahres verbringe ich die erste Hälfte meines Chirurgie-Tertials am Freeman Hospital im nordenglischen Newcastle upon Tyne. In diesem Beitrag möchte ich einen kleinen Einblick in meinen Arbeitsalltag im Krankenhaus geben.

Um sich für ein sogenanntes „Elective“, also ein Krankenhauspraktikum im englischsprachigen Raum, zu bewerben, muss man sich zunächst eine Supervisor suchen. Das ist in der Regel eine Oberärztin/ein Oberarzt, die oder der während des Aufenthalts als primäre Ansprechperson fungiert. In meinem Fall war es ein Oberarzt aus der Leber-, Pankreas- und Gallenblasenchirurgie (HPB). Am ersten Tag wurde ich herzlich von meinem Supervisor begrüßt und mir wurde der typische Arbeitsalltag in der Abteilung erklärt. Mein Supervisor gab mir außerdem direkt Tipps für Ausflüge in der Region, um auch abseits des Klinikalltags das Beste aus den acht Wochen herauszuholen.

Vor meinem Aufenthalt hatte ich einige Erfahrungsberichte früherer PJ-Studierender gelesen, die eine sehr intensive Betreuung am Freeman Hospital beschrieben. Daher waren meine Erwartungen hoch – die Realität war jedoch leider etwas anders. Zwar war mein Supervisor formell für mich zuständig, in der Praxis beschränkte sich seine Rolle jedoch vor allem auf das Unterschreiben der notwendigen Dokumente am Ende des Aufenthaltes. Denn erstens haben zum gleichen Zeitpunkt wie ich drei weitere PJ-Studierende aus Deutschland in derselben Abteilung mit demselben Supervisor angefangen und zweitens hatte unser Supervisor in der zweiten und dritten Woche des Praktikums gleich Urlaub und wir waren auf uns allein gestellt.

Dies stellte sich glücklicherweise nicht als Problem heraus, denn wie überall gilt auch im Krankenhaus und besonders im OP: Die Menschen sind unglaublich nett und hilfsbereit. Man ist bei jeder Operation willkommen und darf meist auch direkt mit am OP-Tisch stehen und je nach Situation, auch aktiv assistieren. So konnte ich chirurgische Grundfertigkeiten wie Nähen und Knoten nicht nur beobachten, sondern auch regelmäßig anwenden und verbessern.

Obwohl ich eigentlich dem HPB-Team zugeteilt war, ermöglichte mir das Freeman Hospital einen sehr offenen und flexiblen Einblick in viele verschiedene Fachbereiche. Ich habe häufig auch die Anästhesisten begleitet und konnte Operationen in der Allgemeinchirurgie, Urologie und Gefäßchirurgie miterleben und auch dort mit assistieren. Ein besonderes Highlight war meine Teilnahme an einer Organentnahme mit dem Transplantationsteam in einem anderen Krankenhaus. Diese eindrucksvolle und emotional bewegende Erfahrung werde ich mit Sicherheit nicht so schnell vergessen.

Das Freeman Hospital ist ein hochspezialisiertes Zentrum und das merkt man sowohl im OP als auch auf Station. Besonders aufgefallen ist mir der sehr gute Personalschlüssel, vor allem in der Pflege. Viele deutsche Kliniken könnten davon vermutlich nur träumen. Dieser gute Betreuungsschlüssel trägt spürbar zur entspannten Arbeitsatmosphäre bei. Die Zusammenarbeit zwischen ärztlichem und pflegerischem Personal habe ich als außergewöhnlich positiv erlebt – respektvoll, kollegial und stets auf Augenhöhe.  Gleichzeitig zeigen sich auch hier die Probleme des NHS: Bettennot, lange Wartezeiten und die Notwendigkeit der Kosteneinsparung an allen Ecken und Enden.

Eine deutliche Überraschung war die Uhrzeit des Arbeitsbeginns für uns Studierende. Denn entgegen meiner Erwartung beginnt der Arbeitstag hier vergleichsweise spät: auf Station um 8 Uhr, im OP um 8:30 Uhr und in den sogenannten „Clinics“ (ambulante Sprechstunden) um 9 Uhr – in Deutschland ist 7 Uhr in der Chirurgie oft die Regel.

Was mir besonders gefallen hat: Ich konnte meinen Tagesablauf weitgehend selbst gestalten. Ob OP, Station oder Clinic – ich durfte frei entscheiden, wo ich mitarbeiten möchte. Die Clinics waren besonders hilfreich, um die langfristige Patientenbetreuung und Indikationsstellung für bestimme Prozeduren im britischen Gesundheitssystem kennenzulernen. Dennoch habe ich den Großteil meiner Zeit im Operationssaal verbracht. Dort hatte ich das Gefühl, am meisten lernen und auch am aktivsten mitwirken zu können.

Fazit

Nach mittlerweile sieben Wochen ziehe ich eine größtenteils positive Zwischenbilanz. Ich habe vielfältige Einblicke erhalten, mein Wissen anwenden und vertiefen können und chirurgische Grundfertigkeiten praktisch geübt. Gleichzeitig konnte ich die Arbeitsweise eines britischen Krankenhauses, mit all seinen Unterschieden, Stärken aber auch Schwächen im Vergleich zum deutschen System, kennenlernen.

Ich bin gespannt, was die letzte Woche noch bereithält. Aber schon jetzt kann ich sagen, dass dieses Praktikum eine große fachliche und persönliche Bereicherung gewesen sein wird.

Laura

Ich bin Laura, Medizinstudentin im Praktischen Jahr (PJ) und habe ein halbes Tertial in der Chirurgie am Freeman Hospital in Newcastle verbracht.

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