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Zwischen Nebelwäldern und Menschenrechten – Meine Zeit in Honduras 🇭🇳

Ankunft im Unbekannten

Als ich zum ersten Mal las, dass Praktika nach Honduras vermittelt werden, habe ich erstmal gegoogelt. Viel wusste ich nicht: Ich konnte die grobe Lage in Zentralamerika einordnen, hatte aber weder ein Bild von der Größe des Landes noch eine Vorstellung von seiner Gesellschaft, Natur oder Sicherheitslage.

Ob ich mich bewerben sollte, habe ich trotzdem nicht lange überlegt. Ich spreche Spanisch, weil ich vor einigen Jahren ein Jahr in Ecuador verbracht habe, wollte unbedingt ein Praktikum im Bereich Menschenrechte machen und liebe es, im Ausland zu leben. Also schrieb ich eine Bewerbung, beantragte einen Pass und wartete auf die Rückmeldung.

Die ließ sich Zeit. Eigentlich sollte das Praktikum im Februar beginnen, aber die Zusage kam erst zwei Wochen vor dem geplanten Start – zu spät, um alles zu organisieren. Also habe ich das ganze um eine halbes Jahr verschoben, Flüge gebucht, eine Wohnung gesucht und mich ein paar Monate später auf den Weg gemacht.

Honduras im Überblick: Zwischen Ausnahmezustand und Lebensfreude

Honduras liegt in Zentralamerika zwischen Guatemala, El Salvador und Nicaragua. Es ist ein wunderschönes und vielfältiges Land mit tropischen Regenwäldern, zwei Küsten, Vulkanen, Kaffeeplantagen und Nebelwäldern. Gleichzeitig ist es eines der Länder mit der höchsten Kriminalitätsrate der Welt. Seit beinahe drei Jahren (Stand Oktober 2025) gilt der Ausnahmezustand, offiziell um gegen die organisierte Kriminalität vorzugehen. In der Realität bedeutet das: viel Polizei auf den Straßen, viele (willkürliche) Kontrollen, aber nur begrenzt Sicherheit.

Ich wollte das gleich zu Beginn erwähnen, nicht um abzuschrecken, sondern um ehrlich zu sein. Die Sicherheitslage in Honduras ist schwierig, aber sie definiert nicht das ganze Land, und insbesondere vor polizeilicher Gewalt sind Ausländer:innen sicher. Mit Vorsicht und gesundem Menschenverstand lässt sich hier problemlos leben und reisen – und die Menschen sind oft das genaue Gegenteil der Statistiken: unglaublich freundlich, offen und hilfsbereit.

Ich wurde sofort überall willkommen geheißen – ob im Büro, in Bussen oder in Cafés. Und auch wenn ich mich manchmal eingeschränkt gefühlt habe, etwa abends nicht zu Fuß unterwegs sein zu können, habe ich mich nur selten unwohl gefühlt (und in diesen Fällen einfach ein UBER gerufen). Honduras ist eines dieser Länder, das einen mit seiner Wärme und Menschlichkeit überrascht.

Blick auf Tegucigalpa vom Parque Picacho

Mein Alltag bei CONADEH

Gearbeitet habe ich beim Comisionado Nacional de los Derechos Humanos (CONADEH) – der nationalen staatlichen Menschenrechtsinstitution des Landes. Dort werden Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, analysiert und weiterverfolgt, oft unter schwierigen Bedingungen.

Ich war im Bereich des Observatorio tätig und habe vor allem zu den Themen LGBTQIA+-Rechte, Frauenrechte und Gewalt gegen politisch aktive Personen gearbeitet. Ich durfte an Workshops teilnehmen, Gerichtsurteile durchsehen, Fallberichte überarbeiten und ein digitales Erfassungssystem testen und später auch füllen. Die Arbeit war inhaltlich spannend, manchmal allerdings belastend. Für alle, die etwas ähniches vorhaben, ist es zwingend erforderlich, fließend Spanisch zu sprechen.

Das Großraumüro ist eine kleine Familie: ständig wurde gequatscht, viele waren in meinem Alter und wir haben jeden Mittag zusammen gegessen. Meine Kolleg:innen – besonders Luis, Abner und Cinthia – wurden schnell zu Freund:innen. Wir haben uns nicht nur über Arbeitsthemen ausgetauscht, sondern auch über viele persönliche Gedanken. Ich war allein nach Honduras gereist, ohne andere Praktikant:innen oder Kommiliton:innen, und genau das hat sich als großer Vorteil erwiesen. Ich war gezwungen (und gleichzeitig frei genug), direkt auf die Menschen vor Ort zuzugehen. Dadurch war ich von Anfang an gut integriert, habe mich nicht in einer „deutschen Blase“ bewegt und schnell das Gefühl bekommen, wirklich dazuzugehören. Es gibt sicher auch Vorteile daran, in einer Gruppe ins Ausland zu gehen, aber um mit den Einheimischen in Kontakt zu kommen, finde ich es auf diese Art besser. Das wurde mir auch von meinen Kolleg:innen so gespiegelt, die bei größeren Gruppen von Praktikant:innen wohl die Erfahrung gemacht haben, dass diese unter sich bleiben.

Reisen durch ein unterschätztes Land

Sobald ich frei hatte, war ich unterwegs. Ich wollte das Land sehen und kennenlernen. Das ist eigentlich immer mein Anspruch, wenn ich im Ausland lebe: ich möchte hinterher sagen können, dass ich das Land (einigermaßen) kenne. Deswegen bin ich auch nur einmal außerhalb von Honduras unterwegs gewesen und ansonsten nur innerhalb des Landes gereist. Ich war ausschließlich mit Bussen unterwegs, die außerhalb von Tegucigalpa sehr sicher sind. Am Anfang ist das alles sehr verwirrend, daher folgender Tipp: fast alles läuft über San Pedro Sula. Wenn ihr dort seid, gibt es am Busbahnhof von allen Unternehmen kleine Büros, an denen oben der Name des Unternehmens und die Ziele, die es anfährt stehen. In Tegucigalpa selbst fahren die meisten Busse entweder rund um die 13 Calle oder vor der Iglesia el Calvario ab. Nach Valle de Ángeles und Santa Lucía kommt ihr von der Tankstelle Puma Energy in der Av, Gutemberg. Wenn ihr euch nicht ganz sicher seid, wo genau der Bus jeweils abfährt lohnt es sich, eure Fahrer:in zu fragen. Oft wissen die es auch nicht genau, aber sie fahren dann in die Nähe und dort fragt ihr dann die Verkäufer:innen auf den Straßen, die können euch helfen. Lasst euch auf jeden Fall direkt bei den Bussen absetzen, das ist oft in unsicheren Gegenden. Es gibt keine festen Abfahrpläne, deswegen kann es schon vorkommen, dass ihr 30-60 Minuten auf die Abfahrt wartet, und es wird Bargeld gebraucht! Dafür ist es, gerade wenn ihr allein reist, ungleich günstiger. Eine Ausnahme sind die Busse von Transporte Cristina, die sehr komfortabel sind, feste Abfahrzeiten haben und generell deutlich luxuriöser sind als die normalen Busse. Dafür werden allerdings auch nur große Städte angefahren. Die Abfahrzeiten findet ihr am einfachsten auf der Instagram- oder Facebook-Seite.Wenn ihr irgendwo hinwollt, wo ihr absolut keine Ahnung habt, wie die Busse fahren, dann könnt ihr lokale Hostels o.ä. fragen. Die meisten haben eine Instagram-Seite, sind sehr gut zu erreichen und super hilfsbereit. Außerdem können sie euch genau sagen, wie ihr mit dem Bus auch in die abgelegensten Orte kommt, was wirklich ein großer Vorteil ist.

Einer meiner ersten Ausflüge führte mich in den Parque Nacional La Tigra, einen Nebelwald nur zwanzig Kilometer von Tegucigalpa entfernt. Der Nationalperk ist wunderschön und eine absolute Erholung von der schrecklich hässlichen und lauten Hauptstadt. Dort ist es deutlich kühler, feucht, grün, und wunderbar einsam – perfekt, um lange Wadnerungen zu unternehmen. Es fährt regelmäßig ein Bus in der Avenida Cristóbal Colón ab, der nur 25 Lempira kostet und zu dem Dorf Los Planes direkt unterhalb des Besucher:innenzentrums fährt. Von dort sind es nur noch etwa 10 Minuten zu Fuß.

Im Parque Nacional La Tigra

Zudem war ich einige Tage in Copán Ruinas, einer kleinen Stadt im Westen des Landes, nahe der guatemaltekischen Grenze. Von San Pedro Sula fährt ein Bus vom Unternehmen Casasola direkt in den Ort. Die berühmte Maya-Stätte dort zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe und war einst ein bedeutendes politisches und kulturelles Zentrum der klassischen Maya-Zeit. Zwischen den Ruinen, alten Skulpturen und Hieroglyphen zu stehen, war beeindruckend – vor allem, weil ich dort beinahe allein war. Die Ruinenstadt ist eher unbekannt, obwohl sie der aus Guatemala in nichts nachsteht. Ein Highlight ist die Möglichkeit, in die archäologischen Ausgrabungstunnel zu gehen und dadurch einen Blick auf noch ältere Tempel zu erhaschen. Auf jeden Fall einen Besuch wert!

Kurz darauf zog es mich an die Karibikküste, nach Útila, eine der drei honduranischen Bay Islands. Schon die Fahrt dorthin war ein Abenteuer – Bus, Fähre, tropische Hitze, karibischer Wind. Die Insel ist klein, bunt und entspannt, und ich habe sofort das Gefühl gehabt, in einer anderen Welt gelandet zu sein. Es ist eine der kleineren Inseln und nicht so bekannt wie Roatán, aber trotzdem (oder vielleicht auch gerade deswegen) wirklich schön.  Gemeinsam mit einer anderen Reisenden, die ich auf der Fähre kennengelernt hatte, bin ich schnorcheln gegangen. Unter uns eröffnete sich eine völlig neue Welt – das mesoamerikanische Barriereriff, das zweitgrößte Korallenriff der Erde, mit leuchtenden Fischen und bunten Korallen. Einfach wunderschön magisch. Es lohnt sich, mit den Tuctuc-Fahrer:innen zu quatschen, die haben zahlreiche Geheimtipps. Gerade die Cuevas Dulces oder auch der “Aussichtsturm” (haha, einfach ein alter Funkmast, der offen steht, aber traumhafter Blick auf den Sonnenuntergang) sind absolut lohnenswert. Wenn ihr schnorcheln gehen wollt, dann empfiehlt es sich, einen Tag nach Neptunes zu fahren. Der Bootsanleger ist direkt außerhalb des Ortszentrums und für ein paar Euro für die Hin- und Rückfahrt werdet ihr an den Ort gebracht, zu dem auch die ganzen professionellen Tauchschulen fahren, um sich das Riff anzusehen – nur eben deutlich günstiger.

Sonnenuntergang auf Útila

 

Die Pulhapanzak-Wasserfälle
Blick auf den Lago Yojoa von Panamosab

Außerdem war ich in der touristischen Region des Yojoa-Sees, des größten Sees des Landes. Ich habe dort in einem Hostel zwischen Orchideen und Kolibris übernachtet und dort eine französische Backpackerin kennengelernt, mit der ich das Wochenende verbracht habe. Wir haben in Flüssen gebadet, sind hinter einen Wasserfall geklettert und dann noch gewandert. Die zweite Nacht haben wir dann auf einem Berg in der Nähe gezeltet und hatten einen wunderschönen Blick auf der See bei Sonnenaufgang.

 

Antigua in Guatemala

In meiner letzten Woche habe ich nicht mehr gearbeitet und bin daher nach Antigua in Guatemala gereist – eine der schönsten Städte Mittelamerikas, mit kopfsteingepflasterten Gassen und alten Klosterruinen. Die Stadt war früher das politische und kulturelle Zentrum Guatemalas, bis sie von einem Erdbeben zerstört wurde. Danach ist sie nur langsam wieder besiedelt worden, hat sich aber ihren Charme gerade dadurch bewahren können.

Dort schloss ich mich einer internationalen Gruppe an, um mit einer Agentur auf den Vulkan Acatenango zu steigen. Es war eine der härtesten Wanderungen meines Lebens: sieben Stunden Aufstieg, 1.200 Höhenmeter, dünne Luft und ab ca. 3200 Metern Höhe dann auch wirklich sehr kalt. Oben: dichter Nebel, null Sicht. Ich war enttäuscht, müde, und wollte einfach nur schlafen. Doch gegen ein Uhr nachts klarte der Himmel plötzlich auf – und vor uns lag der aktive Volcán de Fuego, kaum fünf Kilometer entfernt, spuckend, glühend, fauchend. Dieses Schauspiel war absolut überwältigend und es hat ein paar Tage gedauert, bis ich überhaupt verstanden habe, was ich da gesehen habe. Das war auf jeden Fall eine Erfahrung, die mich noch lange begleiten wird.

Zurück in Honduras verbrachte ich meine letzten Tage mit den Menschen, die mir ans Herz gewachsen waren. Wir gingen essen, tanzten bis in die Morgenstunden, erzählten Geschichten und lachten viel. Meine Arbeitskolleg:innen sind teilweise echte Freund:innen geworden. Entsprechend schwer fiel mir der Abschied, insbesondere weil ich nicht weiß, wann wir uns wiedersehen können.

Zwischen Fernweh und Dankbarkeit

Als ich nach Honduras kam, hatte ich viele vage Vorstellungen: ein gefährliches Land, geprägt von Armut und Gewalt. Und ja – es gibt Armut, Korruption, und Gewalt. Aber das ist – wie immer – nicht die ganze Wahrheit. Ich habe ein Land erlebt, das trotz aller Schwierigkeiten voller Lebensfreude, Humor und Hoffnung steckt. Ich nehme aus dieser Zeit unglaublich viel mit: ich habe eine super Zeit im Praktikum gehabt, unglaubliche Natur erleben dürfen, bin wieder einmal wütender auf dieses ungerechte System der Geburtslotterie geworden, ich habe wahnsinnig tolle Menschen kennen lernen dürfen und mein Spanisch aufpoliert. Diese gesamte Zeit hat mir einfach nur gut getan. Ich bin geerdeter, nehme Dinge anders wahr, bin dankbarer. Ich muss sagen, dass das generell ein Effekt ist, den Auslandsaufenthalte auf mich haben, aber dieses Mal war es noch extremer, einfach weil ich das ganze auch aus einer strukturellen Perspektive wahrgenommen habe.

Zurück in Deutschland genieße ich das Fahrradfahren, Leitungswasser, dunkles Brot – und vermisse gleichzeitig meine Freund:innen, das Obst, die unglaubliche Natur und die Arbeit.

Honduras hat mich nicht nur fachlich bereichert, sondern auch persönlich. Außerdem habe ich endlich etwas gefunden, was ich mir mein Leben lang als Arbeit vorstellen kann, was ja das eigentliche Ziel von Praktika ist. Ich meine, wie schön ist es, wenn das das Ergebnis eines Praktikums ist?

Und auch wenn ich weiß, dass dieser Abschnitt nun vorbei ist – ein Teil von mir wird immer in diesem Land bleiben, irgendwo zwischen Nebelwald, Vulkanasche und absoluten Herzensmenschen.

Annika

Hallo zusammen,
ich bin Annika, 23 Jahre alt, studiere Politik und Recht in Münster und habe dafür ein Praktikum beim CONADEH in Honduras gemacht.
Abgesehen davon mag ich Kultur und Natur, neue Menschen kennenlernen und Reisen - also gute Voraussetzungen, um einen (weiteren) Auslandsaufenthalt zu planen.
Hier gebe ich euch einige Einblicke in die Arbeit und in die Ziele, die es hier zu sehen gibt, denn Honduras ist auf jeden Fall underrated.
Und damit herzlich willkommen!

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