Sonstige Projekte

• „Dem Weirden, Realen, Cuten“ – Zeitgenössische Ästhetikkategorien im Pop-Diskurs
(Arbeitstitel des Dissertationsprojekts)

Von Baumgarten noch als ,Bodensatz der Erkenntnistheorie‘ geführt und seither eher ein Schattendasein im philosophischen Diskurs fristend, ist heute wieder vermehrt eine Konjunktur des Ästhetischen zu verzeichnen – eine Entwicklung, die u.a. auf die vielbeschworene „Ästhetisierung der Lebenswelt“ (Rüdiger Bubner) im gegenwärtigen „ästhetischen Kapitalismus“ (Gernot Böhme) zurückzuführen ist. Anstelle eines traditionellen Werkbegriffs im Geiste einer Wahrheitsästhetik und Kunstautonomie ist dabei eine Rückbesinnung auf die ästhetische Erfahrung (und damit auf die Frühphase der Ästhetiktheorie) zu beobachten, nur freilich unter neuen Vorzeichen: Nicht nur wird im Alltag einer Konsumgesellschaft vom individuellen Lifestyle bis hin zum Flüchtlingslager alles erdenklich Mögliche ästhetisch designt, auch entwickeln sich aktive ProsumerInnen zum Beispiel durch (Kauf-)Entscheidungen zu ExpertInnen für komplexe ästhetische Urteile. Klassische Ästhetikkategorien wie ,schön‘ scheinen dabei ausgedient zu haben, vielmehr werden vernakuläre Kategorien in Anschlag gebracht, die direkt aus dem Herzen einer Markt- und Mediengesellschaft sprechen: Zany, cute, interesting (Sianne Ngai) oder auch weird oder krass drücken dabei kein „interesseloses Wohlgefallen“ wie das Schönheitsurteil nach Kant aus, sondern repräsentieren durch ihre Verworrenheit mit sozialen und ökonomischen Strukturen kodierte Erfahrungen und gemischte Empfindungen im gegenwärtigen Kapitalismus. Kleine Ästhetikkategorien, die nicht nur eine objektive Beschreibungsebene, sondern ebenfalls die eines ästhetischen Urteils beinhalten, bilden demnach ein Amalgam, das Aufschluss über Ephemeres wie Styles, Neigungen oder – mit Susan Sonntag gesprochen – Sensibilities einer Zeit geben kann.
Das Projekt möchte diesen Kategorien in Organen des Pop-Diskurses, in Zeitschriften und auf Blogs, die als „kleine Archive“ (Scherer, Podewski) den Ort bilden, an dem diese Kategorien etabliert, transformiert und gespeichert werden, nachspüren. Über ihre seismografische Funktion im Diskurs hinausgehend sollen diese dabei als Knotenpunkte gelesen werden, von denen ausgehend größere Problemfragen einer Ästhetiktheorie der Gegenwart sowie der zeitgenössischen Pop-Theorie verhandelt werden sollen.


• gemeinsam mit Moritz Baßler, Philipp Pabst und Anna Seidel (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
Workshop „Pop & Archiv“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (08.-10. Februar 2018)
Dass ,Pop’ und ,Archiv’ zwei Kategorien darstellen, die in enger Beziehung zueinanderstehen, ist vor allem aus literaturwissenschaftlicher Perspektive evident. So haben Studien zur Pop-Literatur der 1990er-Jahre gezeigt, dass die Texte in umfangreichem Maße Verfahren der Archivierung nachgehen. Neben der Tatsache, dass Pop in unterschiedlichen Medienformaten Material aus anderen Zeichensystemen archiviert („an art about signs and sign systems“, Alloway 1974), soll der Workshop dem Umstand Rechnung tragen, dass Pop mittlerweile selbst zum Gegenstand von Archivierung, Institutionalisierung und Musealisierung geworden ist. Pop-Ausstellungen gehören zum festen Bestandteil der Museumsprogramme, auf Revivalkonzerten kann man greise Popkünstler_innen bestaunen, Archive sichern die kostbaren Materialbestände, von Zeitschriften und Fanzines bis zu historischen Konzertkarten und Pop-Reliquien. Geschichtliche Überblicke versuchen, aus dem einst widerständigen Phänomen Pop eine große, gefügige Erzählung zu machen.
Daher lautet eine weit verbreitete Position in Musikpresse und Forschung: Pop, der seit seinen Anfängen in den 1950er-Jahren in einem Modus des progressiven 'Jetzt' operiert (Schumacher 2003) und sich einem ,Imperativ des Weiter’ verschrieben hat (vgl. Diederichsen 2010), leidet unter einem Erschöpfungssyndrom, habe sich überlebt und sei vielleicht gar an ein Ende gekommen. Neue Begrifflichkeiten werden ins Spiel gebracht: Seien es Post-Pop, After Pop oder – in Anlehnung an Diederichsens Historisierung – Pop III. Statt optimistisch in eine irgendwie besser geartete Zukunft zu schauen, richtet sich der Blick zurück oder verharrt in einem digitalen, gespenstisch-endlosen Jetzt ohne Zukunftsmöglichkeit. Die Musikkritiker Simon Reynolds und Mark Fisher sprechen dabei von „Retromania“ (2011) bzw. „Hauntology“ (2014).
Welche Konsequenzen ergeben sich aus dieser Konstellation? Wie verändert sich der Modus der Archivierung im Pop? Inwiefern reflektiert Pop seinen Status und seine eigene Geschichte, welche Umgangsweisen mit dem Phänomen ,Zeit’ lassen sich zum Beispiel beobachten? Und nicht zuletzt: Wie können die institutionellen Archive zur Diskussion dieser Fragen beitragen?
Von solchen Fragen ausgehend sollen im Workshop kulturtheoretische Überlegungen zum Verhältnis von Pop und Archivierung mit archivpraktischen Fragestellungen und Problemen in einen Dialog treten. Der Workshop ist also zweigeteilt. Ziel ist es, Strukturbildung im Bereich der Pop-Forschung zu intensivieren und Vertreter_innen aus der Archivpraxis mit Pop-Forscher_innen für künftige Projekte zu vernetzen. So findet der Workshop in enger Kooperation mit dem Archivnetzwerk Pop statt, zu dem auch das Pop-Archiv des Germanistischen Instituts der WWU Münster zählt. Das Archivnetzwerk Pop wurde als Verbund deutscher Archive gegründet, die sich der Bewahrung, Pflege und Präsentation popkultureller Quellen wie z.B. Zeitschriften, Tonträgern, Plakate usw. widmen. Neben dem Münsteraner Archiv sind folgende Institutionen beteiligt: Archiv der Jugendkulturen e.V. Berlin, das Lippmann + Rau-Musikarchiv Eisenach, Rock’n’Popmuseum Gronau, das Archiv für populäre Musik im Ruhrgebiet e.V. Dortmund und das Musikarchiv NRW Köln.

• DFG Forschungsnetzwerk Pop und Archiv (Infos folgen in Kürze)

Archivnetzwerk Pop, ein Verbund (deutscher) Archive mit popkulturellen Sammlungen

• gemeinsam mit Norma Werbeck (LWL-Museum für Kunst und Kultur) und Anna Seidel (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
Redaktion der Publikations-Reihe Ein Heft ist ein Heft ist ein Heft ist ein Heft
In Kooperation mit dem LWL-Museum für Kunst und Kultur sind insgesamt drei Ausgaben von EIN HEFT erschienen. Die erste Ausgabe widmete sich der Sonderausstellung Homosexualitäten, die zweite der Dauerausstellung und die dritte Ausgabe widmete sich den SkulturProjekten. Ziel der Publikationsreihe war es, Ansätze der aktuellen Diskurse in Pop- und Subkultur sowie der Philosophie und Kunstgeschichte zu veröffentlichen. Damit wird im LWL-Museum ein zusätzlicher Diskursraum geformt, der neben kunsthistorischen Forschungsfragen auch kulturwissenschaftliche Themen fokussiert.
Die Publikationsreihe wurde von der Abteilung Kunstvermittlung des Museums initiiert und in Kooperation mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Masterstudiengangs „Kulturpoetik der Literatur und Medien“ des Germanistischen Instituts der WWU umgesetzt. Realisiert wurde das Projekt durch die finanzielle Unterstützung der Freunde des Museums.