Lehrveranstaltungen

  • Wintersemester 2021/22

    Vorlesung: Jüdische Literatur in Deutschland und in den USA nach 1945

    „Kein Mensch käme in den USA auf den Gedanken, von amerikanisch-jüdischer Literatur zu sprechen wie hierzulande von deutsch-jüdischer Literatur“ – so beschrieb jüngst der Literaturwissenschaftler Thomas Sparr die markant unterschiedlichen Entstehungs- und Rezeptionsbedingungen jüdischer Literaturen in Deutschland und in den Vereinigten Staaten. Der Normalität der Jewishness als Teil der amerikanischen Kultur steht ihre besondere – und als solche ausgewiesene – Stellung in der deutschen Gesellschaft gegenüber, und natürlich hat dies historische Gründe, namentlich das Menschheitsverbrechen der Shoah. Die Betrachtung der jüdischen Literatur nach 1945 im transatlantischen Vergleich ist insofern ertragreich, als sie erkennbar werden lässt, unter welchen exzentrischen Bedingungen jüdische Autorinnen und Autoren im Land der Täter schreiben – und, andersherum, was jüdisches Schreiben ausmacht innerhalb einer Kultur, in der man nicht eigens dazusagen muss, dass es sich um jüdisches Schreiben handelt (und in der überdies basale Kenntnisse des Jüdischen vorausgesetzt werden können).

    Die Vorlesung will einen historischen und systematischen Überblick auf die divergierenden Tendenzen jüdischer Literaturen diesseits und jenseits des Atlantiks geben, beginnend mit der unmittelbaren Nachkriegszeit bis hinein in die unmittelbare Gegenwart, namentlich von Saul Bellow und Paul Celan über Philip Roth und Ruth Klüger bis zu Maxim Biller, Nicole Krauss und Dana von Suffrin.

    Das Lektüreprogramm wird rechtzeitig vor Vorlesungsbeginn bekannt gewesen. Orientierung und Anregung bieten Jules Chametzsky u. a. (Hg.): Jewish American Literature. A Norton Anthology, New York / London 2001, sowie Hans Otto Horch (Hg.): Handbuch der deutsch-jüdischen Literatur, Berlin / Boston 2016.


    Seminar: Thomas Mann: „Der Zauberberg“

    „‚The Magic Mountain‘ is a book for all of one’s life“, diesen Satz notiert die jugendliche Susan Sontag 1948 in ihr Tagebuch, und tatsächlich hat Thomas Manns Roman die berühmte amerikanische Essayistin ihr ganzes Leben begleitet. Noch im Jahr 2003, ein Jahr vor ihrem Tod, bekennt sie im Rückblick: „No book has been more important in my life than ‚The Magic Mountain‘“.

    „Der Zauberberg“ ist ein Werk, das in geradezu unerschöpflicher Weise philosophische Reflexionen, weltanschauliche Betrachtungen und kulturhistorisches Wissen in sich vereint – eben darauf bezieht sich Sontag mit ihrer Bezeichnung des Romans als eines ‚Lebensbuches‘. Das Seminar will eine erste Grundorientierung in diesem Hauptwerk der modernen Literatur vermitteln, das aber nicht allein hinsichtlich seiner inhaltlichen Vielfalt untersucht werden soll, sondern auch in seinen komplexen Erzählverfahren zu erschließen sein wird. Ein besonderes Augenmerk gilt hierbei jenem Aspekt, der in der wissenschaftlichen Rezeption oft übersehen wird, obwohl er den besonderen Reiz des „Zauberberg“ ausmacht: Thomas Manns intellektuellstes Werk ist nämlich zugleich sein komischstes Werk. Aber wie genau geht dies im Roman zusammen? Ausgehend von dieser Frage lässt sich das für Thomas Mann zentrale Problem der ‚Ironie‘ als einer Grundhaltung der Welt und dem Ich gegenüber in die Betrachtung einbeziehen.

    Das Seminar versteht sich insofern als ein Lektüreseminar, als der Roman von Kapitel zu Kapitel besprochen werden soll. Dies setzt zwar keine vollständige, aber doch eine fortgeschrittene Lektüre vor Seminarbeginn voraus; zumindest die Kapitel 1 bis 4 sollten im Vorfeld gelesen werden. Ratsam ist dies auch, weil die Romanlektüre im Laufe des Seminars durch begleitende Texte (Essays, Quellen, Forschungsliteratur usw.) ergänzt werden soll. Die verbindliche Ausgabe des Romans (in der Fassung der „Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe“) ist als Taschenbuch bei S. Fischer erhältlich. Empfehlenswert ist zudem der hilfreiche Kommentar von Daniela Langer, der in der Reihe „Erläuterungen und Dokumente“ im Reclam-Verlag erschienen ist.


    Seminar:
    Hans Magnus Enzensberger und die Zeitschrift „TransAtlantik“

    Ein gleichermaßen anspruchsvolles wie liberales, ironisches wie kosmopolitisches Magazin „für das westliche Deutschland“ – dies stand den Publizisten, Intellektuellen und Schriftstellern Hans Magnus Enzensberger und Gaston Salvatore im Sinn, als sie Ende der siebziger Jahre ihr Konzept einer neu zu gründenden Zeitschrift entwarfen. Ihr Vorbild war das Leitorgan des intellektuellen Amerika, also der „New Yorker“. Der Titel des im Oktober 1980 erstmals erschienenen Magazins bringt seine programmatische Westbindung auf den Punkt: „TransAtlantik“.

    Auch wenn Enzensberger und Salvatore bereits nach zwei Jahren ihre Mitarbeit an der Zeitschrift beendeten, ja das Projekt sogar für gescheitert erklärten, handelt es sich um eines der aufregendsten und aussagekräftigsten publizistischen Unternehmungen der alten Bundesrepublik: Nach den ideologischen Kämpfen der sechziger und siebziger Jahre, die mit besonderer Intensität im „Kursbuch“ ausgefochten wurden (und zwar unter federführender Beteiligung von Enzensberger und Salvatore), sollte „TransAtlantik“ ein Medium der offenen Gesellschaft, der liberalen Demokratie sein. Geprägt war das Vorhaben durch einen experimentellen Möglichkeitssinn: die Zeitschrift als spielerischer Selbstentwurf eines bundesrepublikanischen intellektuellen Milieus, das, nach einem Zeitalter der Kritik und der Negation, versuchsweise ‚Ja‘ sagt zur westlichen Moderne. Dass dieses Vorhaben in der BRD ohne Erfolg blieb und nach zehn Jahren endgültig aufgegeben wurde, ist vor diesem Hintergrund, vielleicht, bezeichnend.

    Das forschungsorientierte Seminar wird die Zeitschrift „TransAtlantik“ in dreierlei Perspektiven untersuchen: 1. hinsichtlich der ursprünglichen Konzeption durch Enzensberger und Salvatore (unter Hinzuziehung der entsprechenden Archivdokumente); 2. bezogen auf die Realisation der Zeitschrift als Zeitschrift, also nicht allein unter Berücksichtigung der Inhalte, sondern auch der Medialität und Materialität des Objekts, bis hin zu den Werbeanzeigen; 3. im Hinblick auf die Publizistik, die Debattenkultur und die Modernediskussion in den achtziger Jahren. Ein besonderer Schwerpunkt wird dabei auf München liegen, in dessen intellektueller und publizistischer Szene – insbesondere im Umfeld der Bar von Charles Schumann – das Zeitschriftenprojekt entwickelt wurde.

    Literatur zur vorbereitenden Einführung in das Thema wird rechtzeitig per Learnweb zur Verfügung gestellt.

  • Sommersemester 2021

    Vorlesung: Einführung in die germanistische Literaturwissenschaft (mit Silvia Reuvekamp)

    Die zugleich systematisch und historisch angelegte Vorlesung führt in die zentralen Gegenstandsbereiche sowie die Methoden und Theorien der germanistischen Literaturwissenschaft ein. Anhand ausgewählter Werke wird eine Geschichte der deutschen Literatur vom Mittelalter bis zur Gegenwart skizziert. Entlang dieser Geschichte werden folgende Themenbereiche behandelt: Literarizität und Poetizität, Aspekte der Fachgeschichte, hermeneutische und post-hermeneutische Interpretationstheorien, Fiktionalität, Autorschaft, Probleme der Gattungspoetik, Literaturgeschichte und Literaturgeschichtsschreibung. Ausblickhaft werden außerdem Ansätze der Kultur- und Medienwissenschaft sowie der Komparatistik in die Betrachtung einbezogen. Am Ende des Semesters wird eine Klausur geschrieben.


    Seminar: Hannah Arendt und die Gegenwart

    Als „Denkerin der Stunde“ bezeichnet der Philosoph Richard J. Bernstein die Intellektuelle Hannah Arendt in einer vielbeachteten Studie von 2018, und in der Ankündigung einer 2020 veranstalteten Ausstellung zum Werk und Leben Arendts im Deutschen Historischen Museum hieß es, ihre „Meinungen und Urteile“ zu Problemen wie Totalitarismus und Antisemitismus, Feminismus und Rassismus seien noch für unsere Gegenwart „voller Sprengkraft“. Das Seminar will zweierlei: zunächst Arendts Denken aus historischer Perspektive rekonstruieren und dabei vor allem ihre Stellung als transatlantische Intellektuelle im Schnittpunkt von deutscher Denktradition und US-amerikanischer Öffentlichkeit darstellen, um sodann Anschlussmöglichkeiten an gegenwärtige Debatten und Diskurse zu erörtern. Ein besonderes Augenmerk wird bei all dem auf der Verfasstheit und Öffentlichkeit ihrer Textes liegen: Nicht allein was Arendt sagt, sondern auch wo (an welchen Publikationsorten) und wie (in welcher Form, in welchem Stil) ist für ihre Wahrnehmung bis heute von entscheidender Relevanz.

    Zur Einführung empfiehlt sich die im Reclam-Verlag erschienene Werkbiografie von Annette Vowinckel. Zur aktuellen Diskussion vgl. Richard J. Bernstein: Denkerin der Stunde. Über Hannah Arendt, Berlin 2000, sowie Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert, hg. von Monika Boll, Dorlis Blume und Raphael Gross, München 2020.


    Seminar: Romantik, transnational: Deutschland, Frankreich, USA


    Dass die Epoche der Romantik nicht bloß als eine „deutsche Affäre“ (Rüdiger Safranski), sondern vielmehr als eine europäische Epoche zu begreifen sei, die zudem transatlantisch ausstrahlt – darüber herrscht wissenschaftlich an und für sich Einigkeit. Und dennoch: In der literaturwissenschaftlichen Praxis wird der Internationalität der Romantik nur eher selten Rechnung getragen. Hier setzt das Seminar an, in dem es zunächst deutsche, französische und US-amerikanischen Autorinnen und Autoren und ihre Werke ins Blickfeld rückt, um sodann vergleichend nach Gemeinsamkeiten und Differenzen innerhalb des Korpus zu fragen. Auf dieser Grundlage wiederum gilt es die historische Romantik vom Romantischen als einem epochenübergreifenden, modernespezifischen Phänomen abzugrenzen, das noch in Produkten der gegenwärtigen globalen Populärkultur greifbar ist.

    Eine genaue Leseliste wird in der ersten Sitzung ausgegeben. Zur Vorbereitung empfiehlt sich die jüngst erschienene Monografie von Dirk von Petersdorff: Romantik. Eine Einführung, Frankfurt am Main 2020.

  • Wintersemester 2020/21

    Vorlesung: Goethe und/in Amerika

    Goethe als Nationalschriftsteller der Vereinigten Staaten – wer sich mit der amerikanischen Literatur- und Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts befasst, kann sich dieses Eindrucks kaum erwehren. Für viele Autoren des jungen Amerika ist Goethe eine der zentralen Orientierungsgrößen auf dem Weg zu einer genuin amerikanischen Poetik. Umgekehrt war Goethe im Alter seinerseits zutiefst fasziniert von der technischen Innovationskraft, der sozialen Vielfalt und religiösen Diversität der USA, was sich nicht nur in seinen Lektüren und Aufzeichnungen, sondern auch in seinen literarischen Werken niederschlägt, besonders prägnant in dem Gedicht „Den Vereinigten Staaten“ von 1825 mit seinem vielzitierten Eingangsvers: „Amerika, du hast es besser“.

    Die Vorlesung zeichnet diesen transatlantischen Aneignungsprozess von beiden Seiten des Atlantiks her nach. Sie fragt zunächst nach den Quellen und Lektüren, die Goethes Amerikabild bestimmen, und rekonstruiert sodann seine essayistische und literarische Auseinandersetzung mit den USA. Auf dieser Grundlage stellt die Vorlesung einige einschlägige Positionen der amerikanischen Goethe-Rezeption vor, von Ralph Waldo Emerson, Margaret Fuller und Frances Harper über Walt Whitman und Henry James bis zu Saul Bellow. Was sich in dieser doppelten Optik zeigt, ist ein vielschichtiges Beispiel für jenen „geistigen Handelsverkehr“, den Goethe selbst als Kernprinzip einer modernen „Weltliteratur“ beschrieb.

    Zur Einführung empfiehlt sich der Aufsatz von Walter Hinderer: Goethe und Amerika, in: W.H./ Alexander von Bormann (Hg.): Goethe und das Zeitalter der Romantik, Würzburg 2002, S. 498-505, sowie zur kultur- und literaturhistorischen Kontextualisierung der Band von David E. Wellbery und Ernst Osterkamp: Deutscher Geist, ein amerikanischer Traum, Marbach am Neckar 2010.


    Seminar: „Doktor Faustus“ – Thomas Manns amerikanischer Deutschlandroman?

    Ein Buch, das in seinem „innersten Kern“ von der „tragischen Verkettung“ von „deutscher Musik“ und „deutscher Katastrophe“ handelt, wie Hans Rudolf Vaget über den „Doktor Faustus“ schrieb – es ist zugleich ein sehr amerikanisches Buch. Entscheidend ist dabei nicht allein die Tatsache, dass Thomas Mann es zwischen 1943 und 1947 in seinem kalifornischen Exil verfasste. Vielmehr sind auch der werkgeschichtliche Kontext (vor allem die politische Essayistik aus der Zeit des zweiten Weltkriegs), die Perspektive des Autors (der Mitte der vierziger Jahre ein nicht mehr nur räumlich Außenstehender war), zum Teil auch seine Einflüsse (unter anderem durch die folgenreiche Begegnung Manns mit dem Unitarismus) amerikanisch geprägt. In einer gemeinsamen textnahen Lektüre des Romans, die ergänzt werden soll durch Quellenstudien und Forschungsreferate, wird das Seminar den amerikanischen Spuren in Thomas Manns großem Deutschlandroman nachgehen – und ihn so als ein Stück transatlantischer Weltliteratur erkennbar werden lassen.

    Zur Einführung in den biografischen und werkgeschichtlichen Kontext empfiehlt sich das Standardwerk von Hans Rudolf Vaget: Thomas Mann, der Amerika. Leben und Werk im amerikanischen Exil 1938-1952, Frankfurt am Main 2011.

  • Sommersemester 2020

    Seminar: Listen, Germany! Thomas Manns Radiosendungen 1940–1945

    Thomas Manns während des Zweiten Weltkriegs aus dem kalifornischen Exil über die BBC nach Deutschland gesendete Radioansprachen gehören zu seinen bedeutendsten politischen Schriften. Zugleich sind sie äußerst vielschichtige Medienphänomene: Das anspruchsvolle Vorhaben, Manns Stimme im medial abgeschirmten Deutschland hörbar werden zu lassen, setzte die Beteiligung zahlreicher Akteure, Institutionen und die Nutzung unterschiedlicher Technologien und Infrastrukturen voraus. Das Seminar analysiert Thomas Manns Reden aus textanalytischer, medienspezifischer und nicht zuletzt performanztheoretischer Sicht.

    Eine profunde Einführung in die politischen Aktivitäten Thomas Manns im amerikanischen Exil bietet Hans Rudolf Vaget: Thomas Mann, der Amerikaner. Leben und Werk im amerikanischen Exil 1938-1952, Frankfurt am Main 2011. Den Radioansprachen im Einzelnen widmet sich Sonja Valentin: Steine in Hitlers Fenster. Thomas Manns Radiosendungen 1940-1945, Göttingen 2015.


    Seminar: Re-Education und Kinderliteratur

    „Re-Education“, also die intellektuelle und moralische Neugestaltung der deutschen Gesellschaft nach 1945, war neben der institutionenbezogenen „Democratization“ ein Kernelement der alliierten Besatzungspolitik in Deutschland. Die Literatur erfüllte in diesem Kontext eine zentrale Funktion, und dies nicht nur im Bereich der Erwachsenen-, sondern insbesondere auch der Kinderliteratur: Wo ließe sich die angestrebte Umorientierung der Deutschen zu Liberalität, Individualität und Freiheit nachhaltiger gestalten als bei jungen Leserinnen und Lesern? Das forschungsorientierte Seminar wird sich dem Problemkomplex einerseits aus text- und medienanalytischer, andererseits aus sozial- und politikhistorischer Perspektive nähern, um so zu einem möglichst differenzierten Gesamtbild zu gelangen.

    Zur allgemeinen Einführung eignen sich Gundel Mattenklott: Zauberkreide. Kinderliteratur seit 1945, Stuttgart/Weimar 1989, sowie, weiterhin, Hansjörg Gehring: Amerikanische Literaturpolitik in Deutschland 1945-1953: Ein Aspekt des Re-Education-Programms, Stuttgart 1976.