
Geduldiger Kampf gegen tückische Krankheit
16 Wochen ...
... haben Franziska Krupp und Lukas Meisel Zeit, um herausfinden, ob sie nach ihrem Medizinstudium in der Neurologie ihre Facharztausbildung beginnen wollen. Im Praktischen Jahr (PJ), dem letzten Abschnitt ihres Studiums, verbringen sie ein Drittel ihrer Zeit in der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Münster (UKM). Bald legen sie das finale dritte Staatsexamen ab. „Ich habe Neurologie als Wahlfach gewählt, weil es eine intellektuelle Disziplin ist“, sagt Lukas Meisel. „Hier zählen Gespräche und Überlegungen mehr als apparative Diagnostik – das gefällt mir.“ Besonders das Krankheitsbild Parkinson begegnet den beiden PJlern nun erstmals in der klinischen Praxis.
Zwar lernen Medizinstudierende in Münster schon früh Neuroanatomie, doch danach rücken andere Themen in den Fokus. „Wer sich für Neurologie interessiert, braucht Geduld“, erklärt Franziska Krupp. Erst im achten Semester, im sogenannten Kopf-Hals-Semester, stehen neurologische Vorlesungen, etwa von ihrer Betreuerin Dr. Inga Claus zu Parkinson, auf dem Plan. Im PJ können die beiden ihr Interesse an der „Neuro“ vertiefen. „Ich schaue regelmäßig in den ,Trepel‘, das Standardwerk für Neuroanatomie, um die Grundlagen zu festigen“, erzählt Lukas Meisel.
In der Klinik arbeiten sie wie Assistenzärzte: Sie übernehmen unter Anleitung Aufgaben und betreuen eigene Patientinnen und Patienten. Besonders jene, die an Parkinson erkrankt sind, werden meist ambulant versorgt. Doch sogenannte Parkinsonkomplexbehandlungen in der Klinik ermöglichen ein intensiveres Arbeiten. Drei Wochen lang kommen physio- und ergotherapeutische, logopädische, pharmazeutische und weitere medizinische Verfahren zum Einsatz. Für die PJler ist das eine gute Gelegenheit, die Komplexität und Details der Erkrankung und ihrer Behandlung kennenzulernen.
Rund 12 Monate ...
... lang forscht Angelina Bethke im Rahmen ihrer Doktorarbeit zu parkinsonassoziierten Schluckstörungen, sogenannten Dysphagien. Anders als Franziska Krupp und Lukas Meisel hat sie ihr zweites Examen und das PJ noch vor sich. Doch sie widmet sich bereits intensiv dem Krankheitsbild Parkinson. „Ich wollte nicht nur im Labor stehen, sondern Forschung und Klinik verbinden“, sagt die 23-Jährige. Neben dem Studium arbeitet sie dafür mit einem Assistenzarzt, der als Betreuer der Doktorarbeit fungiert, in der Klinik für Neurologie des UKM zusammen.
Seit Februar gehört die Parkinsonforschung zu ihrem Alltag. Nach erfolgreicher Bewerbung bei ihrer Doktormutter Inga Claus begann sie ihre Dissertation. „Mir war wichtig, ein Thema zu finden, das mich interessiert und relevant ist. Parkinson ist vielschichtig und betrifft viele Menschen. Die Forschung zu Dysphagien ist zwar nur ein kleiner, aber bedeutender Teil“, betont sie. Tückisch ist, dass viele Betroffene ihre Schluckstörungen zunächst nicht bemerken, dadurch hervorgerufene Lungenentzündungen aber die Haupttodesursache für Parkinsonbetroffene sind.
Angelina Bethkes Arbeit stützt sich auf die funktionelle endoskopische Schluck-Untersuchung (FEES) bei Betroffenen mit genetisch bedingten Parkinsonsyndromen. Logopäden erstellen FEES-Videos, bei denen eine Sonde durch die Nase den Kehlkopf und den Schluckvorgang filmt. Angelina Bethke analysiert die Aufnahmen, bewertet Schluckprobleme mit einem Punktesystem und sucht nach Mustern. Ihre zentrale Frage: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Schluckstörungen und bestimmten Genmutationen? Falls ja, könnten Diagnostik und Therapie für die Parkinsonpatienten verbessert werden. „Die Arbeit macht mir großen Spaß. Ich bin sehr selbstständig, gleichzeitig ist die Zusammenarbeit in der Klinik und im Institut hervorragend“, sagt sie.
Seit 14 Jahren ...
... schon widmet sich Inga Claus der neurodegenerativen Krankheit Parkinson. Ihr Interesse gilt aber nicht nur den zugrunde liegenden Pathomechanismen, sondern vor allem den Betroffenen. „Die Menschen sind freundlich, motiviert und dankbar“, betont sie. Dank zahlreicher Therapieoptionen kann sie ihnen oft über Jahre helfen. „Es geht nicht nur darum, die Verschlechterung aufzuhalten, sondern häufig auch Symptome zu verbessern. Das macht die Arbeit erfüllend.“
In der Forschung, etwa durch klinische Studien, trägt ihre Arbeitsgruppe dazu bei, die Krankheit besser zu verstehen und zu behandeln. Trotz mancher Herausforderung ist die habilitierte Oberärztin optimistisch. „In absehbarer Zeit werden in Deutschland und in Münster Studien zu neuen Medikamenten mit krankheitsverzögernder Wirkung starten“, berichtet die stellvertretende Sprecherin des „Parkinsonnetzes Münsterland+“. Auch für die Neurologie sieht sie eine vielversprechende Zukunft. „Das Fach wächst mit neuen Therapieoptionen und Spezialisierungen. Das macht es für Mediziner im klinischen Bereich und in der Forschung attraktiv.“
Die Investitionen in die Bekämpfung neurodegenerativer Krankheiten steigen. Im Kampf gegen Parkinson brauche es eine „Grundgeduld“ und die Fähigkeit, individuelle Probleme zu erkennen und zu lösen. Dies ist besonders wichtig, weil die Zahl der Betroffenen Jahr für Jahr steigt. „Jeder klinisch praktizierende Arzt sollte ein Grundverständnis für die Krankheit und ihre Behandlungsmöglichkeiten haben, weil Betroffene auch in vielen anderen medizinischen Fachgebieten aufschlagen, von der inneren Medizin bis hin zur Chirurgie.“
Egal ob sie neu dabei sind, schon erste Schritte in der Forschung zurückgelegt haben oder anerkannte Experten sind: Das Team um Inga Claus arbeitet an der Uni und im Klinikum daran, Parkinson besser zu verstehen und den Betroffenen zu helfen.
Mehr über Parkinson und die Arbeit von Inga Claus in Lehre, Forschung und Klinik erfahren Sie in der neuen Folge des „Umdenken“-Podcasts der Uni Münster.
Autor: André Bednarz
Dieser Artikel ist Teil einer Themenseite zur Parkinsonforschung und stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 6, 1. Oktober 2025.
Links zu dieser Meldung
- Zur Folge des „Umdenken“-Podcasts mit Inga Claus
- Die Webseite von Dr. Inga Claus’ Arbeitsgruppe
- Weiterer Beitrag der Themenseite: Forscher machen Mut
- Weiterer Beitrag der Themenseite: Interview mit Neuropsychologin Prof. Dr. Ricarda Schubotz
- Weiterer Beitrag der Themenseite: Sportwissenschaftliche Studie zu Gangstörungen
- Weiterer Beitrag der Themenseite: Gastbeitrag von Apothekerin Dr. Isabel Waltering
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