
Parkinson: Forscher machen Mut
Wenn es beim Menschen um Motivation, das Gefühl der Belohnung oder allgemein um eine positive Stimmung geht, spielt Dopamin im Gehirn eine entscheidende Rolle. Ein Mangel an diesem „Glückshormon“ kann unangenehme Konsequenzen haben – Antriebslosigkeit oder Bewegungsprobleme beispielsweise. Weit schlimmer ist jedoch eine Folge, die sich in den kommenden Jahrzehnten rund um den Globus zeigen wird: Die Zahl der Parkinson-Fälle wird drastisch steigen. Waren vor vier Jahren weltweit noch rund zwölf Millionen Menschen von dieser neurologischen Erkrankung betroffen, werden es einer aktuellen Studie von chinesischen und kanadischen Wissenschaftlern zufolge im Jahr 2050 mehr als 25 Millionen sein. Für Deutschland prognostizieren die Experten im gleichen Zeitraum einen Anstieg um fast 40 Prozent bis auf 574.000 Fälle. „Es gibt keine andere Krankheit, bei der die Zahl der Patienten dermaßen steil steigt“, betont Oberärztin Dr. Inga Clauß, die an der Medizinischen Fakultät der Universität Münster vor allem zu Schluckstörungen in Folge der Parkinson-Erkrankung forscht.
Es mangelt nicht an Warnhinweisen. Die chinesisch-kanadische Wissenschaftlergruppe prophezeit, dass sich die Parkinson-Krankheit in den kommenden Jahrzehnten „zu einer der größten Herausforderungen für die Patienten, ihre Familien, Pflegekräfte und die Gesellschaften insgesamt“ entwickeln werde. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer bis 2040 weltweit nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache sein werden. Am schnellsten steigen derzeit die Parkinson-Zahlen in Indonesien (plus 184 Prozent von 2021 bis 2050), gefolgt von Mexiko (plus 171 Prozent) und Indien (plus 168 Prozent).
Parkinson ist das Ergebnis eines schleichenden Verlustes von dopaminhaltigen Nervenzellen im Mittelhirn. Die Folge sind Bewegungseinschränkungen, Muskelsteifheit, Sprachstörungen oder Zittern. Neben dem Risiko der Vererbung innerhalb einer Familie – etwa zehn Prozent der Erkrankungen sind genetisch bedingt – gelten vor allem der demografische Wandel mit der allgemein steigenden Lebenserwartung und Umweltbelastungen als wesentliche Ursachen für den Anstieg. Das typische Erkrankungsalter liege zwischen 55 und 60 Jahren, erläutert Inga Clauß. „Zudem stellen Umweltgifte wie Pestizide in der Landwirtschaft ein großes Problem dar, was auch erklären könnte, warum die Zahl der Patienten in Weinberg-Regionen und in sich wirtschaftlich schnell entwickelnden Schwellenländern stetig zunimmt.“ Seit 2024 ist Parkinson eine anerkannte Berufskrankheit für Landwirte.
Aber so schnell wie die Patientenzahlen in die Höhe schnellen, so rasant vermeldet auch die Wissenschaft ermutigende Forschungsergebnisse im Kampf gegen die Krankheit. Mit Biomarkern und einem neuen Bluttest soll es möglich sein, Vorhersagen über eine bevorstehende Erkrankung zu treffen, was eine frühzeitige Gentherapie ermöglicht. „Wir rechnen damit, dass wir bei acht von zehn Risikopatienten eine Parkinson-Erkrankung mehrere Jahre im Voraus vorhersagen können“, unterstreicht die dritte Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen, Prof. Dr. Brit Mollenhauer.
Der Präsident der österreichischen Parkinson-Gesellschaft, Prof. Dr. Walter Pirker, geht sogar noch einen Schritt weiter. Auch neue Analysemethoden und die Potenziale der Nuklearmedizin könnten zu einer erhöhten Treffsicherheit der Diagnosen führen. „Die genetische Forschung wird in den nächsten zehn Jahren einen massiven Fortschritt bringen, wenn es darum geht, die Entstehung und Entwicklung dieser Krankheit zu verstehen“, prophezeit der Neurologe. „Dies wird hoffentlich auch einen Durchbruch bei den Therapien bringen.“
Und was lässt sich präventiv gegen die Krankheit machen? Zwar seien viele Menschen „schicksalshaft“ vom Ausbruch der Erkrankung betroffen, betont Inga Clauß. Sie wünscht sich gleichwohl mehr Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit und den weiteren Ausbau spezialisierter Zentren. Schließlich könne sich auch jeder Einzelne mit einem „möglichst gesunden Lebensstil“ gegen Parkinson wappnen. „Ich empfehle, sich gesund zu ernähren und möglichst lange möglichst fit zu bleiben.“
Autor: Norbert Robers
Zahlen, Daten und Fakten zu Parkinson:
- Parkinson ist der Oberbegriff für verschiedene neurodegenerative Syndrome mit Parkinson-typischen Symptomen.
- Die Bezeichnung „Morbus Parkinson“ wurde erstmals 1876 verwendet und geht auf den englischen Arzt James Parkinson zurück, der die als „Schüttellähmung“ bezeichnete Erkrankung 1817 beschrieb.
- Ursache sind falsch abgelagerte Proteine, die dopaminproduzierende Nervenzellen schädigen; die zugrundeliegenden Entstehungsmechanismen sind bis heute nicht final verstanden.
- Dopaminmangel ist verantwortlich für viele Symptome, etwa eine instabile Körperhaltung und die motorischen Kardinalsymptome Zittern, verlangsamte Bewegungen und Muskelstarre.
- Das Haupterkrankungsalter liegt zwischen 55 und 60 Jahren.
- Erste Anzeichen können Jahre vor den Hauptsymptomen auftreten: Schlaf- oder Riech-Störungen, Gelenk- und Muskelschmerzen, Störungen der Feinmotorik oder eine depressive Stimmung.
- 2021 gab es weltweit 11,9 Millionen Parkinsonpatientinnen und -patienten, in Deutschland sind es aktuell etwa 400.000 Menschen.
- Männer erkranken etwa 1,5-mal häufiger als Frauen.
Dieser Artikel ist Teil eines Themenpakets zur Parkinsonforschung stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 6, 1. Oktober 2025.
Links zu dieser Meldung
- Podcast mit Neurologin Dr. Inga Claus zu Parkinson
- Weiterer Beitrag der Themenseite: Drei Perspektiven aus der Unimedizin
- Weiterer Beitrag der Themenseite: Interview mit Neuropsychologin Prof. Dr. Ricarda Schubotz
- Weiterer Beitrag der Themenseite: Sportwissenschaftliche Studie zu Gangstörungen
- Weiterer Beitrag der Themenseite: Gastbeitrag von Apothekerin Dr. Isabel Waltering
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