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Auf dem Foto sieht man Prof. Dr. Ricarda Schubotz mit einem Modell eines menschlichen Gehirns. Sie forscht am Arbeitsbereich Biologische Psychologie an kognitiven und motorischen Defiziten von Menschen mit Parkinson.<address>© Uni MS - Peter Leßmann</address>
Prof. Dr. Ricarda Schubotz forscht am Arbeitsbereich Biologische Psychologie an kognitiven und motorischen Defiziten von Menschen mit Parkinson.
© Uni MS - Peter Leßmann

„Die passende Dosierung zu finden, ist ein schmaler Grat“

Neuropsychologin Ricarda Schubotz erläutert Ablauf neurologischer Studien

In der biologischen Psychologie forscht Prof. Dr. Ricarda Schubotz zu neurologischen Prozessen, die im Gehirn von Parkinsonpatientinnen und -patienten ablaufen. Mit Blick auf die motorischen und kognitiven Probleme der Erkrankten spielt die Dopaminversorgung eine große Rolle. Im Interview mit Hanna Dieckmann erklärt die Neurowissenschaftlerin, wie Studien dazu ablaufen.

Sie haben einen Magisterabschluss in Philosophie, einen Doktor in Kognitionswissenschaften und habilitierten in der Medizin: Wie sind Sie zur Parkinsonforschung gekommen?

Das Gehirn und das menschliche Denken haben mich schon immer fasziniert. In meiner Zeit am Max-Planck-Institut für neurologische Forschung habe ich schwerpunktmäßig an der Schnittstelle zwischen Motorik und Kognition geforscht. Bei Menschen mit Parkinson wissen wir, dass sie motorische Defizite haben. Aber auch in anderen Bereichen, zum Beispiel in kognitiven und affektiven, treten Probleme auf.

Was erforschen Sie genau?

Betroffene merken häufig zuerst, dass etwas mit ihrer motorischen Stabilität und Flexibilität nicht stimmt. Sie stolpern oder stürzen schneller, sind also körperlich nicht mehr so stabil. Motorische Prozesse fordern aber auch Flexibilität, zum Beispiel, wenn ich auf eine geschlossene Tür zulaufe. Ich verlangsame meinen Schritt, greife die Klinke, öffne die Tür und gehe weiter. Auch diese Funktion ist bei Parkinson gestört. Ich forsche daran, ob sich diese Probleme auch in kognitiven Abläufen nachweisen lassen. Dabei ist es wichtig, den Auslöser näher zu beschreiben. Bei der Parkinsonkrankheit sterben Dopamin produzierende Zellen im Gehirn ab. Es gibt also einen eklatanten Mangel dieses Botenstoffs. Dopamin ist nicht nur für unsere Bewegung wichtig, sondern für eine große Bandbreite an Funktionen, darunter auch kognitive.

Welche Methode wenden Sie an, um nachzuweisen, dass auch die Kognition betroffen ist?

Im Krankenhaus muss regelmäßig überprüft werden, ob die Medikation noch passt. Zu diesem Zweck müssen jedoch Medikamente, die die fehlende Dopaminversorgung ausgleichen, abgesetzt werden. So sieht man, wo die Betroffenen wirklich stehen und welche Medikamentendosis zukünftig nötig ist. In dieser Phase untersuchen wir die Personen, sowohl im Zustand ohne medikamentöse Hilfe als auch mit Medikation. Studien zu motorischen Problemen bei Parkinson gibt es viele, aber kaum solche zu kognitiven Defiziten.

Wie sehen diese Tests aus?

Wir untersuchen die kognitive Flexibilität und Stabilität in ein und derselben Aufgabe. Dazu sitzen die Patientinnen und Patienten am Computer und sehen eine einfache Zahlenabfolge – zum Beispiel eins, zwei, drei, vier – die in Dauerschleife durchläuft. Ab und zu wechselt jedoch die Reihenfolge, also vier, drei, zwei, eins. Wenn es diesen Switch gibt, sendet ein gesundes Gehirn mithilfe von Dopamin das Signal, dass das bisherige Vorhersagemodell ,aufwärts' nicht mehr gültig ist. Die Regel kehrt sich um. Wenn die Personen diese Veränderung bemerken, geben sie das durch einen Knopfdruck an. Dieser Test der kognitiven Flexibilität klingt für einen gesunden Menschen sehr einfach.

Und die Stabilität … ?

Sie wird in dieselbe Aufgabe integriert. Während die Zahlenreihenfolge läuft – aufwärts oder abwärts – fällt ab und zu eine Zahl weg. Dann geht es zum Beispiel so: eins, zwei, vier, eins, zwei, drei, vier. Wir geben den Probanden also eine kleine Irritation in den Ablauf, das nennen wir Drift. Ein motorischer Vergleich wäre das Ausrutschen auf einer Eisplatte. Gesunde Menschen fangen sich in den meisten Fällen. Ob motorisch oder kognitiv, im Normalfall ist man in der Lage, solche Irritationen schnell zu verarbeiten. Den Drift sollen die Probandinnen und Probanden übrigens ignorieren und nicht den Knopf drücken, der einen Switch anzeigt.

Auch gesunde Menschen können sich bei dieser Aufgabe irren …

Darum untersuchen wir immer auch eine gesunde Kontrollgruppe. Bei allen Testpersonen treten zwei Fehlersorten auf: Der Switch wird übersehen, oder ein Drift wird fälschlicherweise als Switch angegeben. Was wir sehen, ist zweierlei: Zum einen ist in allen Gruppen – ob neurologisch gesund oder erkrankt – immer eine gewisse Varianz zu erkennen. Nicht jeder und jede kann gleich gut mit einer solchen Aufgabe umgehen. Bei Menschen mit Parkinson liegt das Niveau der Fehleranfälligkeit aber deutlich höher.

Der entscheidende Faktor, wie flexibel und stabil Menschen auf solche Aufgaben reagieren, ist die Dopaminversorgung im Gehirn?

Ja, die Studien zeigen, dass gesunde Menschen mit ausreichend Dopamin gute Vorhersagestrukturen haben, in denen sie flexibel und stabil sind. Das funktioniert bei einer Unterversorgung nicht. Das Gehirn ist jedoch so fein justiert, dass man bei der Medikamentengabe schnell in eine Überversorgung kommt. In diesen Fällen sind Halluzinationen eine häufige Nebenwirkung. Individuell die passende Dopamindosierung zu finden, ist ein schmaler Grat. Gleichzeitig ist es ein Schlüssel zu einer guten Behandlung der Krankheit.

Dieser Artikel ist Teil einer Themenseite zur Parkinsonforschung und stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 6, 1. Oktober 2025.

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