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Münster (upm).
Zu sehen ist die Sängerin Maiva und das Publikum vor der Konzertmuschel im Schlossgarten.<address>© Uni MS - Christoph Steinweg</address>
Sängerin Maiva, Absolventin der Musikhochschule, auf der Bühne beim Schlossgartenfest.
© Uni MS - Christoph Steinweg

Mit Gesang die Welt umarmen

Die Musikhochschule bereitet Studierende darauf vor, das Singen zum Beruf zu machen

Die eigene Stimme einzusetzen, zählt zu den Dingen im Leben, die gleichzeitig leicht und schwer sind. Vielleicht ist das vergleichbar mit Fußball. Auf dem Hof eine leere Konservendose hin und her zu kicken, fällt bereits kleinen Kindern leicht. Als Amateur in einer Mannschaft zu spielen, ist ein Ausgleich zum Alltag, man lernt andere Menschen kennen und kann im besten Fall sportliche Erfolge erzielen. Im Spitzensport ist der Einsatz höher und die Luft dünner. Ähnlich bei der Stimme: Von Minute eins auf dieser Erde setzen die allermeisten Menschen sie ein, um sich bemerkbar zu machen, aber relativ früh im Leben auch, weil es Spaß macht, eigene Laute zu bilden oder anderen nachzuplappern. Schon Kleinkinder singen gerne. Einer aktuellen, bundesweiten Studie zum Amateurmusizieren zufolge engagieren sich viele regelmäßig in Chören oder Bands. Mit nichts als der eigenen Stimme auf einer Bühne zu stehen und einen ganzen Saal zu füllen, womöglich über den Klang eines groß besetzten Orchesters hinweg zu singen, birgt jedoch Herausforderungen, die weit über ein Hobby hinausgehen. Gesang als Beruf setzt wie im Sport einen Mix aus Talent und Training voraus.

Zu sehen ist der Oratorienchor der Universität, begleitet vom Kourion-Orchester, bei einer Aufführung im Mai 2025 in der Erphokirche.<address>© Uni MS - Brigitte Heeke</address>
Viele Chöre an der Universität bieten begeisterten Hobbysängerinnen und -sängern die Möglichkeit, bei großen Aufführungen mitzusingen – wie hier der Oratorienchor.
© Uni MS - Brigitte Heeke
Annette Koch, Professorin an der Musikhochschule der Universität Münster, begleitet Studierende auf dem Weg zum künstlerischen und stimmlichen Erfolg. „Die Liebe zur menschlichen Stimme und zum Gesang“ war schon immer ihr Thema. Sie wollte schon mit vier Jahren Sängerin werden. Mit zwölf habe sie erste kleine Rollen am Theater Hagen gesungen. „Wir tragen unsere Stimme, unser Instrument in uns, sie ist Teil unseres Körpers“, schildert die Sängerin. „Um Solopartien zu übernehmen, braucht man sehr viel Disziplin und Stimmpflege.“ Darüber hinaus ist Resilienz erforderlich, wenn es mal nicht so läuft wie erhofft. Trotzdem liebt die Mezzosopranistin ihren Beruf und empfiehlt ihn auch weiter, jedenfalls wenn man das Talent, die Stimme und „den unbedingten Wunsch“ dazu habe.

Das sieht Stefan Adam ähnlich. „Singen ist eine wunderbare Art der Kommunikation“, findet der Konzert- und Opernsänger, der ebenfalls an der Musikhochschule unterrichtet. Man erreiche Menschen auf andere Weise als über das gesprochene Wort. „Wenn man die Begabung dazu hat und diese mit anderen teilen möchte, ist es Grund genug, Gesang zu studieren.“

Im Vergleich zu anderen Standorten wie Köln oder Hannover ist die Gesangsklasse in Münster klein. Nur 27 Studierende sind an der Universität Münster derzeit für ein klassisches Gesangsstudium eingeschrieben, hinzu kommen neun Gesangsstudierende in der Popularmusik. „Als kleine Hochschule haben wir den Vorteil, dass eine persönliche Betreuung möglich ist. Wir kennen unsere Studierenden sehr gut, gehen flexibel auf ihre jeweilige Situation ein“, erläutert Annette Koch. Das biete viel Raum, das Künstlerische zu entwickeln. Studierende können zudem an Projekten wie dem Opernstudio in Kooperation mit dem Theater Münster oder den regelmäßigen Opernproduktionen der Hochschule mitwirken. Wer den Abschluss geschafft hat, bekommt häufig Stellen in Opernchören oder arbeitet freischaffend. Einige machen international Karriere, etwa die Mezzosopranistin Anna-Doris Capitelli, die als Jungstudentin bei Annette Koch angefangen hat und mittlerweile Engagements an der Mailänder Scala erhält.

Um Gesang studieren zu können, muss man in einer Aufnahmeprüfung Partien aus mehreren Epochen vorsingen. „Es können auch nur ein oder zwei Töne sein, die uns überzeugen“, berichtet Ines Krome, Sängerin und Honorarprofessorin an der Musikhochschule. Dabei ginge es vor allem um das Timbre der Stimme, „wenn sie am freiesten klingt“. Das passende Volumen käme mit der Zeit, etwa nach den Erfahrungen in einem Opernchor. Das sogenannte Stimmfach, das verschiedene Arten und Charaktere innerhalb der Stimmlagen unterscheidet, sei häufig von körperlichen Anlagen bestimmt – und vom Alter. „Unter Dreißigjährige würde ich selten dem dramatischen Fach zuordnen, das besondere Ansprüche an die Durchsetzungsfähigkeit der Stimme stellt.“

Angehenden Sängerinnen und Sängern empfiehlt die Sopranistin, „sich mit Haut und Haaren“ auf den Beruf einzulassen. Natürlich gebe es Einschränkungen, etwa die ungewöhnlichen Arbeitszeiten der Bühnen an Wochenenden und an den Abenden. „Für mich waren das jedoch keine Entbehrungen.“ Die Sopranistin sieht viele Parallelen zum Sport. „Wie ein Biathlet müssen wir auch im richtigen Moment unseren Puls herunterregeln, mit Lampenfieber umgehen. Es geht um beides, Langstrecke und Präzision.“ Die Ausbildung zum Profigesang finde in einer Art Elfenbeinturm statt. „Dazu stehe ich auch", betont sie. „Wenn nach Konzerten jemand sagt, ,das hat mich berührt‘, freue ich mich.“

Annette Koch fasst das Bühnendasein mit wenigen Worten zusammen: „Singen ist ein Privileg. Das Publikum schenkt uns seine Aufmerksamkeit. Wir geben viel von uns preis und bekommen vom Publikum auch viel zurück. Wenn alles stimmt und die Emotionen von der Bühne zum Publikum und zurück gehen, ist das ein großes Glücksgefühl. Man möchte die ganze Welt umarmen.“

Autorin: Brigitte Heeke

Dieser Beitrag ist Teil einer Themenseite zur Stimme als Instrument des Jahres und stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 4, 12. Juni 2025.

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