|
Münster (upm/anb).
Das Foto zeigt Anna Aubert, die singt und dabei ein Notenheft in der Hand hält.<address>© Uni MS - Linus Peikenkamp</address>
Auf den Promotionsalltag folgt das gemeinsame Singen: Die Rechtswissenschaftlerin Anna Aubert während der Probe im Alexander-von-Humboldt-Haus.
© Uni MS - Linus Peikenkamp

Die Aussprache stimmt

Internationale Studierende und Forscher lernen in zwei Projekten singend Deutsch

„Deutsche Sprache, schwere Sprache“: Meist bezieht sich dieser häufig genutzte Satz auf die Grammatik der deutschen Sprache. Doch auch die Aussprache hat es in sich: Umlaute, die Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten der Laute „f“, „v“, „w“ oder „ph“, Frikative, Diphtonge und so weiter. Das kann vor allem für jene, deren Muttersprache nicht das Deutsche ist, eine große Hürde sein, die Berufs- und Privatleben erschwert. Doch das muss nicht sein, zumindest nicht für jene internationalen Studierenden sowie Forscherinnen und Forscher, die im Sommersemester an zwei musikalischen Veranstaltungsreihen vom Sprachenzentrum beziehungsweise dem International Office (IO) teilnehmen: Sie singen unter professioneller Anleitung der Sängerin, Chorleiterin und Germanistin Aline Klieber gemeinsam deutsche Lieder in kleinen Chören und verbessern so spielerisch und ganzheitlich ihr (gesprochenes) Deutsch.

Die Lehrveranstaltung

Aline Klieber sitzt an einem Klavier, im Hintergrund sind Studierende mit Notenblättern zu sehen.<address>© Uni MS - Brigitte Heeke</address>
Mit dem Klavier begleitet Aline Klieber die Studierenden in der KSHG-Aula beim Singen.
© Uni MS - Brigitte Heeke
Einfach drauflossingen können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kurses „wissen.leben.singen“, einem Chorprojekt für internationale Studierende des Sprachenzentrums, aber nicht. Schließlich handelt es sich um eine offizielle Lehrveranstaltung, für die es im Erfolgsfall Leistungspunkte gibt. Das Interesse ist dennoch groß. Aline Klieber musste zu Semesterbeginn den Kurs kurzerhand zweiteilen, sodass an einem Semesterdonnerstag gleich zwei Gruppen die Aula der Katholischen Studierenden- und Hochschulgemeinde (KSHG) aufsuchen. Das Kursprogramm ist zu beiden Zeiten identisch: Nach einer Präsentation, mit der die Gruppen eine Lektion zu kurzen und langen Vokalen wiederholen – beispielsweise auf Basis des Gedichts „Er ist’s“ von Eduard Mörike – kommt Bewegung in die Gruppen. Danach transformiert sich der Kurs, verliert den klassischen Seminarcharakter, die Chorleiterin bringt Bewegung in die Gruppe. Aufwärm- und Stimmübungen, mit denen Körper und Stimmapparat aktiviert werden, sind Voraussetzung für das gemeinsame Singen der Chorliteratur: Glieder werden geschüttelt, Tonleiterübungen vollzogen („do, re, mi“). Spürbar ist, dass es neben Freude auch einige Hemmungen gibt, laut und präsent zu sein, weshalb Aline Klieber freudig mehr Energie fordert: „Ein falscher Ton ist immer besser als kein Ton.“

Sogleich wird es lauter und lockerer, die Studierenden singen unter anderem Hannes Waders „Heute hier, morgen dort“ oder Cesar Bresgens „Lachend kommt der Sommer über das Feld“ und üben daran den Inhalt der heutigen Lektion – die verschiedenartigen „ch“-Laute wie in „ich“ und „ach“. Zudem geht es um musikalische Grundlagenarbeit, da die Studierenden nicht nur für Leistungspunkte hier sind, sondern auch zur Vorbereitung eines Konzerts am 24. Juni um 19 Uhr in der Petrikirche ...

Das Freizeitangebot

Im Alexander-von-Humboldt-Haus geht es an einem Frühlingsabend etwas kleiner und vertrauter zu. „Deutsch lernen im Chor – Learning German in a Choir“ lautet der Titel der Veranstaltung, mit der sich das „Lehrgebiet Deutsch als Fremdsprache“ des Sprachenzentrums in Kooperation mit dem International Office an internationale Forschende wendet. Die zehn Teilnehmerinnen haben Feierabend, müssen anders als die Studierenden keine Leistung erbringen, es geht allein um das gemeinsame stimmliche Erleben und Lernen. Auf die obligatorischen Aufwärm- und Lockerungsübungen folgt eine kurze Besprechung von deutschen phonetischen Phänomenen wie dem Unterschied zwischen „u“ und „ü“. Anschließend füllt der Klang der deutschen Poplieder „Komet“ und „99 Luftballons“ den Raum. Fröhlich und offen singt diese bunt gemischte Gruppe aus Brasilianerinnen, Italienerinnen, Portugiesinnen, Polinnen und Chinesinnen. „Musik ist ein großartiges Mittel, um Deutsch zu lernen. Aline ist sehr offen, sie bringt viel Energie mit“, betont die Brasilianerin Anna Aubert nach der Probe. Als ausländische Forscherin fühle sie sich manchmal isoliert, der Kurs sei daher sehr wichtig für sie.

Das Foto zeigt Aline Klieber. Sie hält einen Zeigefinger an ihre Lippen, um die Lippenbewegung einer Aussprache zu demonstrieren.<address>© Uni MS - Linus Peikenkamp</address>
Aline Klieber ermahnt hier nicht etwa zur Ruhe, sondern macht eine Übung vor, mit der die Teilnehmerinnen ihre Aussprache überprüfen und verbessern können.
© Uni MS - Linus Peikenkamp
Der Chorleiterin gelinge es, die Aussprache deutlich zu verbessern. Während der Probe entsteht ein Gefühl der Ergriffenheit, gespeist von der Beobachtung, wie viel Mühe sich die Teilnehmerinnen geben, die deutsche Sprache zu erlernen, wie sie die Endung von „Luftballons“ meistern, ein „f“ gelegentlich ins „w“ abzurutschen droht („Feld“ und „Welt“) oder sie die richtige Länge des ersten „o“ in „Horizont“ suchen. Doch unbeirrt bilden sie wie die Studierenden in der KSHG-Aula eine Harmonie und zeigen, was das gemeinsame Singen vermag: Es verbindet und ist lehrreich für viele Lebenslagen.

Autor: André Bednarz

Dieser Beitrag ist Teil einer Themenseite zur Stimme als Instrument des Jahres und stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 4, 12. Juni 2025.

Links zu dieser Meldung