Abgeschlossen
Trapp, Franziska (2020): Lektüren des Zeitgenössischen Zirkus. Ein Modell zur text-kontext-orientierten Aufführungsanalyse. Berlin/Boston: De Gruyter.
© De Gruyter Leine, Torsten (2018): Magischer Realismus als Verfahren der späten Moderne: Paradoxien einer Poetik der Mitte. Berlin/Boston: DeGruyter.
© DeGruyter Hoffmann, Lena (2018): Crossover: Mehrfachadressierung in Text, Markt und Diskurs. Zürich: Chronos.
© Chronos Tetzlaff, Stefan (2016): Heterotopie. Zur Konstruktion anderer Räume als Textverfahren in Romantik und Realismus. DeGruyter: Berlin/Boston.
© DeGruyter Huber, Till (2016): Blumfeld und die Hamburger Schule. Sekundarität – Intertextualität – Diskurspop. Göttingen: V&R.
© V&R König, Michael (2015): Poetik des Terrors. Politisch motivierte Gewalt in deutscher Gegenwartsliteratur. Bielefeld: transcript.
© transcript Knaup, Anna Katharina (2015): Der Männerroman. Ein neues Genre der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Bielefeld: transcript.
© transcript Horsthemke, Maria (2015): "...une manière analogue de déformer le temps". Simultaneität und Totalität bei Carl Einstein und Marcel Proust. Heidelberg: Winter.
© Winter Rakow, Christian (2013): Die Ökonomien des Realismus. Kulturpoetische Untersuchungen zur Literatur und Volkswirtschaftslehre 1850-1900. DeGruyter: Berlin/Boston.
© DeGruyter Hoge, Boris (2013): Schreiben über Russland. Die Konstruktion von Raum, Geschichte und kultureller Identität in deutschen Erzähltexten seit 1989. Heidelberg: Winter.
© Winter Moussa, Brahim (2012): Heterotopien im poetischen Realismus. Andere Räume, Andere Texte. Aisthesis: Bielefeld.
© Aisthesis Herold, Denis (2012): "Im Zeitalter der Sachlichkeit muß man romantisch sein, das ist der Trick." Formen und Funktionen der Neuen Sachlichkeit in Erich Maria Remarques Romanen. Marburg: Tectum.
© Tectum Kleinschmidt, Christoph (2010): Intermaterialität. Zum Verhältnis von Schrift, Bild, Film und Bühne im Expressionismus. Bielefeld: transcript.
© Transcript
Abgeschlossen, noch nicht publiziert
Agethen, Matthias: Am Ende der Erzählung. Nationalökonomie und Erzählliteratur zwischen Verausgabung und Modernisierung 1850-1900.
Sanchino Martinez, Esteban: Pumping Blood – Drastik als kulturelles Paradigma der Populärkultur.
Abstract: Das Dissertationsvorhaben möchte in Anlehnung an Dietmar Daths "Die salzweißen Augen. Vierzehn Briefe über Drastik und Deutlichkeit" analytisch zu einer Ästhetik popkultureller Drastik vordringen. Durch die Verknüpfung von kulturpoetisch-textualistischen und kultursoziologischen Theoremen soll Drastik als ein ästhetisches Grundprinzip einsichtig gemacht werden, das von konventionellen Genregrenzen nicht festgelegt ist. Drastik als Stilprinzip ist konstitutiv für eine Reihe postmoderner, kulturindustrieller Produkte, die einerseits zwar der Popkultur angehören, andererseits in den meisten Theorien zur Popkultur nur unzureichend mitgedacht werden. Im Mittelpunkt der Analyse stehen transmediale Werke, die als massenwirksame und zugleich gesellschaftspolitisch höchst umstrittene Paradigmen drastischer Kunst gelten können, wie etwa Bret Easton Ellis' American Psycho, Lucio Fulcis Splatterfilme und Songtexte aus dem Bereich des Heavy Metal.
Pabst, Philipp: Populärkultur in der deutschsprachigen Literatur. 1950 bis 1970.
Mit der ‚Amerikanisierung‛ der frühen Bundesrepublik steht der deutschsprachigen Literatur ein ebenso umfangreiches wie spannungsvolles Bezugsfeld gegenüber. Insbesondere die Populärkultur wird in den Diskursen der 1950er- und 1960er-Jahre als problematisch ausgewiesen. Beispielhaft hierfür stehen die ‚Schunddebatte‛ sowie die Schriften der Frankfurter Schule um Adorno und Horkheimer. Literarische Texte von Gottfried Benn, Alfred Andersch, Arno Schmidt u. a. sind dagegen nicht einseitig aversiv, sondern von Ambivalenz geprägt. Beobachten lässt sich eine Gratwanderung zwischen dem Distinktionsanspruch der Texte und der Faszination für die schillernden Phänomene des Kinos, der Werbung, der populären Musik. Vor allem die ‚Oberflächen‛, die unterhaltenden, schablonenhaften Schauwerte, forcieren textuelle Aushandlungsprozesse und sorgen für eine verfahrensseitige Crux: Bedeutsamkeit und Sinn werden als Defizite des zeichenhaft selbstreferentiellen Populären ausgestellt. Populärkulturaffine Literatur gerät damit in Profanierungsverdacht. Auf die Defizite, so die These der Arbeit, reagieren die Texte mit Strategien der Semiotisierung und Semantisierung – diese Nobilitierungen kontrastieren ‚Oberfläche‛ durch ‚Tiefe‛, einen spezifischen Duktus der 1950er-Jahre, der Eigentlichkeit und Wertigkeit beansprucht. Da die Textverfahren zu raunender ‚Bedeutsamkeitsevokation‛ und metaphysischer Unbestimmtheit tendieren, werden sie selbst zum Gegenstand distanzierender Reflexionen und ironischer Brechungen.
Das Dissertationsprojekt macht es sich zur Aufgabe, die Verwendungsformen und Funktionen von Populärkultur in der (Hoch-)Literatur der 1950er- und frühen 1960er-Jahre exemplarisch zu rekonstruieren und zu systematisieren. Ausgangspunkte für strukturalistisch-semiotische Analysen und kulturpoetische Text-Kontext-Studien sind Zitate aus US-amerikanischen Schlagersongs und Werbeanzeigen in Gottfried Benns Gedichten, Filmstars wie James Dean und Texte der beat literature in einem Radiofeature Alfred Anderschs oder Genres wie Western, Pornographie und Science-Fiction in der Prosa Arno Schmidts. Mit dem Projekt geht nicht weniger als eine Korrektur der Literaturgeschichte der Nachkriegszeit einher. Durch seinen ambivalenten Umgang mit Populärkultur liefert der Untersuchungszeitraum sowohl eine negative Referenzfolie als auch eine strukturelle Vorgeschichte der frühen Popliteratur um 1968. Darüber hinaus leistet das Projekt theoretische Grundlagenarbeit im Bereich der literarischen Evokation von ‚Bedeutsamkeit‛.Schneider, Jens-Ole: Verkörperte Moderne. Inszenierung und Problematisierung monistischer Anthropologien in der Literatur um 1900.
Anthropologische Theorien haben um 1900 Konjunktur. Mit der schopenhauerisch-nietzscheanischen Triebmetaphysik, der Psychoanalyse Sigmund Freuds oder der darwinistischen Evolutionsbiologie bestehen um die Jahrhundertwende unterschiedliche Diskurse über den Menschen, die aber grundsätzlich die Gemeinsamkeit haben, dass sie den Menschen nicht länger im Sinne einer Dualität zwischen Körper und Geist bzw. zwischen Leib und Seele verstehen, sondern ihn ganz von seinen physiologisch-biologischen Voraussetzungen, von seinem Körper, seiner Sinnlichkeit und nicht zuletzt von seiner Sexualität her deuten und definieren. Mit dem von Panajotis Kondylis bereits für die Aufklärungsforschung etablierten Begriff des Monismus (im Gegensatz zum Dualismus) wird das Dissertationsprojekt erstmals die entscheidenden Parallelen bezüglich der Argumentationsmuster in den anthropologischen Konzepten um 1900 herausstellen und ihre wissens- sowie problemgeschichtliche Verortung untersuchen. Dabei wird sich zeigen, dass die Anthropologie der Jahrhundertwende – ähnlich wie schon im 18. Jahrhundert – auf einen Modernisierungsschub reagiert, der sich vor allem in gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Ausdifferenzierungs- und Rationalisierungsprozessen niederschlägt. Vor dem Hintergrund solcher spezifisch modernen Dissoziationserfahrungen haben die auf ein universelles ‚Wesen des Menschen‘ abzielenden anthropologischen Diskurse vielfach die Funktion, ‚Einheit‘ herzustellen und den Menschen qua seiner körperlich-physischen Verfasstheit in die organische Totalität der Natur bzw. des ‚Lebens‘ zurückzuführen.
Ein Medium, in dem eine solche kulturkritische Funktionalisierung zeitgenössischen biologischen Wissens besonders stark betrieben wird, ist um 1900 die Literatur. Durchaus unterschiedliche Autoren wie Gerhart Hauptmann, Arthur Schnitzler, Frank Wedekind oder Rainer Maria Rilke inszenieren in ihren Texten den Körper als letzte verbliebene Sphäre einer ‚eigentlichen‘, vorrationalen und unmittelbaren Wirklichkeitserfahrung. Besonders anhand von Texten Hugo von Hofmannsthals, Robert Musils und des jungen Thomas Mann möchte ich aber zeigen, dass bestimmte literarische Formen um 1900 nicht nur zur wirkungsvollen Inszenierung, sondern auch zur Problematisierung anthropologischer Wissensbestände eingesetzt werden. Konkret geschieht dies durch die Verwendung von Gattungen wie etwa dem fiktiven Brief oder narrativer Verfahrensweisen wie einem intern fokalisierten oder einem widersprüchlich unzuverlässigen Erzählen. Die semantische Eigenfunktion dieser Formen scheint immer wieder darin zu bestehen, gerade den Mangel eines letztgültigen Wissens und die Perspektivgebundenheit aller Erfahrung und Erkenntnis von Wirklichkeit zu artikulieren. Mittels einer sorgfältigen – insbesondere narratologischen – Analyse kann, so meine These, gezeigt werden, dass die ‚Modernität‘ dieser Texte nicht in der Popularisierung eines naturalisierten Menschenbildes besteht, sondern in der subtilen Literarisierung erkenntniskritischer Vorbehalte, die sich auch gegen den Wissensanspruch der zeitgenössischen Anthropologie zu behaupten vermögen.Seidel, Anna: Retroaktive Avantgarde. Manifeste des Diskurspop.
Knapp 100 Jahre nach dem ersten futuristischen Manifest (1909), das den Auftakt für eine ganze Reihe avantgardistischer Programmschriften bedeutete, bedienen sich deutschsprachige Pop-Gruppen wie Tocotronic, Locas In Love und Ja, Panik erneut der Textsorte. Anders als die Avantgarde-Bewegungen des 20. Jahrhunderts verkünden sie am Anfang des 21. Jahrhunderts allerdings keine zukunftsweisenden, ästhetischen Innovationen. Geht es also um Kampfansagen gegen das Establishment, wie sie etwa noch Ton Steine Scherben mit ihrem Manifest „Musik ist eine Waffe!“ (1970) verkünden? Die Titel der Texte, etwa „Kapitulation (ein Manifest)“ (2007) und „The Angst and the Money“ (2009), scheinen das zu verneinen. Auch sind sich die Manifestierenden darüber im Klaren, dass Pop in den Nullerjahren längst ökonomischen Verwertungslogiken unterliegt. In kulturpoetischen Text-Kontext-Analysen wird aufgezeigt, was es mit den Pop-Manifesten auf sich hat, die in den Spannungsfeldern zwischen Kampf und Verweigerung, Innovation und Retromanie, Pop und Politik, Ästhetik und Verkrampfung sowie Kapitalismuskritik und Business zu verorten sind. Hierfür wird ein breites Archiv an Pop-Manifesten, ihren Prä- und Kontexten in dieser Fülle zum ersten Mal überhaupt erschlossen. Es zeigt sich, dass die Manifeste als Scharnierstellen zu beschreiben sind zwischen einer Vergangenheit mit Zukunftspotential und einer Gegenwart, die diese Zukunft nicht (mehr) emanzipatorisch wirksam imaginieren kann. Das ist die retroaktive Avantgarde.
Im Entstehen
Andres, Lennart: Die Lyrische Form und die kulturpoetische Funktion des deutschen Rap.
Abstract: Deutschsprachigen Rap als lyrische Form oder gar als Gedicht zu begreifen, erscheint anhand formaler Gattungstraditionen leicht. Er bedient sich zum einen der Versform, dies sowohl in strophischen als auch in stichischen Varianten. Dazu tritt zum anderen sein liedhafter Charakter als Sprechgesang im Zwischenraum von Gesang und Gesprochenem. Dennoch, diese vorschnellen Gattungszuweisungen des Raps als eine liedhafte Form des Gedichts, meist unter Hinweis auf das Trivialere bzw. Populäre seiner Art, verschleiern den Blick auf seinen formpoetischen Eigenwert. Obgleich keine Gattungsmerkmale im Sinne einer deskriptiven Poetik für den Rap explizit formuliert worden sind, sind diese dennoch vorhanden, dies ist augenscheinlich: Die Gattung selbst ist nämlich bereits durch einen ständigen Streit um die Form charakterisiert. Die in diesen impliziten Konventionen manifeste lyrische Form Rap soll in der Studie in ihrer textuellen, performativen und medialen Gestalt erfasst werden. Zugleich weist sich Rap in der Folge seiner (schematischen wie avantgardistischen) Formbildung ebenso als kulturpoetisches Produkt aus und hat dabei modellierenden Charakter. Rap kann in diesem Verbund als modellierende Ausdrucksform für eine Jugendkultur gelten und kann zugleich als eine Modellbildung von Gegenwartskultur verstanden werden, die es zu beschreiben gilt. Für eine Betrachtung des literarischen Phänomens Rap im System Kunst lassen sich damit für das angestrebte Vorhaben folgende Fragestellungen formulieren: Inwieweit lässt sich Rap in seiner dargeboten Form mit dem ihm eigenen lyrischen Sprechweisen als eigenwertig innerhalb der literarischen Traditionen und dem Populären bestimmen? Wie lässt sich die kulturpoetische Modellfunktion des Raps im massenmedialen Verbund und damit innerhalb seiner diskursiven sowie intertextuellen Vernetzungen beschreiben? Auf welche Art und Weise generieren Form und Modell des Raps innerhalb dieser Verbünde die Möglichkeit zur Teilhabe, die sinnstiftende Selbstverortung im (vermeintlichen) Gegendiskurs des Populären erlaubt?
Böni, Oliver: Soteriologie des Lustmords. Das Paradigma der Erlösung in Robert Musils Roman ‚Der Mann ohne Eigenschaften‘ und in seinem Kontext.
Börger, Judith: Komik in realistischer Gegenwartsliteratur.
Dömer, Christian
Ilic, Ana: Sorge um den Nachwuchs – Die Jugend bei der Musterung in der Literatur der Frühen Moderne.
Horn, Melanie: Die Verwendung von Popmusik in der Markenwerbung.
Kigle, Martina: Figure M. Eine andere Geschichte der Postmoderne.
Unter einem großen Baum liegt M.,
den Blick nach oben in die Krone gerichtet.
Zwischen Daumen und Zeigefinger hält sie einen Grashalm,
den sie wie eine Zigarette zum Mund führt. Aus halb geschlossenen Lidern
beobachtet M., wie sich der Rauch
in Ringen zwischen ihren Lippen
hervor schiebt.
Die Postmoderne hat uns in einer Aporie zurückgelassen: So wichtig wie richtig es war, die radikale Konstruiertheit von Welt und Wirklichkeit herauszustellen und ihre Dekonstruktion zu betreiben, so sehr wurde damit auch der Raum für einen Relativismus geöffnet:
Das Ende der Großen Erzählungen sowie der Verlust des Meta-Narrativs machen zwar das Leben offener, reicher, vielfältiger und damit lebendiger: „Ihr Niedergang hindert Milliarden von kleinen und weniger kleinen Geschichten nicht daran, weiterhin den Stoff des täglichen Lebens zu weben.“ (Lyotard 1987) Wenn allerdings gleichzeitig gesamtgesellschaftliche Sicherheiten wegbrechen, dann siegt statt lebendigem Leben das Recht des Stärkeren und Performanz und Verfahren beherrschen das Feld. Das Wegfallen des Meta-Narrativs kommt dann einer „gesellschaftstheoretische[n] Selbstentmächtigung der Kulturwissenschaften“ (Maderthaner/Musner 2007) gleich: „Die Postmoderne, als die kulturelle Logik des Spätkapitalismus, hat sowohl die Künste wie die Theorie bemerkenswert klassenlos und konsumentenfreundlich gestaltet.“ (Ebd.)
Wie also lässt sich ein tragfähiges Narrativ nach dem Ende der Großen Erzählungen formulieren, das weder zurückfällt hinter die postmodernen Erkenntnisse und wutschnaubend DIE Realität einfordert, noch eine Ästhetisierung, Kulturalisierung, Diskursivierung und deren große Folgenlosigkeit betreibt, wenn „der Weg vom Denken zur sogenannten Praxis […] viel verschlungener [ist], als man es im allgemeinen heute sich vorstellt“ (Adorno 1996)?
Es ist das Ziel der Arbeit, diese postmoderne Aporie zu überwinden – mit postmodernen Mitteln: In einer Hybridisierung von Wissenschaft und Kunst werden Elemente wissenschaftlicher, essayistischer, journalistischer und literarischer Prosa integriert. Da bisher dichotom funktionierende Diskurse wie Wissenschaft vs. Kunst, Theorie vs. Praxis, Fakt vs. Fiktion ihre Produktivität eingebüßt haben, lernt Literaturwissenschaft von ihrem Gegenstand: Ihre Literarisierung und Poetisierung ist das wissenschaftliche Pendant zum Artistic Research in der Bildenden Kunst und die Wiederaufnahme eines Kritik-Diskurses, der mit dem Ende der Großen Erzählungen seine Legitimation verloren hat.
Im Mittelpunkt der Arbeit steht dabei die Hauptfigur und Heldin M.
Es ist vollkommen still, nichts regt sich.
Ruhig führt M. den Grashalm zum Mund, schiebt den Rauch
in Ringen zwischen den Lippen hervor. Ringe wie Os und Os wie Löcher –
Löcher, in die M. fallen könnte.
Aber M. fällt nicht.
M.
fällt nie.Meischen, Gerold: Das Prosawerk Max Herrmann-Neißes in seiner Berliner Phase (1917-1933): Post-wilhelminische Parameter und literarische Verfahren im Übergang vom Expressionismus zur Neuen Sachlichkeit.
Abstract: Der literarische Diskurs zwischen dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges und dem Ende der Weimarer Republik charakterisiert sich durch zahlreiche Brüche. Diesen Verwerfungen am Beispiel der Prosatexte von Max Herrmann-Neiße nachzugehen, hat sich das Dissertationsvorhaben zum Ziel gesetzt. Ausgeprägte Disparitäten und Spannungsfelder im Werk selber begleiten die Exegese. Dabei interessiert die Frage, inwieweit sich der Autor aus dem oberschlesischen Neiße paternalistischen Einflüssen der Gesellschaft und poetologischen Anregungen seiner literarischen Zeitgenossen stellt. Intertextuale Überlegungen würdigen naturgemäß auch Max Herrmann-Neißes Affinitäten gegenüber literarischen Vorbildern wie Eichendorff, Flaubert, Hesse, Sternheim, Heinrich Mann oder Robert Walser. Die sich hier spiegelnde Heterogenität verhindert eindeutige literaturhistorische Epochenzugehörigkeiten und soll am Beispiel in ihren prozessualen Ausprägungen bestimmt werden. Durchdrungen von einer sich bei Max Herrmann-Neiße herausbildenden Poetik und den zu analysierenden Charakteristika des ästhetischen Verfahrens einschließlich ihrer Literarizität formt sich ein zeittypisches Bild literarischer Werkbausteine – oszillierend zwischen romantischen Einflüssen, Expressionismus und Neuer Sachlichkeit. Ein weiterer Forschungsaspekt ergibt sich aus der Einbettung der untersuchten Romanprosa in den gattungs- und literaturtheoretischen Diskurs der Epoche am Beispiel von Filippo T. Marinetti, Georg Lukács, Carl Einstein, Gottfried Benn, Alfred Döblin und Vertretern des New Criticism.
Müller, Konrad: Präsenzbegehren und Erinnerung. Philosophischer Diskurs und literarische Verfahren zwischen Realismus und emphatischer Moderne.
Abstract: Der philosophische Diskurs um 1900 ist in hohem Maße von einem Begehren nach Präsenz geprägt. Am Übergang vom Unmittelbarkeit scheuenden realistischen Dispositiv zur emphatischen Moderne bringt auch und gerade die vielfältige Erinnerungsliteratur jener Zeit das Begehren in spannungsvoller Weise zum Ausdruck. Meine Untersuchung fokussiert die erzählende Erinnerungsliteratur dieser Zeit unter dem Gesichtspunkt ihrer Verfahren und liest sie in Beziehung zum philosophischen Präsenzdiskurs als Bestandteil derselben Kultur. Sie versteht sich sowohl als Beitrag zur aktuellen literaturwissenschaftlichen Präsenzforschung als auch als literaturgeschichtlicher Beitrag zu literarischen Verfahren um die Jahrhundertwende.
Scheerer, Katharina: Zum Verhältnis von expressionistischer Prosa und fantastischer Unterhaltungsliteratur. [Arbeitstitel]
Abstract: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebt die deutschsprachige fantastische Literatur einen ersten Höhepunkt. Dieser schlägt sich vor allem in der sogenannten ‚Unterhaltungsliteratur‘, aber auch bei den hochliterarischen Avantgarden nieder. Autoren wie Hans Dominik, Carl Grunert, Kurd Laßwitz und Friedrich Wilhelm Mader publizieren eine Vielzahl von Texten in Knaben- und Groschenromanen, die Motive wie Kontakte mit anderen Planeten, kosmische Katastrophen und technisch-utopische Fantasien aufweisen. Aber auch die hochliterarischen Avantgarden, wie die Expressionist*innen, veröffentlichen fantastische Texte. Es entsteht eine umfangreiche und qualitativ heterogene Landschaft von utopischen und dystopischen Zukunftsromanen, Abenteuer- und technisch-politischer Prosa. Obwohl die expressionistische Kunstströmung die Form künstlerischer Darstellung radikal erneuern will, greifen Autoren wie Paul Scheerbart oder Alfred Döblin im Bereich der Fantastik Topoi der Genre-Literatur wie das Leben auf fernen Planeten (vgl. Lesabéndio und Berge Meere und Giganten) auf und nutzen deren Erzählmuster.
Das Promotionsvorhaben untersucht das Verhältnis von expressionistischer Prosa und fantastischer Unterhaltungsliteratur zu Beginn des 20. Jahrhunderts und fragt, welchen Gewinn die Expressionist*innen durch die Anleihen in der ‚Unterhaltungsliteratur‘ erzielen und welche Austauschprozesse zwischen den Bereichen Expressionismus und fantastische ‚Trivialliteratur‘ entstehen. Die Dissertation strebt eine Erfassung, theoretische Fundierung und analytisch abgesicherte Bestimmung der Zusammenhänge an. Dazu sollen Beschreibungskategorien für das Verhältnis von populärer und Hochkultur erarbeitet werden, die zum einen die Klassifizierung der Texte als ‚unterhaltend‘/‚trivial‘ oder ‚(hoch)literarisch‘ hinterfragen und zum anderen einen innovativen Blick auf die expressionistische Prosa erlauben.Schuller, Karina: Die Sprache der Transzendenz. Das Surreale in ausgewählter deutscher Literatur zwischen 1800 und 1960.
Abstract: Den Franzosen den Surrealismus – den Deutschen den Expressionismus? Auch in der deutschen Literaturlandschaft der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lassen sich klare surrealistische Züge erkennen. Denn es zeichnet sich die Signatur einer Sprache ab, die auf eine Poetologie verweist, welche die Emphase für Sprache, deren Universalität und deren damit eng verknüpfte transzendentale Dimension, wie sie der écriture automatique des französischen Surrealismus zugrunde liegt, mit diesem nicht nur teilt, da Sprache auch hier in erkenntnistheoretischer Hinsicht als Schlüssel zur Öffnung des Anderen, des Surrealen, der Transzendenz etabliert wird, sondern in der Setzung von Sprache als Transzendentem schlechthin sogar übersteigt. Das Forschungsvorhaben fragt dementsprechend nach der Möglichkeit einer Exegese ausgewählter deutscher Literatur des 20. Jahrhunderts anhand der Prosa und Lyrik Carl Einsteins, Ivan Golls und Paul Celans als genuin surrealistischer Literatur ebenso wie nach deren poetologischer Genese entlang ausgesuchter Prosa Heinrich von Kleists, E.T.A. Hoffmanns, Robert Walsers, Hanns Heinz Ewers' und Franz Kafkas.
Shraim, Iyad: Der Klon-Mensch im deutschen und arabischen Roman. Ein interdiskursiver Vergleich.
Abstract: In der vorliegenden Dissertation wird das argumentative Verhältnis zwischen Literatur und weiteren Spezialdiskursen über das Motiv des geklonten Menschen unter Berücksichtigung von Interdiskursanalyse untersucht. Als Grundlagetexte dienen ausgewählte deutsche und arabische Romane, die das Klonen von Menschen aus verschiedenen Perspektiven thematisieren. Diskursive Positionen und Kollektivsymbolik sollen aus der literarischen Texten, die durch diverse Erzählstrategien und kontroverse Argumentationsmodelle gekennzeichnet sind, herausgearbeitet, klassifiziert und mit ihren Entsprechungen in der jeweils anderen Literatur verglichen werden. Darüber hinaus werden die Besonderheiten der Literatur und ihr Beitrag zur aktuellen Klon-Debatte gegenüber anderen Diskursen hervorgehoben. Eine erste Beobachtung lässt erkennen, dass deutsche und arabische Romane die in den spezialisierten Diskursen überwiegend ablehnende Haltung in Bezug auf das auf Menschen zu übertragende Klonverfahren und dessen Folgen teilen.
Zipfel, Hannah
Als Zweitgutachter: Busch, Nicolai: Literarischer Konservatismus. Narrations-, Distinktions- und Diskursstrategie deutschsprachiger Gegenwartsliteratur.
Abstract: Wo einer deutschsprachigen Gegenwartsliteratur von Literaturwissenschaft und -kritik formaler und/oder weltanschaulicher Konservatismus attestiert wird, geschieht dies meist unter Verweis auf ästhetische und philosophische Traditionen der literarischen Moderne. Romantisch-ästhetizistisch etwa sei das Autonomiepostulat oder das ironische Spiel konservativer Literatur. Ihre religiöse Aufladung eines geschichtslosen ›Schönen‹ und ihre pessimistische Kulturkritik von geistesaristokratischer Warte stehe in der ästhetisch-fundamentalistischen Tradition eines Stefan George. An Akteure der konservativen Revolution fühlt sich die Forschung erinnert, wo eine konservative Gegenwartsliteratur deren antimoderne und antiliberale Ansichten imitiere. Stets, darin scheint man sich einig, liegt das konservativ-ästhetische Moment zeitgenössischer Texte in der bloßen Wiederbelebung und Fortführung bekannter Muster. Mehr als einen rein ästhetischen Oppositionscharakter will die Forschung aktuellen konservativen Texten kaum zusprechen.
Einer solchen traditionsbezogenen Deutungsweise beabsichtigt das Projekt eine bisher vernachlässigte kulturpoetische und kultursoziologische hinzuzufügen: Mittels text-kontext-theoretischer Analysen fiktionaler wie nicht-fiktionaler Texte, ästhetischer Positionierungen und sozialer Positionen verschiedener AutorInnen (darunter Uwe Tellkamp, Martin Mosebach, Reinhard Jirgl, Christian Kracht, Monika Maron, Michael Klonovsky, Simon Strauß etc.) sollen Narrations-, Distinktions- und Diskursstrategien ermittelt werden, welche, so die Hypothese, vor dem Hintergrund gesellschaftlichen Wandels das politisch-konservative ›Normalspektrum‹ (J. Link) unserer Zeit ästhetisch modellieren, (de)konstruieren und aktiv mitgestalten. Im Zentrum des Vorhabens steht damit, neben einer intra- und intertextuellen Untersuchung konservativer Texte, vor allem die Verhältnisbestimmung gesellschaftlich-politisch- und ästhetisch-konservativer Wissensfelder bzw. ihrer Austauschprozesse (S. Greenblatt). Insofern gezeigt werden kann, dass und wie liberal-konservative, bildungsbürgerlich-wertkonservative, aber auch aktuelle neurechte Denkmuster Eingang ins literarische Feld finden, beabsichtigt das Projekt nicht weniger, als eine bis vor kurzem noch semantisch entleerte Weltanschauung in ihrer aktuell wiedererstarkenden politischen, ideologischen und ästhetischen Schlagkraft kritisch zu erfassen.