„Wir sollten mehr Mut haben“
Kommunikation ist ihre Stärke: Darum erhalten Dr. Barbara Schüler und Jana Haack vom Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte sowie die Germanistin Dr. Anna-Maria Balbach am 12. November in der Studiobühne den „wissen.kommuniziert“-Preis 2025 der Universitätsgesellschaft Münster. Die gemeinsame Stärke und das rege Interesse an der Wissenschaftskommunikation zeigte sich während eines lebendigen Gesprächs mit André Bednarz.
Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung?
Jana Haack: Wertschätzung! Für ein Feld, das in der Preislandschaft nicht so stark vertreten ist, wie es sein sollte. Und für die eigene Arbeit.
Barbara Schüler: Genau richtig. Seit über 20 Jahren mache ich Wissenschaftskommunikation und habe wichtige Pionierarbeit geleistet. Der Preis erkennt das an und unterstreicht, dass ,Wiko‘ kein Nebenjob oder -produkt ist, sondern dass es dafür Expertise braucht. Umso wichtiger ist es, dass diesmal nicht Professoren ausgezeichnet werden, sondern drei Personen, die die Arbeit machen, ohne stets im Rampenlicht zu stehen – ein tolles Signal der Jury.
Anna-Maria Balbach: In der Wissenschaft bekommt man vor allem für Publikationen Anerkennung. Nun hingegen wird meine Arbeit als Kommunikatorin ausgezeichnet – und die meiner tollen Hilfskräfte. Laut Ausschreibung würdigt der Preis ,herausragende Wissenschaftskommunikation, die es schafft, komplexe Inhalte verständlich zu kommunizieren‘. Das ist jeden Tag mein Ziel. Wissenschaft muss in die Öffentlichkeit transportiert werden, darauf hat die Gesellschaft ein Recht.
Beschreiben Sie mal, wie Sie Wissenschaftskommunikation betreiben ...
Schüler: Ich gehe morgens zur Arbeit und abends nach Hause. (lacht)
Balbach: Mit Begeisterung! (lacht ebenfalls) Im Rahmen meines DFG-Projekts ,Sprache und Konfession im Radio‘ habe ich 1.000 Euro für Wissenschaftskommunikation erhalten. Die habe ich in Fortbildungen und Workshops gesteckt, etwa zu Social Media und Storytelling. Dann haben wir einfach losgelegt und unsere Begeisterung für Sprachforschung vermittelt – auf Instagram, in Schulen oder auf der ,MS Wissenschaft‘.
Schüler: Jana und ich ergänzen einander gut: Während ich aus der klassischen Wiko und Öffentlichkeitsarbeit komme – Medienanfragen, Interviews, Vorträge, politische Bildung zum Beispiel –, bringt Jana einen moderneren Zugang mit. Beispiel Rom ...
Haack: ... wo ich auf Instagram den Followern des Uni-Kanals gezeigt habe, wie wir in den Vatikanischen Archiven forschen. Grundsätzlich ist Wissenschaftskommunikation auch immer strategische Arbeit, beispielsweise mit Blick auf Zielgruppen und Formate. Wichtig ist, dass Wissenschaftskommunikation ungleich Ergebniskommunikation ist. Unser Projekt ,Asking the Pope for Help‘ ist mit 10.000 zu untersuchenden Bittschreiben jüdischer Menschen während des Nationalsozialismus so umfangreich, dass wir nicht von jetzt auf gleich Ergebnisse vermitteln können. Wir können aber Geschichten erzählen – auch unsere eigenen: Wie gehen wir vor? Wie sieht Quellenarbeit aus? Wie funktioniert der Forschungsprozess?
Schüler: Und warum ändert sich beispielsweise die Einschätzung über Papst Pius XII.? Die Darstellung wissenschaftlicher Prozesse ist mindestens genauso wichtig wie die Darstellung ihrer Ergebnisse.
Haack: So zeigen wir, wie das Wissenschaftssystem funktioniert und machen die Veränderbarkeit von Wissen sichtbar.
Die Kommunikation hört also niemals auf?
Schüler: So ist es. Gute Wiko beugt einfachen Urteilen vor und ermöglicht fortwährende Kontextualisierungen und Differenzierungen. Sie entfaltet somit eine bildende Wirkung.
Haack: Wobei wir keine Allmachtsfantasien haben sollten. (lacht)
Balbach: Übrigens empfinde ich Wissenschaftskommunikation in den Geisteswissenschaften als besonders herausfordernd. Unsere Ergebnisse sind, anders als in den Naturwissenschaften, nur selten messbare Zahlen. In der qualitativen wie quantitativen Sprachwissenschaft muss ich kommunikativ viel einordnen: historisch, sozial, kulturell. Oft gibt es nicht die einfache und schnelle Antwort.
Worauf sind Sie besonders stolz?
Balbach: Darauf, dass wir die Menschen mit unserer Wiko erreichen. Über unseren Instagram-Kanal und weitere Aktionen zum Jubiläumsjahr ,100 Jahre Kirche im Radio‘ 2024 haben wir viele großartige Rückmeldungen erhalten. Schulen und Kirchen haben angerufen, der MDR und Deutschlandfunk wollten über unsere Arbeit berichten. Am Ende musste ich sogar selektieren, ich bin medial ja ein Ein-Frau-Programm. (lacht) Als ich bei der Abschlussveranstaltung des Jubiläumsjahres in Leipzig mit einem Filminterview auftreten durfte, dachte ich: ,Die Wissenschaftskommunikation hat sich gelohnt!‘
Schüler: Ich bin stolz auf das, was ich in ‚Asking the Pope for Help‘ alles auf die Beine gestellt habe. Und auf Jana: Sie ist eine der ersten Absolventinnen des ,WissKomm-Kollegs‘, mit dem mehrere Akteure den Nachwuchs in unserem Berufsfeld stärken wollen.
Haack: Das freut mich, danke! Das Motto des Kollegs lautet: ,Was, wenn es gut wird?‘. Dahinter steckt die Idee, dass wir in der Wissenschaftskommunikation mehr Mut haben sollten, neue Wege zu gehen.
Wie kann das konkret aussehen?
Balbach: Ich wünsche mir, dass mehr Forschenden die Möglichkeit zur Wiko gegeben wird. Wir brauchen mehr Unterstützung, um unsere Arbeit und Leidenschaft zu vermitteln und die Öffentlichkeit zu informieren. Dadurch können wir auch für das Studium, die Promotion, die Forschung werben.
Haack: Dazu müssen wir aber die Ex-trameile gehen können. Um diejenigen zu erreichen, die wir nicht ohnehin schon ansprechen. Für uns heißt das beispielsweise, dass wir Schulen besuchen oder szenische Lesungen veranstalten. Das ist aufwendig und kostet Geld. Wobei gute Wissenschaftskommunikation nicht automatisch teuer sein muss. Aber es fehlen die entsprechenden Dauerstellen.
Schüler: Wir brauchen motivierte Wissenschaftskommunikatoren, die gezielt ausgebildet und gefördert werden. Kurzum: Wir brauchen Personal, Zeit und Geld für gute und wirkungsvolle Wissenschaftskommunikation. Von der Pressestelle über die Fachbereiche bis hin zu den Arbeitsgruppen. Nur so können wir einen Beitrag zu einer zukunftsfähigen und attraktiven Universität leisten.
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 7, 5. November 2025.