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Münster (upm/bhe).
Auf dem historischen Foto ist der Schriftsteller Thomas Mann im Vordergrund zu sehen. Er steht draußen im Garten vor Palmen und trägt Hut und Brille.<address>© ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv / Fotograf: Unbekannt</address>
Thomas Mann in den "Pacific Palisades": Das verbreitete Bild vom gutsituierten Exilanten, der es sich in den USA habe gutgehen lassen, führt jedoch in die Irre.
© ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv / Fotograf: Unbekannt

Was gut ist und was böse

Germanist Kai Sina zeichnet den Weg Thomas Manns als politischer Aktivist nach

Kann man Thomas Mann überhaupt unpolitisch lesen? „Ganz klar nein“, meint Prof. Dr. Kai Sina. Der Literaturwissenschaftler am Germanistischen Institut hat untersucht, wie sehr und wie früh sich der Schriftsteller verpflichtet fühlte, energisch das Wort gegen Nazideutschland zu erheben. „Durch sein mutiges Voranschreiten im Widerstand wurde Thomas Mann zu einer Gallionsfigur des Antifaschismus“, betont Kai Sina, besonders während seines US-amerikanischen Exils. Zweimal wurde er deshalb von Präsident Roosevelt im Weißen Haus empfangen. „Doch er scheute sich nicht, auch in entlegeneren Gegenden der USA, ja buchstäblich im ganzen Land für die Freiheit und gegen Hitler zu sprechen.“

Prof. Dr. Kai Sina<address>© Hans Scherhaufer</address>
Prof. Dr. Kai Sina
© Hans Scherhaufer
Während des Krieges ging Thomas Mann mit den Deutschen hart ins Gericht. „Er nannte sie Killer und verteidigte die Bombardierung deutscher Städte.“ Seine Rundfunkansprachen an „Deutsche Hörer!“ waren ein eindringlicher Appell zum Widerstand gegen das NS-Regime. In einer Ansprache würdigte er die Mitglieder der „Weißen Rose“ als Vorbilder und Helden. Bereits 1942 berichtete er über die Verbrechen der Deutschen an den Juden. „Immer wieder kam er auf die Gräueltaten der Schoah zu sprechen.“ Über Auschwitz äußerte er sich tief entsetzt, erwähnte „Menschenknochen, Kalkfässer, Chlorgasröhren“ und „Haufen von Kleidern und Schuhen“. Aufgenommen wurden diese Reden in Hollywood. Die Schallplatten gingen zunächst nach New York, von dort wurden die Ansprachen per Telefon nach England übermittelt. Die BBC strahlte sie dann im Rahmen der psychologischen Kriegsführung per Langwelle nach Deutschland aus.

Thomas Mann ist für Kai Sina „auf seine ganz eigene Art ein Widerstandskämpfer“. Das verbreitete Bild vom gutsituierten Exilanten, der es sich in den USA habe gutgehen lassen, führe in die Irre. Außerdem sei es zynisch: „Tatsächlich war Mann existenziell bedroht. Gegen ihn lag ein sogenannter Schutzhaftbefehl vor. Wäre er nach Deutschland zurückgekehrt, wäre er vermutlich ins KZ gesteckt worden.“ Auch deshalb kehrte er 1933 aus einem Urlaub in der Schweiz nicht mehr zurück. Kurz darauf wurde ein Großteil seines Besitzes konfisziert, darunter das Wohnhaus der Familie in München. „Ab 1938 musste er als alter Mann ohne Englischkenntnisse in den USA neu anfangen. Zwar wurde er als prominenter Hitlergegner empfangen, doch zugleich von Beginn an vom FBI überwacht. Nach dem Krieg wäre er beinahe in eines der berüchtigten Kommunisten-Verhöre geraten.“

In seinem neuen Buch „Was gut ist und was böse. Thomas Mann als politischer Aktivist“ zeichnet Kai Sina den Weg des Schriftstellers zum engagierten Verfechter der Demokratie nach. Dazu zählt auch sein entschiedener Einsatz gegen Antisemitismus und für das jüdische Volk. „Er trat überzeugend für die Schaffung einer jüdischen Heimstatt ein“, erklärt der Wissenschaftler, der neben Tagebüchern auch Dokumente aus amerikanischen und deutschen Archiven ausgewertet hat. „Für Thomas Mann war die Gründung des Staates Israel die zwingende Schlussfolgerung aus dem Holocaust.“

Autorin: Brigitte Heeke

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 3, 7. Mai 2025.

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