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Münster (upm)
Dr. Markus Seip<address>© privat</address>
Dr. Markus Seip
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„Jeder Mietvertrag ist umfangreicher“

Warum sind Transferverträge im Profifußball geheim? Ein Interview mit dem Juristen Dr. Markus Seip

Der Fußball-Transfermarkt ist Ihrer Beobachtung nach ein kaum erforschtes Gebiet des Wirtschaftsrechts. Woran liegt das?

Das liegt vor allem daran, dass es sehr schwierig ist, an valide Forschungsgrundlagen zu gelangen. Eine Erforschung der Fußball-Transferverträge ist nur möglich, wenn Vertragsinhalte anhand entsprechender Verträge bekannt sind. Kenntnis über die Transferverträge haben in den Klubs aber nur sehr wenige Leute, und die geben ihre Informationen auch nicht gerne an die Öffentlichkeit. Hinzu kommt, dass das gesamte Sportrecht, wovon der Fußball-Transfermarkt nur eine einzelne Spezialmaterie ist, grundsätzlich noch am Anfang der wissenschaftlichen Erforschung steht.

Ist es nicht nur allzu verständlich, dass die Verhandlungspartner die Inhalte von Verträgen nicht an die Öffentlichkeit geben? Das gilt schließlich auch für andere Wirtschaftsbereiche, etwa die Industrie, wo Inhalte über Mitarbeiterverträge ebenfalls unter Verschluss bleiben ...

Es ist richtig, dass Inhalte von Mitarbeiter-Verträgen auch in anderen Wirtschaftsbereichen geheim bleiben. Bei den Spielertransfer-Verträgen geht es aber nicht um die Arbeitsverträge zwischen einem Klub und einem Spieler, sondern um die Verträge zwischen den Klubs, um sich die Dienste eines Spielers zu sichern. Diesen Vorgang des entgeltlichen Wechselns von Arbeitnehmern zu anderen Arbeitgebern gibt es in anderen Wirtschaftsbereichen nicht in dem Umfang wie im Fußball. Die Spielertransfers werden zudem in der Öffentlichkeit von Millionen von Menschen diskutiert, was auch in anderen Wirtschaftsbereichen so nicht geschieht. Dieser Unterschied zwischen großem Interesse an Spielertransfers und der geringen Befassung mit den rechtlichen Grundlagen erscheint daher erstmal überraschend.

Oder ist diese Art der Geheimhaltung vielleicht der Tatsache geschuldet, dass Vereine und Spieler dort Dinge absprechen, die die Öffentlichkeit nicht wissen darf?

Nein, denn in den Verträgen wird zumindest grundsätzlich nichts vereinbart, was rechtswidrig ist. Die Geheimhaltung ist vielmehr der Tatsache geschuldet, dass die fußballinteressierte Öffentlichkeit generell sehr sensibel auf die hohen Summen im Fußballgeschäft reagiert. Ferner sollen die Vertragsinhalte gegenüber der Konkurrenz geheim bleiben, damit den Klubs bei künftigen Transfers keine Wettbewerbsnachteile entstehen.

Sie kennen den einen oder anderen Transfervertrag. Was war für Sie dabei inhaltlich überraschend?

Ich kenne aus verschiedenen Rechtsgebieten sehr umfassende Vertragsdokumente. Jeder Standard-Mietvertrag ist detaillierter und hat inzwischen einen Mindestumfang von zehn bis 15 Seiten. Die mir bekannten Transferverträge waren dagegen sehr schlank gehalten und enthielten nur rudimentäre Regelungen. Dies war vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Umfangs dieser Transferverträge besonders überraschend.

Lücken taten sich Ihrer Meinung nach vor allem bei den Gewährleistungsrechten auf. Was haben derartige Lücken für Konsequenzen – für die Spieler, für den Verein?

Vertragslücken bergen immer die Gefahr der Rechtsunsicherheit. In den Verträgen finden sich keine Regelungen, welcher Klub welche Risiken zu tragen hat. Als Beispiel kann man sich die folgende Konstellation vorstellen: Im Sommer wechselt ein Spieler für viele Millionen Euro den Klub. In seinem ersten Spiel verletzt sich der Spieler so schwer, dass er Sportinvalide wird. Nun stellt sich heraus, dass die Invalidität des Spielers schon vor dem Wechsel in seiner körperlichen Verfassung angelegt war. Wer trägt nun das Verletzungsrisiko? Muss gegebenenfalls die Ablösesumme angepasst werden? Im Ergebnis führen diese Vertragsunsicherheiten zu unnötigen Ausgaben der Klubs. Sie geben Geld aus, was sie nicht hätten ausgeben müssen. Diese Ressourcenverschwendung führt letztlich zu Qualitätseinbußen auf dem Platz.

Und welche Lösungen könnte es für derartige Lücken geben?

Die wichtigsten Vertragslücken sollten geschlossen werden. Hierzu gehören zwingend vertragliche Regelungen zu Gewährleistungsrechten. Außerdem ist ein Ergebnis meiner Arbeit, dass die Klubs in größerem Umfang flexible Transferentschädigungen vereinbaren sollten. Die Transferentschädigung sollte vom sportlichen Erfolg des Klubs abhängig sein. So nähert sich die Ablöse an den tatsächlichen Wert eines Spielers an, sodass auch an dieser Stelle keine Gelder verschwendet werden.

Dieser Artikel stammt aus der Universitätszeitung "wissen|leben" Nr. 3, 16. Mai 2018

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