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Münster (upm)
Rastertunnelmikroskopische Aufnahme eines Dimers aus zwei Gold-dekorierten PTCDA-Molekülen<address>© Esat et al., Nature Physics</address>
Rastertunnelmikroskopische Aufnahme eines Dimers aus zwei Gold-dekorierten PTCDA-Molekülen
© Esat et al., Nature Physics

Auf der Suche nach magnetischen Eigenschaften von Molekülen

Forschergruppe legt neue Studie vor

Wie können große Datenmengen in Zukunft gespeichert werden? Und wie lassen sich Daten effizienter und schneller verarbeiten? Eine mögliche Lösung könnten molekulare Magnete sein, die als digitale Speichereinheiten dienen. Mit ihrer Hilfe ließen sich extrem hohe Datendichten erreichen. Deshalb forschen Physiker, Chemiker und Materialwissenschaftler intensiv an den magnetischen Eigenschaften von komplexen Molekülen. Wären diese Eigenschaften bekannt und vorhersehbar, ließen sich die Ergebnisse beispielsweise auch in der Spintronik anwenden. Ein Forscherteam vom Forschungszentrum Jülich, der Universität Münster und der Technischen Universität Dortmund untersuchte die Spin-Wechselwirkungen in molekularen Magneten – denn der Spin ist diejenige Eigenschaft von Elektronen, die für Magnetismus verantwortlich ist. Dabei stellten sie fest, dass diese nicht nur von quantenmechanischen, sondern auch direkt von chemischen Wechselwirkungen beeinflusst werden. Die Ergebnisse der Studie wurden nun in der Fachzeitschrift Nature Physics veröffentlicht.

Die Forscher untersuchten in ihrer Studie ein bestimmtes organisches Molekül namens PTCDA. Es besteht aus 24 Kohlenstoffatomen, acht Wasserstoff- und sechs Sauerstoffatomen, die gemeinsam sieben zusammenhängende Ringe bilden, und wird oft als Modellsystem benutzt. "Bindet man an PTCDA ein Goldatom, dann wird das äußere Elektron dieses Atoms in das Molekül übertragen. Dessen Spin bestimmt dann die magnetischen Eigenschaften des ganzen Systems", erklärt Prof. Michael Rohlfing vom Institut für Festkörpertheorie der Universität Münster. "Der Spin dieses Elektrons breitet sich gewissermaßen über das gesamte Molekül aus und macht es damit zu einem unkonventionellen molekularen Magneten – unkonventionell, weil das magnetische Moment nicht an ein einzelnes Atom gebunden ist."

Die beteiligten Wissenschaftler untersuchten solch einen Metall-Molekül-Komplex - einen "Monomer" - mit experimentellen und theoretischen Methoden. Liegen zwei Monomere nebeneinander, sprechen die Wissenschaftler von einem Dimer. Dessen Eigenschaften hängen wiederum von der genauen Orientierung der Monomere zueinander ab. Damit erhielten die Forscher eine große Anzahl an unterschiedlichen Konfigurationen von zwei molekularen Magneten, deren Spin-Wechselwirkungen sie studieren konnten.

Prof. Dr. Michael Rohlfing<address>© WWU - Benedikt Weischer</address>
Prof. Dr. Michael Rohlfing
© WWU - Benedikt Weischer
Die Forscher um Prof. Stefan Tautz am Forschungszentrum Jülich vermaßen die Reaktion der Dimere auf kleine elektrische Ströme von einzelnen Elektronen mithilfe der Rastertunnelspektroskopie – mit überraschendem Ergebnis: "Die Spin-Wechselwirkung hängt so empfindlich von den Details der Wechselbeziehung zwischen den beiden Monomeren ab, wie man es üblicherweise aus der Quantenmechanik heraus nicht erwarten würde", erklärt Stefan Tautz. Schnell gelangten die Wissenschaftler zu der Vermutung, dass in diesem Falle die chemische Wechselbeziehung zwischen den Monomeren den Magnetismus im Dimer kontrolliert – ein außergewöhnliches Phänomen.

Doch die genaue Identifizierung des dahinterstehenden Mechanismus gelang den Forschern erst durch entsprechende theoretische Untersuchungen. „Die magnetischen Eigenschaften solch eines Dimers lassen sich mit geeigneten Modellen vollständig beschreiben“, erklärt Prof. Frithjof Anders von der Universität Dortmund. Allerdings hängen die Parameter, die die magnetischen Eigenschaften kontrollieren, im vorliegenden Fall von der Orientierung der beiden Monomere zueinander ab. Eine Modellierung des Magnetismus war daher nicht möglich, ohne zuerst die strukturellen und chemischen Wechselbeziehungen zwischen den Monomeren zu verstehen. In Zusammenarbeit mit Dr. Thorsten Deilmann und Prof. Peter Krüger bestätigte Michael Rohlfing, dass die Kopplungen innerhalb des Dimers stark mit der Ausrichtung der Monomere zueinander variieren. In diesen Rechnungen wurden auch die Parameter bestimmt, die die magnetischen Eigenschaften kontrollieren. Diese Parameter wiederum ermöglichten es den Wissenschaftlern in Dortmund, für alle möglichen Dimer-Konfigurationen das magnetische Verhalten auszuwerten – in Übereinstimmung mit den in Jülich gemessenen Daten.

Originalveröffentlichung:

T. Esat, B. Lechtenberg, T. Deilmann, C. Wagner, P. Krüger, R. Temirov, M. Rohlfing, F.B. Anders, and F.S. Tautz (2016): A chemically driven quantum phase transition in a two-molecule Kondo system. Nature Physics: PUBLISHED ONLINE: 25. April 2016 | DOI: 10.1038/NPHYS3737

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